
Jährlich erleiden tausende Menschen allergische Reaktionen, vor allem durch Stiche von Honigbienen und Faltenwespen. Aber auch Hornissen oder Hummeln können ernstzunehmende örtliche oder systemische allergische Reaktionen auslösen. Im schlimmsten Fall kann eine anaphylaktische Reaktion tödlich enden. In einer Auswertung der Todesursachenstatistik wurde gezeigt, dass in Österreich in den letzten zehn Jahren 55 Personen nach Stichen von Insekten verstarben, die Dunkelziffer wird weit höher vermutet. In den Jahren 2022 und 2023 starben jährlich sogar jeweils neun Personen infolge einer allergischen Reaktion. Zusätzlich mussten pro Jahr rund 1.200 Personen eine stationäre Behandlung aufgrund allergischer Insektenstiche in Anspruch nehmen.1 Vor allem Personen, die häufig mit dem Allergen in Kontakt kommen, wie beispielsweise Imker:innen, sind stark gefährdet, eine Insektengiftallergie zu entwickeln.
Wenn der Körper überreagiert
Während die Proteine im Insektengift bei Nicht-Allergiker:innen lediglich eine lokale Schwellung auslösen, regiert der Körper von Allergiker:innen mit überschießender Abwehr auf das Gift. Eine allergische Reaktion kann in unterschiedlichen Stärken und Intensitäten auftreten. Da anaphylaktische Reaktionen auf jeder Stufe der Symptomatik spontan abklingen oder aber auch im anaphylaktischen Schock gipfeln können, ist es schwer, die Situation richtig einzuschätzen. Meist machen sich die ersten Symptome wenige Sekunden bis Minuten nach dem Stich bemerkbar. Zu Beginn kommt es – vermittelt durch IgE-Antikörper der gestochenen Person, die sich gegen das Gift richten – zu Schwellung der Einstichstelle, Juckreiz, Flush, Urtikaria, Herzrasen, Schwindel, Augenreizung, aber auch zu Schwächegefühl, gastrointestinalen Beschwerden bis hin zu starken Atemproblemen und Übelkeit.
Verhalten im Notfall
- Notruf 144 wählen
- Eventuell in der Haut verbliebenen Stachel entfernen
- Fragen, ob die betroffene Person ein Notfallset mit sich führt: Dies enthält in der Regel ein H1-Antihistaminikum (z. B. Levocetirizin), ein Cortison sowie einen Adrenalin-Autoinjektor. Auch ein bronchienerweiternder Spray mit einem β2-Sympathomimetikum kann enthalten sein.
- Versuchen die Person zu beruhigen und ihr dabei helfen, langsam und tief zu atmen
Insektenstiche im Mund- und Rachenraum: Akute Gefahr für alle
Ein Insektenstich im Mund- oder Rachenraum kann selbst für Nicht-Allergiker:innen gefährlich werden, da die Schleimhäute anschwellen und die Atemwege blockieren können. Diese Situation erfordert schnelles Handeln. Wenn ein Stich in diesem Bereich erfolgt, sollte die betroffene Person sofort Eis lutschen oder kalte Getränke zu sich nehmen, um die Schwellung zu mindern. Auch das Kühlen des Halses von außen kann helfen, die Schwellung so gering wie möglich zu halten. Ruhe bewahren ist essenziell, doch auch zügig ärztliche Hilfe zu rufen, ist unerlässlich – insbesondere bei Atemnot oder starkem Anschwellen. Um ein derartiges unangenehmes Sticherlebnis zu vermeiden, empfiehlt es sich, beim Essen und Trinken im Freien Getränke abzudecken, auf offene Flaschen oder Dosen zu verzichten und Speisen vor jedem Bissen zu kontrollieren.
Prävention vor Insektenstichen
- Fenster mit Fliegengitter ausstatten
- Geschlossene Schuhe tragen
- Haut bevorzugt durch helle Kleidung bedecken
- Auf Parfüm verzichten
- Ruhe bewahren und hektische Bewegungen vermeiden
- Süßspeisen, Fleisch und Obst nicht im Freien verzehren
- Nicht in der Nähe von Mülleimern oder Fallobst aufhalten
- Nester nicht selbst entfernen → Feuerwehr, Imker:in oder
Fachpersonal zu Hilfe holen - Anti-Insekten-Hautspray nutzen

Allergieaustestung: Wann sinnvoll?
Eine allergologische Diagnostik ist dann erforderlich, wenn man mit einer systemischen allergischen Reaktion auf einen Insektenstich reagiert hat. Diese wird von Fachärzt:innen für HNO, Lunge, Haut oder Allergologie durchgeführt. Wichtig: Eine Allergietestung sollte nur bei tatsächlich aufgetretener allergischer Sofortreaktion durchgeführt werden. Aufgrund der hohen Sensibilisierungsrate in der Bevölkerung kann ein positives Testergebnis ohne vorherige Reaktion zu unnötiger Verunsicherung führen.3
Die Diagnostik erfolgt zu zwei Zeitpunkten: in der ersten Woche nach dem Stich sowie vier bis sechs Wochen danach. Bei beiden Terminen werden Bluttests (IgE-Antikörper) und Hauttests (Prick-Tests) durchgeführt, um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten.5
Prick-Test
Wespen- und/oder Bienengiftlösungen sowie Positiv- und Negativkontrollen werden auf den Unterarm getropft und mit einer feinen Nadel in die oberste Hautschicht gestochen. Je nach Reaktion der Haut auf die Allergene wird eine Insektengiftallergie festgestellt. Konnte im Pricktest keine Allergie nachgewiesen werden, wird ein Intradermaltest durchgeführt. Bei einer starken Allergie kann es erforderlich sein, die Diagnostik in einem Krankenhaus durchzuführen, wo vorsorglich ein intravenöser Zugang gelegt wird, um im Bedarfsfall sofort reagieren zu können.
