Chronobiologie und Essgewohnheiten

Wie wir ticken

Mag. Larissa Grünwald
Artikel drucken
Gehirn © AdobeStock
© AdobeStock

Die Wissenschaft der Chronobiologie widmet sich der Erforschung der inneren Uhr des Menschen, die sich in ständig wiederholenden Prozessen im menschlichen Körper zeigt. Blutdruck, Pulsfrequenz, Körpertemperatur, Schlaf-Wach-Phase oder die Hormonsekretion unterliegen einem bestimmten Rhythmus. 

Folglich steuert der chronobiologische Rhythmus gleichermaßen unsere Leistungsfähigkeit, die Konzentration und sogar die Stimmung. Dabei unterliegen die verschiedenen Körperfunktionen unterschiedlichen zeitlichen Rhythmen. Die meisten spielen sich im Tag-Nacht-Rhythmus ab, also im zirkadianen Rhythmus, dem wir u. a. mit unserem Schlaf-Wach-Rhythmus folgen. 

Andere Prozesse laufen wiederum im Monatsrhythmus ab, dem zirkamensuellen Rhythmus, wie beispielsweise der weibliche Menstruationszyklus. Wieder andere folgen einem Jahresrhythmus, dem zirkaannualen Rhythmus, wie beispielsweise die Winterdepression. 

Wohltuend für 
die innere Uhr
  • Zeitlich abgestimmte Nahrungsaufnahme: regelmäßige Essenszeiten etablieren und späte Mahlzeiten meiden
  • Regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus: feste Schlafzeiten einhalten und intensive Bildschirmnutzung vor dem Schlafengehen meiden
  • Lichtmanagement: Die innere Uhr sollte sich nach dem Tageslicht richten und wird durch künstliches Blaulicht insbesondere am Abend irritiert.

Von Lerchen und Eulen

Die innere Uhr lässt sich zwar ein wenig durch Licht verschieben, einen Einfluss auf den Chronotyp hat das jedoch nicht. © iStock
Die innere Uhr lässt sich zwar ein wenig durch Licht verschieben, einen Einfluss auf den Chronotyp hat das jedoch nicht. © iStock

In der Chronobiologie werden drei Chronotypen unterschieden: die Lerche, die Eule und der Normaltyp. Der Frühaufsteher – die Lerche – läuft bereits in den frühen Morgenstunden zur Hochform auf, während der Spätaufsteher – die Eule – erst viel später seine produktivste Phase erlebt und auch entsprechend später die Ruhe- und Erholungsphase einleitet. Der Normaltyp umfasst rund 70 % der Bevölkerung und bildet die goldene Mitte. 

Die zweithäufigste Gruppe sind laut Zentrum für Chronobiologie der LMU (Ludwig-Maximilians-Universität München) die Eulen. Das Schlusslicht bilden die Lerchen. Der Chronotyp ist grundsätzlich genetisch angelegt, ändert sich aber mit dem Alter. Kleinkinder sind fast immer Lerchen. In Pubertät und Adoleszenz entwickelt sich der individuelle Chronotyp jedoch sehr schnell in Richtung Spätaufsteher, um schließlich wieder zur Lerche zu werden.  

Wo sitzt die innere Uhr?

Gesteuert werden die chronobiologischen Rhythmen des Körpers über eine zentrale innere Uhr, die sich im suprachiasmatischen Nucleus (SCN) im vorderen Hypothalamus befindet. Als primärer Taktgeber fungiert das Licht, das über das Auge aufgenommen und als elektrischer Reiz an den SCN gemeldet wird. So ist es auch der Tag-Nacht-Rhythmus, der uns am meisten beeinflusst und sämtliche Körperfunktionen beeinflusst. Der SCN enthält nicht nur die höchste Serotoninkonzentration im Gehirn, sondern steuert auch die Freisetzung von Melatonin. Zudem erhält er über spezielle Rezeptoren Rückmeldung über die Menge des zirkulierenden Melatonins. Neben Licht und Melatonin gibt es noch weitere – allerdings schwächere – Taktgeber für die chronobiologischen Rhythmen, etwa die Nahrungsaufnahme, körperliche Bewegung, Temperatur und möglicherweise auch das Mikrobiom.

