
Die Häufigkeit des Stuhlgangs ist individuell unterschiedlich und kann zwischen drei Mal pro Tag und einmal alle drei Tage als normal betrachtet werden. Erst bei weniger als drei Stuhlgängen pro Woche oder wenn starkes Pressen erforderlich ist, spricht man von Obstipation.4 Dennoch greifen manche Menschen zu schnell zu vermeintlich raschen Lösungen und nutzen Abführmittel exzessiv. Der unsachgemäße Gebrauch von Laxantien stellt eine unterschätzte Gesundheitsgefahr dar, die schwerwiegende Folgen haben kann.
Verstopfung: Vielfältige Auslöser & Risikofaktoren
Abführmittel sind aus der Selbstmedikation nicht wegzudenken und gehen tagtäglich über die Tara – sei es nach einer Ernährungsumstellung, auf Reisen oder bei gelegentlicher Verstopfung. Bestimmte Medikamente wie Opioide (opioidinduzierte Obstipation, OIC)5 oder Eisenpräparate können ebenso zu Verstopfungen führen wie neurologische Erkrankungen, Darmveränderungen oder Bewegungsmangel durch Bettlägerigkeit. Das Risiko für Verstopfungen ist zudem in bestimmten Lebensphasen erhöht – im Kindesalter, während der Schwangerschaft, nach der Geburt und im höheren Alter. Auch das chronische Unterdrücken des Stuhldrangs kann langfristig zu Problemen führen und sollte daher vermieden werden.
Natürliche Maßnahmen
Die AWMF-Leitlinie empfiehlt bei Obstipation zunächst eine Anpassung der Lebensgewohnheiten mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr, regelmäßiger Bewegung sowie einer ballaststoffreichen Ernährung. Zusätzlich können fermentierte Pflaumen oder Pflaumensaft auf sanfte Weise hilfreich sein. Falls diese Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt bringen, können zusätzliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen, Leinsamen oder Methylcellulose unterstützend wirken. Diese erhöhen das Stuhlvolumen, beschleunigen den Darmtransit und fördern durch Fermentation die Bildung kurzkettiger Fettsäuren, die zur Senkung des pH-Wertes im Darm führen, was die Darmbewegung zusätzlich anregt. Bei der Anwendung von Ballaststoffen ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr besonders wichtig, damit diese gut aufquellen können. Ohne genügend Flüssigkeit kann sich der gegenteilige Effekt einstellen – im schlimmsten Fall sogar ein Darmverschluss. Abgesehen davon treten kaum Nebenwirkungen auf, höchstens leichte Blähungen oder Bauchschmerzen.3
Osmotische Laxantien
Reichen diese allgemeinen Maßnahmen nicht aus, können als nächster Schritt osmotische Laxantien wie Macrogol (PEG 4000) eingesetzt werden. Studien belegen dessen Unbedenklichkeit und Wirksamkeit, zudem ist es auch für Schwangere und Kinder geeignet. PEG wird kaum vom Körper resorbiert und unverändert über den Faeces ausgeschieden.2 Wie auch andere osmotische Laxantien binden sie Wasser im Darm und machen den Stuhl weicher. Auch Lactulose fördert die Wassereinlagerung im Darm und führt somit zu Stuhlentleerung, kann aber mit Nebenwirkungen wie Gasbildung und Blähungen verbunden sein.
Beratungstipps für die Tara
- Auf Kaufverhalten achten: Regelmäßige Käufe in großen Mengen sollten Anlass für ein behutsames Beratungsgespräch sein.
- Diskretes und sensibles Nachhaken: Sanfte Einstiegsfragen wie „Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Verdauung ohne Abführmittel noch gut funktioniert?“ helfen, ohne zu verurteilen.
- Aufklären statt belehren: Viele Menschen wissen nicht über die schädlichen Langzeitfolgen Bescheid. Eine verständliche Erklärung ohne Vorwürfe kann Bewusstsein schaffen. Auch über ausreichende Flüssigkeitszufuhr, gesunde Ernährung sowie Bewegung sollte gesprochen werden. Kund:innen, die gerne abnehmen möchten, können alternative Methoden aufgezeigt werden, um überschüssige Kilos loszuwerden.
- Auf Alternativen hinweisen: Natürliche Maßnahmen wie ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Bewegung sind langfristig effektiver. Auch sanfte Stuhlweichmacher können sinnvoll sein.
- Langsames Absetzen ermöglichen: Bei schwerwiegendem Missbrauch sollte ein abruptes Absetzen vermieden werden. Eine schrittweise Reduktion über bis zu mehrere Wochen kann das Risiko eines Darmverschlusses minimieren.1 Teilweise kann ärztliche Überwachung notwendig sein.
- Hilfe vermitteln: Besteht der Verdacht auf eine Essstörung oder schwerwiegenden Missbrauch mit einer psychischen Abhängigkeit, sollten Betroffene auf professionelle Anlaufstellen hingewiesen
werden.
Stimulierende Laxantien
Stimulierende Laxantien wie Natriumpicosulfat oder Bisacodyl hemmen die Wasserresorption aus dem Stuhl, fördern die Wassersekretion des Darms und verstärkten die Darmperistaltik. Die Darmschleimhaut wird gereizt und führt so zu einer Stuhlentleerung. Eine häufige Nebenwirkung sind krampfartige Bauchschmerzen. Auch wenn diese Laxantien laut Leitlinien empfohlen werden, sollten sie nur kurzfristig und nur wenn wirklich notwendig eingenommen werden, da sie sonst zu Elektrolytstörungen, Darmträgheit und Abhängigkeit führen können. Das Gleiche gilt für salinische Laxantien wie Glaubersalz (Na₂SO₄) und Bittersalz (MgSO₄), die osmotisch wirken. Auch die vermeintlich harmlos wirkenden pflanzlichen Abführmittel wie beispielsweise Sennesblätter mit ihren Anthrachinonglykosiden und auch das Rizinusöl zählen zu den stimulierenden Abführmitteln und können die Schleimhaut reizen und bei häufiger Anwendung durch ihre sekretagoge und prokinetische Wirkung zu Schäden führen.
