Vitex agnus-castus

Mönchspfeffer

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Mönchspfeffer © Shutterstock
Die blau- bis lilafarbenen Mönchspfefferblüten erblühen von Juni bis Oktober. Arzneilich verwendet werden allerdings die Früchte. © Shutterstock

Mönchspfeffer oder Keuschlamm (Vitex agnus-castus L.) ist ein 3–5 m hochwachsender Strauch aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Sein natürliches Verbreitungsgebiet reicht vom Mittelmeerraum bis nach Zentralasien, bevorzugte Standorte sind Flussufer und Meeresküsten. Die Pflanze besitzt handgroße, aus fünf bis sieben Fiedern zusammengesetzte Laubblätter, die kreuzgegenständig an den Trieben angeordnet sind. Die endständig an den Trieben gebildeten ährenartigen Blütenstände bestehen aus zahlreichen wohlriechenden, von weiß- über blau- bis lilafarbigen zweilippigen Blüten. 

Die Blütezeit ist von Juni bis Oktober; dementsprechend kommen an der Pflanze oft von Knospen über Blüten bis zu reifen Früchten alle Stadien gleichzeitig vor. Die Frucht ist eine kugelige, ca. 5 mm große, rötlichschwarze Steinbeere mit pfeffrigem Geschmack. Die Droge stammt teilweise noch aus Wildsammlung, seit zwei Jahrzehnten jedoch zunehmend aus kontrolliertem Anbau.1

Schon in der Antike wurden die Früchte und Blätter des Mönchspfeffers bei Verletzungen und bei Menstruationsbeschwerden verwendet. Im Mittelalter sollen die scharf schmeckenden Früchte dann u. a. als Gewürz in Klöstern gebraucht worden sein, um die geforderte Enthaltsamkeit durch die nachgesagte an-aphrodisierende Wirkung zu unterstützen. Aus diesem Gebrauch stammen die deutschen Namen Mönchspfeffer und Keuschlamm.

Arzneilich verwendete Droge 

Im Europäischen Arzneibuch werden Mönchspfefferfrüchte (Agni casti fructus) als die ganzen, reifen und getrockneten Früchte von Vitex agnus-castus L. definiert. 

Inhaltsstoffe und pharmakologische Wirkungen 

Wesentliche Inhaltsstoffe der Mönchspfefferfrüchte sind das ätherische Öl u. a. mit Sabinen, 1,8-Cineol, α-Pinen, β-(E)-Farnesen, β-Caryophyllen und Limonen; Iridoidglykoside mit Aucubin und Agnusid; lipophile Diterpene vom Labdan- und Clerodantyp; Gerbstoffe und lipophile Flavonoide (u. a. Casticin). Laut Ph.Eur. müssen die Früchte mindestens 0,08 % Casticin enthalten.2

Prolaktin-hemmende Wirkung

Die Wirkungsweise der Agnus-castus-Frucht ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Auszüge aus Mönchspfefferfrüchten zeigten in vitro und in vivo eine Hemmung der Prolaktinfreisetzung in den laktotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens. Die Wirkung ähnelt jener von Dopamin und wird v. a. den Diterpenen zugeschrieben. Es handelt sich hierbei um eine reversible Wirkung,
welche sich bspw. durch Haloperidol aufheben lässt und auf eine selektive Stimulation von Dopaminrezeptoren vom D2-Typ zurückzuführen ist.2 Mittlerweile konnte die Prolaktin-hemmende Wirkung auch in klinischen Studien verifiziert werden. 

Da das Prämenstruelle Syndrom mit einem erhöhten Prolaktinspiegel einhergeht, lässt sich dadurch der Benefit bei diesem Beschwerdebild erklären. Widersprüchlich sind die Ergebnisse bezüglich einer möglichen estrogenen Wirkung, d. h. der Bindung an Estrogenrezeptoren und der bevorzugten Bindung an β- oder α-Rezeptoren. Darüber hinaus gibt es einige Hinweise auf β-Endorphin-ähnliche Aktivität (möglicherweise über μ-Opiat-Rezeptor-Bindung).

