
Die Grenzen zwischen Selbstfürsorge und Umweltschutz verschwimmen, besonders bei Gesundheitsprodukten. Dabei verändert sich auch die Erwartungshaltung an Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik grundlegend. Sie sollen nicht nur wirksam und sicher sein, sondern auch nachhaltig, transparent und ethisch vertretbar.
Gesundheit mit Haltung
Wer heute zwischen 15 und 30 Jahre alt ist, wächst in einer Zeit auf, in der Umweltkrisen, soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Unsicherheit zum Alltag gehören. In dieser Realität entwickelt sich ein neues Gesundheitsbewusstsein, das weit über das Persönliche hinausgeht. Viele Angehörige der Gen Z stellen sich Fragen, die früher kaum eine Rolle spielten: Wie wurde mein Präparat produziert? Woher kommen die Rohstoffe und wie fair ist die Lieferkette? Ist die Verpackung recycelbar oder aus nachhaltigen Rohstoffen? Belastet das Arzneimittel die Umwelt? Ist das Nahrungsergänzungsmittel vegan? Wie entsorge ich abgelaufene Arzneimittel fachgerecht? Fragen wie diese werden zunehmend nicht nur gestellt, sondern sind auch entscheidend für den Kauf und für das Vertrauen in Apotheken und Hersteller.
Verpackung als Botschaft

Als Generation, die mit dem Klimawandel aufgewachsen ist, ist für sie Nachhaltigkeit keine Option, sondern Pflicht. Ein zentrales Thema im Nachhaltigkeitsdiskurs ist die Verpackung. Während Wirkstoffe, Inhaltsstoffe und Darreichungsformen traditionell im Vordergrund stehen, entwickelt sich die Hülle zunehmend zum Imagefaktor: Glas statt Plastik, recyclingfähige Monomaterialien, kartonbasierte Faltschachteln oder biologisch abbaubare Blister aus Zellulose, Stärke oder Zuckerrohr. Auch sogenannte Refill-Systeme oder plastikfreie Nachfülllösungen beispielsweise für Kosmetika werden zunehmend nachgefragt. Einige umweltbewusste Kund:innen bevorzugen Pulver mit Dosierlöffel anstatt fertig portionierten Säckchen. Apotheken, die solche Alternativen führen und verständlich erklären, können sich als kompetente und bewusste Anbieter profilieren.
Nachhaltige Gesundheitsprodukte
Vegane Inhaltsstoffe & Kapseln
- Keine Gelatine, keine tierischen Zusätze
- Pflanzliche Alternativen wie Cellulose oder Algen
Umweltfreundliche Verpackung
- Glas, Papier oder recyclingfähige Monomaterialien
- Kein überflüssiger Kunststoff
- Refill- oder Nachfüllsysteme bevorzugt
Faire & transparente Herkunft
- Bio-Anbau, faire Handelswege
- Herkunft der Rohstoffe nachvollziehbar
- Keine versteckten Zusatzstoffe oder Mikroplastik
Ökologische Arzneimittelentsorgung
- Medikamente nie in Toilette oder Müll werfen
- Rückgabe in der Apotheke oder über Sammelstellen
Digitale Nachvollziehbarkeit
- Digitale Infos zu Produktion, Klimabilanz und Ethik
Vegan, biologisch, klimafreundlich – NEM unter der Lupe

