Michael Freissmuth, Leiter des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie an der MedUni Wien, berichtete beim Kongress mit dem Motto "Umweltmedizin im Zeichen des Klimawandels" unter anderem über unerwünschte Nebenwirkungen von Anticholinergika (z.B. in Mittel gegen Harninkontinenz oder Asthma), indem diese die Schweißdrüsen blockieren. Doch das Schwitzen ist die effizienteste Methode des Körpers auf Hitze zu reagieren - was jedoch einen weiteren, oft auch negativen Nebeneffekt zur Folge hat: Das Blutvolumen erhöht sich, was wiederum bei Menschen mit Herzinsuffizienz die Belastungen verstärkt. Bei Personen, die an Diabetes mellitus leiden, kann dieser Anstieg der Hautdurchblutung wiederum nur eingeschränkt erfolgen, und so die Schweißproduktion reduzieren, was wiederum die Hitzeresistenz vermindere.
Viele derartiger Erkenntnisse ergaben sich laut den von Freissmuth zitierten Studien vor allem in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Hitzewelle in Frankreich im Sommer 2003. Sie forderte rund 15.000 Tote und führte somit zu einer krassen Erhöhung der Übersterblichkeit. Ebenso offenbarte diese Hitzewelle ein geschlechts- und altersbedingtes Sterben, wobei die Todesfälle - ohne das laut dem Experten bis dato eine genaue Ursache dafür gefunden werden konnte - bei Frauen gehäufter als bei Männern registriert wurden. Statistisch verkürzte sich das Leben der Betroffenen um sechs bis zehn Monate, wie sich aus den gesunkenen Übersterblichkeitsraten nach der Hitze ergeben habe.
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter prognostizierte in seinem Vortrag, dass der Klimawandel den Gesundheitsbereich insgesamt "einen Haufen an Aufgaben" bescheren werde, von denen einige aktuell noch massiv unterschätzt würden. So nannte er beispielsweise emotionale Reaktionen, wie eine gesteigerte Aggression oder mentale Auswirkungen in Form von Schlafmangel. Bei den negativen Folgen des Klimawandels stünde die zunehmende Hitze jedenfalls auf dem ersten Platz, gefolgt von Pollen und Luftschadstoffen. "Da geht es nicht um die thermische Behaglichkeit", führte Hutter aus. Gesundheitliche Negativeffekte erwachsen laut Hutter etwa auch aus Ernteausfällen, Wasserverschmutzung durch eine Erhöhung der Extremwetterereignisse oder einem Anstieg bei Waldbränden. Zudem würden die psychischen Probleme, die etwa nach Hochwasser bei den Betroffenen auftreten können, ebenfalls unterschätzt, sagte der Umweltmediziner unter Hinweis auf Untersuchungen nach den schweren Unwettern in Österreich im Jahr 2021, die einen Anstieg an posttraumatischen Belastungsstörungen ergaben.
Auch der Internist und Kardiologe Thomas Quinton widmete sich in seinem Vortrag den Folgen des Klimawandels auf den Menschen und warnte davor, dass sich die Hitzewellen in Europa seit den 1980er-Jahren vervierfacht hätten - und "die Entwicklung ist noch nicht zu Ende". Selbst bei Einhaltung der Pariser Klimaziele, also der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, werde etwa in Österreich die mittlere Zahl an Hitzetagen weiter ansteigen. Und auch bei 1,5 Grad plus ist die Prognose düster: Laut einer in "Nature" publizierten Studie würde sich die Übersterblichkeit in diesem Fall hier um über dem Faktor zehn steigern. Zuletzt lag die gemittelte globale Temperatur von Juni 2023 bis Mai 2024 bei 1,63 Grad über dem vorindustriellen Niveau - also für den Zeitraum eines Jahres bereits jenseits dieser Schwelle.
APA