Antikarzinogene und antineoplastische Wirkungen

Antikarzinogene Effekte werden v. a. dem Casticin nachgesagt. Mehrere In-vitro-Untersuchungen zeigten Effekte bei diversen Krebszelllinien wie bspw. Brust-, Blasen-, Lungen- oder Leberkrebszellen.3 In einer Studie an Lungenkarzinomzellen, welche auf diverse andere Arzneimittel nicht mehr ansprachen, induzierte das ätherische Öl aus den Mönchspfefferblättern (!) in vitro eine Caspase-abhängige Apoptose.4 Außerdem hemmten Fraktionen aus Chloroform-, Ethanol bzw. Ethylacetat-Extrakt die Angiogenese.5a Da die Angiogenese auch bei der Erneuerung der Uterusschleimhaut im Zuge des Menstruationszyklus eine zentrale Rolle spielt sehen die Studienautoren einer aktuellen in-vitro Untersuchung darin einen weiteren Grund für die Wirksamkeit bei Zyklusstörungen.5b

Neuroprotektive Wirkung

In Tierversuchen an Mäusen zeigte ein nicht näher definierter Extrakt aus Mönchspfeffer neuroprotektive Eigenschaften, die sich laut den Studienautor:innen durch estrogenartige und antiinflammatorische Wirkungen erklären lassen.

Klinische Studien

Mönchspfefferfrüchte erwiesen sich schon in diversen klinischen Studien aus den 1990er-Jahren allen voran beim Prämenstruellen Syndrom als eine effektive Therapieoption. Dies zeigte auch eine neuere placebokontrollierte Studie mit dem Spezialextrakt Ze 440, an der 162 Frauen, die an PMS litten, teilgenommen hatten. Die Teilnehmerinnen wurden in vier Gruppen aufgeteilt (Placebo, 8 mg, 20 mg und 30 mg Tagesdosis). Während der dreimonatigen Anwendung reduzierte sich in der Verumgruppe mit einer Tagesdosierung von 20 mg des Trockenextraktes die Symptomatik (Gereiztheit, Kopfschmerzen, Spannungsgefühl in den Brüsten) signifikant stärker als in der Verumgruppe, die lediglich 8 mg Tagesdosis erhalten hatte, und der Placebogruppe. Zwischen 20 und 30 mg Tagesdosis war dagegen kein signifikanter Unterschied zu erkennen.7

Symbolbild Bauchschmerzen © Shutterstock
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Auch eine aktuelle Metaanalyse aus den vorhandenen Studien belegt die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit von Mönchspfeffer. Die Studienautor:innen sehen v. a. in den zwei Extrakten Ze 440 und BNO 1095 eine gut belegbare Behandlungsoption beim PMS.

Eine weitere aktuelle Metastudie befasste sich auch mit einem möglichen Benefit bei zyklusbedingter Mastalgie. Die Studienautor:innen inkludierten hierzu 25 klinische Studien und kamen zum Schluss, dass Mönchspfefferextrakte in der Dosierung zwischen 20 und 40 mg und einem durchschnittlichen Behandlungszyklus von drei Monaten als sicher und effektiv bei zyklusbedingten Spannungsgefühlen und Schmerzen in den Brüsten einzustufen sind.

Zuletzt gab eine kleine placebokontrollierte Studie mit insgesamt 52 Teilnehmerinnen einen Hinweis auf mögliche positive Effekte bei Wechseljahresbeschwerden. In der Verumgruppe, die einen nicht näher definierten Extrakt aus Mönchspfefferfrüchten erhalten hatte, reduzierten sich diverse Wechseljahresbeschwerden wie Ängstlichkeit und diverse vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen.10

In einer neuen doppelblinden, randomisierten klinischen Kontrollstudie an etwas mehr als 100 Frauen im gebärfähigen Alter wurde beobachtet, dass die Einnahme von 3,2–4,8 mg eines Trockenextraktes (Agnugol®) aus den Mönchspfefferfrüchten und -blättern über einen Zeitraum von 16 Wochen zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der sexuellen Dysfunktion führte.11

Wissenschaftlich bewertete Anwendungen

Seitens des HMPC wurde einem speziellen Trockenextrakt (DEV 6-12 : 1, Ethanol 60 % m/m) der Status eines medizinisch anerkannten Arzneimittels (well-established use) verliehen. Mönchspfeffefrüchte in pulverisierter Form, als Tinktur oder Trockenextrakte (DEV 7-13 : 1, Ethanol 60 % und DEV 10,0–18,5 : 1, Ethanol 50–52 %) erhielten den Status eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels (traditional use). In Form des medizinisch an- erkannten Arzneimittels ist die Anwendung laut HMPC beim Prämenstruellen Syndrom sinn- voll. Jene als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuften Zubereitungen können basierend auf langjährigen Erfahrungen ebenfalls zur Behandlung leichter prämenstrueller Beschwerden eingesetzt werden.