Licht ist somit auch der einzige Weg, um die innere Uhr ein wenig zu verstellen. Viel lässt sich an dem persönlichen Chronotypen jedoch nicht verändern. Aus einer Eule wird auch durch mehr Licht keine Lerche.

Chronodisruption: Gefahr für die Gesundheit

Schichtarbeit, hormonelle Veränderungen wie bspw. die Wechseljahre oder künstliches Licht können das gut aufeinander abgestimmte Orchester durcheinanderbringen – oft mit nachteiligen Folgen für das Wohlbefinden. Chronobiolog:innen haben erkannt, dass eine Störung des inneren Rhythmus, die sogenannte Chronodisruption, sogar krank machen kann. So hat z. B. die Internationale Agentur für Krebsforschung im Jahr 2007 langjährige Schichtarbeit durch die Chronodisruption als mögliches Humankarzinogen eingestuft. Auch bei depressiven Patient:innen finden sich häufig zirkadiane Rhythmusstörungen, die meist als massive Schlafstörungen zum Ausdruck kommen.

Weitere Ursachen einer Chronodisruption sind häufiger oder permanenter Distress, zu wenig bzw. gestörter Schlaf (Ein- oder Durchschlafstörungen), keine oder zu wenig Ruhephasen, wiederholtes Arbeiten am Wochenende sowie häufiges Überspringen von Zeitzonen. Die Folgen beginnen schleichend mit einer geringeren Belastbarkeit, schlechter Stimmungslage, Nervosität oder Schlafstörungen und können in ernsthafte Gesundheitsprobleme wie Übergewicht, Herzerkrankungen und sogar Krebs münden. 

Chronobiologie und Ernährung

Auch die Aufnahme bestimmter Nährstoffe ist tageszeitlichen Schwankungen unterworfen und an die innere Uhr des Menschen gekoppelt. Hier spielt der richtige Zeitpunkt u. a. bei der Nahrungsaufnahme, Verdauung, dem Energiehaushalt, dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie bei der hormonellen Regulation der Stoffwechselvorgänge eine Rolle. Auch hier kann eine Missachtung der Chronobiologie mit stoffwechsel- und ernährungsabhängigen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden.

Zeitpunkt der Mahlzeit entscheidend

Die Frage, wann wir was essen und ob wir im Gleichklang oder gegen unsere innere Uhr essen, wurde u. a. in einer Übersichtsarbeit von Alexy et al. aus dem Jahr 2021 aufgegriffen.1 Das Ergebnis bestätigte, dass es grundsätzlich erstrebenswert ist, die individuelle Ernährungsweise an den eigenen Chronotyp anzupassen. Ein klares Ergebnis liefert auch die Frage nach der Abendmahlzeit. So ist eine hohe Energiezufuhr und der Verzehr großer Mengen an Kohlenhydraten mit hohem glykämischem Index am Abend nachteilig und sollte vermieden werden. Diese Erkenntnis wurde bereits in früheren Untersuchungen gewonnen. Die endogene Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten funktioniert nach dem Frühstück wesentlich rascher und effizienter verglichen mit der gleichen Menge am Abend. Auch die thermogene Wirkung der Proteine ist nach einer Morgenmahlzeit deutlicher ausgeprägter als nach einer Abendmahlzeit. Daher wird die bekannte Tatsache, dass abendliche Mahlzeiten eher zu einer Gewichtszunahme führen als morgendliche, auch von den Ergebnissen der Chronobiologie unterstützt.2

Essen gegen die innere Uhr

Dass sich spätes Essen ungünstig auf die Glucoseantwort auswirkt, wurde aktuell in einer Studie mit Student:innen bestätigt.3 

Hier wurde der Glucosespiegel bei Früh- und Spät-aufsteher:innen nach einem Frühstück und einem Abendessen mit hohem glykämischen Index (GI) untersucht. Die Frühaufsteher:innen, die naturgemäß früher essen, zeigten nach einem kohlenhydratreichen Frühstück einen moderaten Glucoseanstieg, nach der Abendmahlzeit hingegen eine stärkere Blutzuckerreaktion.