Im Segment der Nahrungsergänzungsmittel oder Supplements, wie die Gen Z zu sagen pflegt, sind junge Menschen besonders kritisch. Viele aus dieser Altersgruppe nutzen regelmäßig Vitamine, Mineralstoffe oder pflanzliche NEM, jedoch mit klaren ethischen Anforderungen. Vegane Kapselhüllen, tierversuchsfreie Entwicklung, biologisch angebaute Rohstoffe, kein Mikroplastik, keine künstlichen Aromen und Transparenz bei der Herkunft werden zunehmend zur Standarderwartung.
Besonders kritisch werden Produkte beurteilt, die aus tierischen Quellen stammen. So wird beispielsweise Omega-3 aus Algenöl immer öfter dem aus Fischöl gewonnenen Präparat vorgezogen. Auch beim Vitamin D, das aus Lanolin aus der Wolle von Schafen gewonnen wird, steigt die Nachfrage nach der veganen Alternative aus Flechten. Ebenso gibt es immer mehr Anfragen nach „veganem Kollagen“, das durch Aminosäuren die körpereigene Kollagenproduktion unterstützen und anregen soll. Auch Glucosamin und Chondroitin aus Schalentieren hindert manche Kund:innen am Kauf. Die Hersteller sind sich dieses Wandels bewusst und haben vor allem bei der Kapselhülle, die früher häufig aus Gelatine gefertigt wurde, auf HPMC (Hydroxypropylmethylcellulose)-Kapseln gewechselt. Auch die CO₂-Bilanz eines Produkts, von der Gewinnung der Rohstoffe über die Verarbeitung bis hin zur Logistik, wird zunehmend zum Kriterium bei der Auswahl. Hersteller, die offen kommunizieren, wie sie Emissionen vermeiden oder kompensieren, stoßen auf Interesse.
Umweltfreundlichere Arzneimittel dringend nötig
Ein Bereich, der bisher noch wenig beleuchtet ist, aber an Relevanz gewinnt, betrifft den ökologischen Fußabdruck von Arzneimitteln. Während die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikaments unbestritten an erster Stelle stehen, wächst das Bewusstsein für die Folgen einer unsachgemäßen Entsorgung: Rückstände von Arzneimitteln belasten weltweit Flüsse, Böden und Tierwelt, oft mit gravierenden Folgen für Ökosysteme und Biodiversität. Studien zeigen, dass Spurenstoffe aus Medikamenten Fortpflanzung, Verhalten und Gesundheit von Wildtieren stören können.1 Besonders problematisch: Antibiotika in der Umwelt fördern Resistenzen. Expert:innen fordern daher bessere Aufklärung zur Entsorgung, nachhaltige Verschreibungspraktiken, verbesserte Klärtechnik und umweltfreundlichere Wirkstoffe. Das molekulare Design muss künftig ökologische Abbaubarkeit mitdenken. Arzneimittel und deren Begleitstoffe, etwa Zusatz- und Hilfsstoffe, sollten künftig nicht nur in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit entwickelt werden. Ebenso wichtig ist, dass sie nach ihrer Ausscheidung durch den Körper in der Umwelt rasch und vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut werden.

Die Gen Z reagiert sensibel auf solche Themen und ist offen für Wissen. Hier kommt den Apotheker:innen eine wichtige Rolle zu: die Aufklärung über richtige Entsorgung bzw. über Rückgabemöglichkeiten. Damit kann man in der Apotheke nicht nur pharmazeutische Kompetenz, sondern auch ein ethisches Engagement zeigen, das Vertrauen schafft.
Nachhaltige Beratung beginnt digital
Die Gen Z ist online zu Hause. Sie recherchiert, vergleicht und bewertet, oft noch bevor ein Kauf stattfindet. Auch die KI spielt eine immer größer werdende Rolle und Kund:innen lassen sich teilweise vor dem Gang in die Apotheke online von ChatGPT oder anderer KI-Software beraten. Teilweise wird die künstliche Intelligenz auch bei einer Kaufentscheidung zurate gezogen und das Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetikum oder der Sonnenschutz kurzerhand an der Tara für die KI fotografiert.
Wer nachhaltig beraten will, sollte auch digital präsent sein und sich modernen Technologien nicht verschließen. Informationen über ökologische Produktlinien, nachhaltige Verpackungen oder klimaneutrale Herstellungsverfahren können via Social Media, Website oder im Gespräch an der Tara schnell und effektiv vermittelt werden. Hier sollte auf einfach verständliche Inhalte, klare Sprache und echte Einblicke in die Herstellung Wert gelegt werden, denn das ist es, was bei der jungen Generation ankommt. Die Apotheke wird so nicht nur als Ort der Gesundheit, sondern als glaubwürdige Instanz für nachhaltiges Handeln erlebt.
Die Zukunft ist umweltbewusst und kritisch
Nachhaltige Gesundheitsprodukte sind für die Generation Z kein Trend, sondern Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses, gesund zu leben, ohne dabei der Umwelt oder anderen Lebewesen zu schaden. Für Apotheken und Gesundheitsanbieter bedeutet das: Produkte müssen mehr leisten, als nur zu wirken. Sie müssen nachhaltig gedacht, ehrlich kommuniziert und ganzheitlich verstanden werden. Die Gen Z entscheidet bewusst und ist bereit, für Marken, die ihre Werte teilen, mehr zu zahlen. Gleichzeitig erwartet sie eine transparente Beratung, ein nachhaltiges Sortiment und ein moralisches Verantwortungsbewusstsein. Die Apotheke der Zukunft informiert nicht nur über Wirkstoffe, sondern auch über Herstellungsprozesse, Entsorgungswege und ethische Aspekte. Wer sich dieser Entwicklung öffnet und glaubwürdig agiert, wird das Vertrauen der Gen Z gewinnen können.
Quelle
Brodin T, et al.: The urgent need for designing greener drugs. Nat Sustain 2024; 7: 949–951