Bluttest auf IgE
Bei Verdacht auf eine Insektengiftallergie wird das Blut auf zwei Arten untersucht. Zuerst wird auf allergiespezifische IgE-Antikörper gegen das Gesamtgift von Bienen und Wespen getestet. Wird trotz vorangegangener allergischer Reaktion auf einen Stich keine Sensibilisierung gefunden oder ist nicht klar, ob eine Kreuzallergie zwischen Wespen und Bienen vorliegt, werden IgE-Antikörper gegen Einzelallergene bestimmt, um festzustellen, gegen welche Bestandteile eine Allergie besteht (Biene: Api m1, m2, m3, m5, m10. Wespe: Ves v1, v5). Ein erhöhter basaler Tryptasewert im Blut oder eine Mastozytose (viele oder veränderte Mastzellen in Haut, Knochenmark oder anderen Organen) können mit einem erhöhten Risiko für besonders schwere allergische Reaktionen nach Insektenstichen einhergehen.
Hyposensibilisierung: Der Schlüssel zur langfristigen Sicherheit
Bei der Hyposensibilisierung wird eine kleine Menge des (in diesem Fall) Insektengiftes subkutan – meist an der Rückseite des Oberarmes – unter die Haut gespritzt, um das Immunsystem schrittweise an den Allergieauslöser zu gewöhnen. Durch Spritzen des Allergens kommt es im Körper zur Aktivierung bestimmter Bestandteile des Immunsystems wie spezifischen Antikörpern, Botenstoffen und Zellen. Dadurch wir die Entzündungsreaktion im Gewebe abgeschwächt und die Immunreaktion unterdrückt.
Die Hyposensibilisierungstherapie zeigt bei Insektengiftallergien hervorragende Erfolgsraten von 90–95 %. Der Erfolg der Behandlung hängt maßgeblich davon ab, ob das auslösende Insekt korrekt identifiziert und folglich das entsprechende Insektengift für die Hyposensibilisierung ausgewählt wurde. Zusätzlich spielen Faktoren wie die Verabreichungsart, das Alter des/der Patient:in, die Erkrankungsdauer und besonders die Therapietreue eine wichtige Rolle für den Behandlungserfolg.

Desensibilisierung im Schnellverfahren
In der Aufdosierungsphase wird die Menge des Allergens von Behandlung zu Behandlung gesteigert, bis die gewünschte Erhaltungsdosis erreicht ist. Dies kann entweder mit einem einwöchigen stationären Aufenthalt im Zuge einer sogenannten Rush-Hyposensibilisierung erfolgen oder ambulant als konventionelle SIT (spezifische Immuntherapie) durchgeführt werden, was längere Zeit bis zur Erhaltungsdosis in Anspruch nimmt, jedoch mit geringerem Nebenwirkungsrisiko verbunden ist. Die Erhaltungsphase dauert in der Regel drei bis fünf Jahre. Bei Insektengiftallergie besteht jedoch meist schon nach zwei Monaten ein gewisser Schutz. Patient:innen mit einer Mastozytose müssen die SIT teilweise ein Leben lang fortführen, da die Insektenstichanaphylaxie oft besonders schwer verläuft.4
Erhaltungsphase: Verabreichung im Krankenhaus
In der Erhaltungsphase wird in monatlichen Abständen die Höchstdosis des Allergens verabreicht, was bei Insekten dem Gift mehrerer Tiere entspricht. Nach jeder Verabreichung des Allergens muss der/die Patient:in noch für 20 bis 30 Minuten zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, wo ggf. eine Notfalltherapie möglich ist. Lokal kann eine Schwellung, Rötung oder Juckreiz auftreten, die mit cortisonhaltigen Cremes als kühlender, feuchter Umschlag behandelt werden können. Auch Müdigkeit kann auftreten. Sehr selten kann es zu einem Nesselausschlag, Kreislaufproblemen oder einer anaphylaktischen Reaktion kommen.2 Eine Stunde vor Gabe des Allergens sollte der/die Patient:in ein Antihistaminikum einnehmen, um diese möglichen allergischen Reaktionen abzuschwächen.
Leitlinienempfehlungen
Empfohlen wird die SIT laut Leitlinien für fast alle Erwachsenen, die nach einem Wespen- oder Bienenstich systemische Reaktionen vom Soforttyp erlitten haben, unabhängig vondessen Schweregrad. Vorab muss eine IgE-Typ-1-Allergie mittels Prick- und Bluttest nachgewiesen werden. Grundsätzlich wird die Therapie ab einem Alter von fünf Jahren durchgeführt. Bei Kindern ist die Indikation jedoch strenger als bei Erwachsenen handzuhaben.
Quellen
- www.kfv.at
- www.medunigraz.at/news/detail/wie-wirksam-ist-die-immuntherapie-bei-einer-allergie
- S2k-Leitlinie: Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie (2023), AWMF Reg.Nr. 061/020
- Ruëff F, et al.: Mastocytosis and hymenoptera venom allergy. Curr Opin Allergy Clin Immunol 2006; 6: 284–8
- Goldberg A, et al.: Timing of venom skin tests and IgE determinations after insect sting anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 1997; 100: 182–4