Dies unterstreicht die über den Tag nachlassende Glucosetoleranz. Die Spätaufsteher, die biologisch bedingt länger schlafen und später essen, zeigten sowohl beim Frühstück als auch beim Abendessen eine hohe Glucoseantwort auf Mahlzeiten mit hohem GI. Ein Zeichen dafür, dass die Regulation des Blutzuckers nur mangelhaft gelingt, wenn gegen die innere Uhr gegessen wird. 

Demnach ist ein sehr frühes Frühstück mit reichlich Kohlenhydraten für die Spätaufsteher genauso 
kritisch wie ein reichhaltiges Abendessen. Daher sollte diese Gruppe nicht nur abends, sondern auch morgens auf die Qualität der Kohlenhydrate achten und lieber entsprechend ihrem Chronotyp später frühstücken. 

Außerdem lassen die Ergebnisse schlussfolgern, 
dass generell ein Essen spät abends nachteilig für die Glucoseantwort ist – unabhängig vom Chronotyp.

Hormone und Transmitter, die bei der Regulation von Hunger und Sättigung eine Rolle spielen, weisen ebenfalls einen zirkadianen Rhythmus auf. So ist die Leptinkonzentration im Plasma während der Nacht hoch und bewirkt ein nachlassendes Hungergefühl, während ihre Konzentration am Tag sinkt und sich ein stärkeres Hungergefühl einstellt.  

Chrononutrition: Essen nach der Uhr

Der Chrononutrition liegt die Hypothese zugrunde, dass moderne Essgewohnheiten zu einer Desynchronisierung des inneren zirkadianen Rhythmus führen. Diese Entwicklung kann u. a. mit Übergewicht und dem metabolischen Syndrom in Zusammenhang gebracht werden. Das Einhalten von unterschiedlich langen Fastenperioden kann helfen, die innere Uhr zu synchronisieren und der Negativspirale vorzubeugen. Zu den häufig propagierten Formen zählen das intermittierende Fasten, bei dem während 12–16 Stunden pro Tag gefastet wird (z. B. 16 : 8-Fasten), das alternierende Fasten, bei dem abwechselnd ein Tag gefastet und ein Tag normal gegessen wird, sowie das periodische Fasten mit zwei Fastentagen pro Woche (z. B. 5 : 2-Fasten). Die derzeitige Studienlage zu diesem Thema ist aufgrund unterschiedlicher Kalorienrestriktionen, Studiendauern und Populationen nur schwierig zu vergleichen. Dennoch können mittlerweile einige Erkenntnisse als erwiesen gelten.

Drei ist besser als sechs

Interessant ist das Ergebnis einer Forschergruppe mit Typ-2-Diabetiker:innen. Hier wurde untersucht, ob bei gleicher Gesamtkalorienzufuhr drei Mahlzeiten pro Tag (3M) oder sechs Mahlzeiten pro Tag für das Gewicht, den HbA1c-Wert und die Blutzuckerkurve sinnvoller sind. Nach drei Monaten gab es nur in der 3M-Gruppe eine signifikante Gewichtsreduktion (ca. −5,5 kg), eine Abnahme des HbA1c-Wertes (−1,2 %) sowie des Nüchtern-, Tages- und Nacht-Blutzuckers. Für Diabetiker:innen scheint es also von Vorteil zu sein, drei statt sechs Mahlzeiten pro Tag zu sich zu nehmen.4