Rektale Laxantien & Probiotika
Rektale Laxantien wie Klysmen und Suppositorien bieten eine schnelle Hilfe bei akuter Verstopfung durch lokale Wirkung im Enddarm. Hierbei können Glycerin oder CO₂-Suppositorien bedenkenlos eingesetzt werden. CO₂-Zäpfchen setzen nach dem Einführen in den Enddarm Kohlensäure frei, die die Durchblutung der Schleimhaut anregt, die Darmbewegung fördert und den natürlichen Entleerungsreflex unterstützt. Dabei entsteht Kohlendioxid, ein im Darm vorkommendes Gas, das normalerweise beim Abbau von Kohlenhydraten und Cellulose gebildet wird. Diese sanfte und mechanische Wirkung führt zu einer schonenden Stimulation der Darmtätigkeit, ohne den Körper unnötig zu belasten. Es ist keine Gewöhnung zu befürchten.
Auch probiotische Bakterien können bei einer chronischen Obstipation hilfreich sein, indem sie die Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen. Deren Wirkung setzt jedoch nicht rasch ein, sondern erfordert etwas Geduld.
Laxantien als „Diäthelfer“ – ein gefährlicher Irrglaube

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Abführmittel zur Gewichtsreduktion beitragen. Tatsächlich wirken Laxantien jedoch überwiegend im Dickdarm, während die Nährstoff- und Kalorienaufnahme bereits im Magen und Dünndarm erfolgt. Somit wird kaum Kalorienaufnahme verhindert, sondern in erster Linie werden Wasser und Elektrolyte ausgeschwemmt. Der Gewichtsverlust resultiert primär aus Flüssigkeitsverlust und ist somit keine nachhaltige, sondern im Gegenteil höchst riskante Strategie. Dennoch werden Laxantien häufig missbräuchlich zur Gewichtsreduktion oder für Fastenkuren angewendet.
Die Risiken des Laxantienmissbrauchs
Der langfristige Missbrauch von Laxantien kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben:
- Elektrolytstörungen: Chronischer Laxantienmissbrauch führt zu einem Verlust essenzieller Elektrolyte wie Kalium, Magnesium und Natrium. Eine Hypokaliämie kann Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen und Kreislaufprobleme verursachen. Auch Nierenschäden sind möglich. Es startet ein Teufelskreis, denn durch Hypokaliämie und Magnesiummangel arbeitet der Darm noch langsamer und Betroffene greifen zu immer mehr Abführmitteln.
- Darmträgheit: Durch regelmäßige Nutzung verliert der Darm seine Eigenaktivität durch Degeneration der glatten Muskulatur, was eine chronische Verstopfung verstärkt. Der Teufelskreis aus weiterem Abführmittelkonsum und zunehmender Darmträgheit setzt sich fort. Betroffene benötigen immer höhere Dosierungen an Abführmitteln.
- Dehydratation: Ein dauerhafter Flüssigkeitsverlust kann zu Kreislaufproblemen, Nierenschäden und extremer Erschöpfung führen.
- Schädigung der Darmflora: Durch langfristigen Missbrauch kann die Darmschleimhaut geschädigt und das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
- Psychische Abhängigkeit: Viele Betroffene entwickeln die Angst, ohne Laxantien keine Verdauung mehr zu haben, und geraten in eine Spirale der Selbstmedikation. Auch Essstörungen können durch den Missbrauch von Laxantien verstärkt werden.
- Wirkminderung anderer Medikamente: Durch die verkürzte Verweildauer des Stuhls im Darm kann die Aufnahme von Medikamenten vermindert und der gewünschte Wirkspiegel eventuell nicht erreicht werden.
- Strukturveränderungen des Darms: Durch die dauerhafte Anwendung von stimulierenden Laxantien kann es zu einer Atrophie der Darmschleimhaut kommen. Langfristiger Gebrauch anthrachinonhaltiger Laxantien kann zur Pseudomelanosis coli führen, einer dunklen Verfärbung der Darmschleimhaut durch Lipofuszin-Einlagerungen, die meist als harmlos gilt, jedoch auf eine chronische Schleimhautschädigung hinweisen kann.
Verdauung braucht Vertrauen, keine Zwänge
Der Darm ist ein sensibles Organ, dessen Funktion nicht willkürlich beschleunigt werden kann. Eine gesunde Verdauung basiert auf natürlichen Prozessen, die durch eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise unterstützt werden können. Durch einfühlsame Beratung kann dazu beigetragen werden, dass Betroffene aus dem Kreislauf des Missbrauchs herausfinden und langfristig eine gesunde Verdauung erlangen.
Quellen
- Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V
- Paré P, Fedorak RN. Systematic review of stimulant and nonstimulant laxatives for the treatment of functional constipation. Can J Gastroenterol
Hepatol 2014; 28: 549–557 - Aktualisierte S2k-Leitlinie chronische
Obstipation der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft
für Neurogastroenterologie & Motilität (DGNM - https://eref.thieme.de/ebooks/cs_20573219#/ebook_cs_20573219_cs7187
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/145_Schmerzgesellschaft/145-003pw9_S3_LONTS_2020-04.pdf