Obstruktive Schlafapnoe: Ein unterschätzter Risikofaktor 

Diagnose und Therapie von Schlafatemstörungen   

OA Dr.

Angelika

Kugi

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Kugi © Anja Prade
© Anja Prade

Die OSA ist weit mehr als ein lästiges Schnarchen. „Wiederkehrende Atemaussetzer führen zu Sauerstoffmangel, Schlafunterbrechungen und chronischer Tagesmüdigkeit“, erklärte Kugi. Die Erkrankung gilt als eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor und steht in engem Zusammenhang mit arterieller Hypertonie, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz sowie metabolischen Störungen. Für Apotheker:innen besonders wichtig zu wissen: Bei therapierefraktärem Bluthochdruck liegt die OSA-Prävalenz bei bis zu 80 %.

Schätzungen zufolge sind bis zu 50 % der Männer und 25 % der Frauen betroffen, viele bleiben jedoch unerkannt.

Ursachen und komplexe Pathophysiologie der OSA

Im Kern beruht die OSA auf einer wiederkehrenden Verengung des Rachens im Schlaf. „Ein enger Schlund, der im Schlaf kollabiert, führt zu Schnarchen und Atemaussetzern“, erklärt Kugi. Modernere Forschungen untersuchen die komplexen Ursachen: Neben anatomischen Engstellen spielen die Sensitivität des Atemkontrollsystems und die muskuläre Reaktivität des Schlundes eine Rolle. Das PALM-Prinzip unterstreicht, dass OSA nicht nur eine einzelne Ursache hat, sondern ein multifaktorielles Zusammenspiel verschiedener Faktoren ist. „Ohne Endotypisierung und Phänotypisierung des/der Patient:in keine Schlafmedizin“, so die Schlafexpertin.

Das PALM-Prinzip

Das PALM-Prinzip beschreibt die vier wesentlichen pathophysiologischen Endotypen, die der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) zugrunde liegen und die individuell unterschiedliche Ursachen für die Atemwegsobstruktion im Schlaf darstellen:

  1. Pharynx (enge Schlundstrukturen): Hierbei handelt es sich um anatomische Engstellen im Rachen, die den Luftweg im Schlaf verengen oder zum Kollaps bringen.
  2. Arousal-Schwelle: Die Empfindlichkeit des Gehirns auf Atemstörungen variiert, also wie leicht ein Patient durch eine beginnende Atemstörung aufwacht. Eine niedrige Arousal-Schwelle führt zu häufigeren Schlafunterbrechungen.
  3. Loop Gain: Bezieht sich auf die Stabilität des Atemregulationssystems. Ein hoher Loop Gain bedeutet, dass das System zu stark auf Veränderungen von Sauerstoff und Kohlendioxid reagiert, was zu instabiler Atmung und Atempausen führen kann.
  4. Muscle Reactiveness (muscular responsiveness): Die Fähigkeit der Atemwegsmuskulatur, auf Atemwegsverengungen zu reagieren und den Luftweg offen zu halten, ist entscheidend. Eine verminderte Muskelreaktivität begünstigt die Obstruktion.

Zu den Risikofaktoren zählen in erster Linie Adipositas (63 % der adipösen Männer und 22 % der adipösen Frauen haben eine OSA), aber auch männliches Geschlecht, Alter, anatomische Faktoren, Alkohol, Menopause oder Schwangerschaft.

Klinische Symptome und Auswirkungen auf die Gesundheit

Typische Symptome der OSA sind lautes, unregelmäßiges Schnarchen sowie wiederkehrende nächtliche Atemaussetzer, die meist vom Partner bzw. der Partnerin berichtet werden. Patient:innen selbst bemerken oft keine nächtlichen Aufwachreaktionen, leiden aber unter erheblicher Tagesschläfrigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen und morgendlichen Kopfschmerzen. „Die meisten Apnoiker sagen, ich schlafe wie ein Stein, merken aber nicht, dass sie oft aufwachen“, erläutert Kugi.

Die gesundheitlichen Risiken, vor allem für kardiovaskuläre Erkrankungen, sind umfangreich. Durch die wiederkehrenden Hypoxien und intrathorakalen Druckschwankungen kommt es zu aktivierter Sympathikus-Antwort mit Auswirkungen wie therapieresistentem Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und erhöhtem Schlaganfallrisiko. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für Insulinresistenz, Thromboembolien und Tumorprogression.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf Risikogruppen wie Schwangeren, bei denen OSA Mutter und Kind erheblich gefährden kann und das Risiko für Eklampsie und Frühgeburt erhöht.