Begrenzung der Nahrungsaufnahme sinnvoll

Dass eine zeitliche Begrenzung der Nahrungsaufnahme also sinnvoll ist, konnte in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen werden. Damit wurde das frühere Dogma, dass eine Kalorie eine Kalorie sei, egal zu welcher Tageszeit diese konsumiert wird, verdrängt werden. Ein Beispiel dafür lieferte u. a. eine Studie mit Erwachsenen, deren Nahrungsaufnahme von vormals 14,5 Stunden auf eine Zeitspanne von 10 Stunden pro Tag limitiert war. Anweisungen hinsichtlich der Menge und der Zusammensetzung der Nahrung oder der Kalorien wurden keine gegeben. Nach vier Monaten hatten die Proband:innen durchschnittlich 3,3 kg abgenommen und konnten das Gewicht bis zur 1-Jahres-Kontrolle halten.5 Zu einem ähnlichen Resultat kam eine Studie mit übergewichtigen Erwachsenen, die allein durch Begrenzung der Nahrungsaufnahme auf acht Stunden zwischen 10 und 18 Uhr innerhalb von drei Monaten einen Gewichtsverlust und das Sinken des systolischen Blutdrucks verzeichnen konnte.6

Mahlzeiten besser früher als später

Noch einen Schritt weiter gingen Sutton et al. in ihrer Studie mit übergewichtigen Erwachsenen mit Prädiabetes. Es stellte sich heraus, dass die Beschränkung der Nahrungsaufnahme auf sechs Stunden mit der spätesten Mahlzeit vor 15 Uhr im Vergleich zu einer Verteilung der Mahlzeiten über eine Zeitspanne von zwölf Stunden zwar zu keinem Gewichtsverlust, aber zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität und einer Abnahme von Blutdruck, oxidativem Stress und Appetit am Abend führte. Möglicherweise kommt es also auch darauf an, zu welcher Tageszeit das Fenster, in dem gegessen wird, angesetzt wird. Dabei scheint es günstiger zu sein, das Fenster früh oder in der Mitte des Tages anzusetzen.7

Vitamine und Mineralstoffe für die innere Uhr

Kalorie ist nicht gleich Kalorie:  Eine zeitliche Limitierung der Nahrungsaufnahme könnte zu einem Gewichtsverlust führen. © Shutterstock
© Shutterstock

Die Synchronisierung des chronobiologischen Rhythmus kann nicht nur die Gesundheit positiv beeinflussen, sondern auch die Befindlichkeit, die Stimmung und die Stressresilienz in Balance bringen. Dabei können neben pflanzlichen Wirkstoffen auch Mikronährstoffe von Nutzen sein. So kann beispielsweise eine ausreichende Versorgung mit B-Vitaminen, den Elektrolyten Magnesium, Kalium, Calcium und Natrium sowie langkettige Omega-3-Fettsäuren zu mehr Ausgeglichenheit und einer höheren Stresstoleranz verhelfen. 

Quellen

  1. Alexy U. et al.: Chronobiologie und Ernährung. Aktuelle Ernährungsmedizin 2021; 46(2): 95-104
  2. Garaulet M, et al.: Chronobiological aspects of nutrition, metabolic syndrome and obesity. Adv Drug Deliv Rev 2010; 62(9-10): 967-978
  3. Stutz B, et al.: Glycemic response to meals with a high glycemic index differs between morning and evening: a randomized cross-over controlled trial among students with early or late chronotype. Eur J Nutr 2024; 63: 1593-1604
  4. Jakubowicz D, et al.: Reduction in glycated hemoglobin and daily insulin dose alongside circadian clock upregulation in patients with type 2 diabetes consuming a three-meal diet: a randomized clinical trial. Diab Care 2019; 42: 2171-2180
  5. Gill S, et al.: A smartphone app reveals erratic diurnal eating patterns in humans that can be modulated for health benefits. Cell Metab 2015; 22: 789-798

    Weitere Literatur auf Anfrage

Das könnte Sie auch interessieren