Typische Zubereitungen, Tagesdosierung und Anwendungsdauer

Mönchspfefferfrüchte sollten in pulverisierter Form, als Tinktur oder Trockenextrakt eingesetzt werden. 

Der Trockenextrakt (DEV 6–12 : 1, Ethanol 60 % m/m) sollte in einer Tagesdosierung von 20 mg angewandt werden. Die Tagesdosierung der gepulverten Droge liegt bei 2 x täglich 400 mg, jener der Tinktur (1 : 5, Ethanol 68–70 %) bei 1 x täglich 165 mg, beim Trockenextrakt (7–13 : 1, Ethanol 60 %) 1 x täglich 4 mg und beim Trockenextrakt (10–18,5 : 1, Ethanol 50–52 %) 1 x täglich 2–3 mg. Mindestens drei Monate sollte die Anwendungsdauer bei Regelanomalien und mindestens drei Zyklen bei Mastodynie und beim Prämenstruellen Syndrom betragen. Falls sich Symptome nicht innerhalb von drei Monaten bessern oder sich gar verschlimmern, sollte eine Ärztin/ein Arzt konsultiert werden.

Die Anwendung als Tee ist aufgrund der geringen Dosierung und der schlechten Wasserlöslichkeit der lipophilen wirksamen Bestandteile nicht sinnvoll.

Kinder, Schwangere und Stillende 

Aus Sicht des HMPC sollten Mönchspfefferfrüchte erst ab 18 Jahren angewandt werden. Schwangere und Stillende sollten auf Mönchspfeffer verzichten.

Wechsel- und Nebenwirkungen (Risiken)

Es gibt Berichte über schwere allergische Reaktionen mit Gesichtsschwellungen, Atemnot und Schluckbeschwerden. Außerdem sind auch Kopfschmerzen, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden, Akne und Menstruationsbeschwerden möglich. Die Häufigkeit dieser Beschwerden ist laut HMPC allerdings nicht bekannt. 

Patientinnen mit einem estrogensensitiven Tumor oder Patientinnen, die Dopaminagonisten, Dopaminantagonisten, Estrogene oder Antiestrogene einnehmen, sowie Patientinnen mit einer Hypophysenstörung in der Krankheitsgeschichte sollten vor Anwendung von Mönchspfeffer dies mit ihrer Ärztin/ihrem Arzt besprechen. Aufgrund einer dopaminergen Wirkung kann es bei gleichzeitiger Einnahme von Dopamin-Rezeptor-Antagonisten zu gegenseitigen Wirkungsabschwächungen kommen. Im Falle eines Prolaktin-produzierenden Tumors der Hypophyse kann Mönchspfeffer unter Umständen die Tumorsymptomatik kaschieren.

Kontraindikation

Bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegenüber einer in Mönchspfefferfrüchten enthaltenen Substanz ist dieser kontraindiziert.

Quellen

1   Göhler, I.: Vitex agnus-castus: Botanik und Inkulturnahme – ein Überblick. Zeitschr. f. Phytother. 1999; 20:142–145
2   Blaschek, W.: Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis. 2016; 6. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Stuttgart
3   Ramchandani, S. et al.: An Overview of the Potential Antineoplastic Effects of Casticin. Molecules. 2020; 25(6):1287
4   Suleyman, S.: Essential Oils from Vitex agnus castus L. Leaves Induces Caspase-Dependent Apoptosis of Human Multidrug-Resistant Lung Carcinoma Cells through Intrinsic and Extrinsic Pathways. Nutr Cancer. 2021; 73(4):694–702
5a   Certo, G. et al.: Anti-angiogenic activity and phytochemical screening of fruit fractions from Vitex agnus castus. Nat Prod Res. 2017; 31(24):2850–2856
5b   Bischoff-Kont et al.: BNO 1095, a Standardized Dry Extract from the Fruits of Vitex agnus-castus, Impairs Angiogenesis-related Endothelial Cell Functions In Vitro. Planta Med. 2021; 87(8):611-619.

Weitere Quellen auf Anfrage 

Co-Autoren
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Bauer
emer. o. Univ.-Prof. DI Dr. Chlodwig Franz
Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Dr. h.c. Brigitte Kopp
Univ.-Prof. Mag. Dr. Hermann Stuppner

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