Diagnostische Verfahren und Bewertung der Schwere

Die Diagnose erfolgt zunächst mit einer ambulanten Polygraphie, bei der Parameter wie Atemfluss, Thoraxbewegungen, Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz überwacht werden. Zur genaueren Differenzierung folgt die Polysomnographie im Schlaflabor, die zusätzliche Analysen wie EEG, Muskelspannung oder Videoaufnahmen beinhaltet.

Die Schwere wird nach dem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) klassifiziert – der Anzahl der Apnoen und Hypopnoen pro Stunde Schlaf:

  • Leicht: AHI 5-15 (Ereignisse pro Stunde)
  • Mittel: AHI 15-30 (Ereignisse pro Stunde)
  • Schwer: AHI mehr als 30 Ereignisse

Neben der Anzahl der Atemaussetzer ist die Zeitdauer mit niedriger Sauerstoffsättigung („Hypoxämie-Burden“) wichtig für die Risikoabschätzung.

Therapieoptionen: Goldstandard und ergänzende Ansätze

Die CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure) bleibt der Standard der Behandlung. Das Gerät erzeugt einen Überdruck, der die Atemwege offenhält: „Der/die Patient:in muss die Maske mindestens vier Stunden pro Nacht tragen – nur dann verbessert CPAP kardiovaskuläre Risiken und mindert Morbidität und Mortalität“, betont Kugi.

Nichtmedikamentöse Alternativen sind Gewichtsreduktion und Unterkieferprotrusionsschienen (UPS). Die Gewichtsabnahme beeinflusst den Verlauf deutlich – je mehr die betroffene Person abnimmt, desto stärker sinkt der AHI. UPS wirken vor allem bei leichter bis moderater OSA in Rückenlage – sie sind in Deutschland kassenfinanziert, in Österreich jedoch nicht. Für Patient:innen mit CPAP-Intoleranz gibt es den Zungenschrittmacher, ein implantierbares Gerät, das bei Bedarf die Zunge vorverlagert, um den Luftweg freizuhalten.

Auch zusätzliche pharmakologische Optionen sind in Entwicklung. Bei anhaltender Tagesschläfrigkeit unter Therapie werden Wirkstoffe wie Modafinil oder Solriamfetol eingesetzt. Aktuelle Forschung betrifft vor allem Medikamente, die die Muskelaktivierung des Rachens verbessern oder den Loop Gain modulieren.

Geschlechterspezifische Besonderheiten

Frauen werden oft später diagnostiziert, da sie andere Symptome zeigen. Bei Frauen dominieren eher Durchschlafstörungen oder Müdigkeit, nicht das typische Schnarchen. Dies führt zu einer Verzögerung der Behandlung, obwohl Frauen nach der Menopause eine ähnliche Prävalenz wie Männer erreichen. Es ist wichtig, das in der Beratung zu berücksichtigen.

Relevanz für die Apotheke: Beratung und Aufklärung

Das Apothekenpersonal ist gefordert, Kund:innen mit Verdacht auf OSA auf die beschriebenen Risiken aufmerksam zu machen. „Nasensprays und Schnarchhilfen aus der Selbstmedikation sind keine Therapie der OSA“, stellt Kugi klar. Eine freie Nasenatmung ist zwar wichtig, beseitigt aber nicht die nächtlichen Atemaussetzer. Insbesondere nicht validierte Produkte wie Antischnarchsprays oder frei verkäufliche Kieferschienen bieten keinen ausreichenden Nutzen gegen OSA. Eine genaue fachärztliche Abklärung wird empfohlen. Zum Thema Nasenscheidewandoperationen betont Kugi: „Die OP kann die Nasenatmung verbessern, ändert jedoch nicht direkt die Apnoe.“

Fazit

Die obstruktive Schlafapnoe ist eine ernstzunehmende Erkrankung mit relevanten Folgen für den gesamten Organismus. Fachkundige Beratung und gezielte Hinweise auf Diagnostik und Therapie sind notwendig, um Betroffene frühzeitig zu erreichen und schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Apotheken können durch Aufklärung und individuelle Beratung einen wertvollen Beitrag leisten.

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