
ÖAZ Herr Kneissl, Sie sind seit 2024 im Vorstand von Apotheker ohne Grenzen (AoG) Österreich. Was hat Sie zu diesem ehrenamtlichen Engagement bewogen?
Helmut Kneissl Ich habe in meinem Berufsleben immer mit Finanzen zu tun gehabt und wollte diese Erfahrung sinnvoll einsetzen. Schon während meiner Tätigkeit in der Österreichischen Ärzte- und Apothekerbank hatte ich bei gemeinsamen Spendenaktionen Berührungspunkte mit AoG und war beeindruckt von der Arbeit, die dort geleistet wird. Der Ukraine-Konflikt gab dem Verein enormen Auftrieb. Viele Menschen sind hier mit Herzblut dabei – das hat mich überzeugt, in meinem Ruhestand bei den AoG mitzuwirken.
ÖAZ Als Kassier haben Sie besonderen Einblick in die Finanzen. Wie ist der Verein heute aufgestellt?
Kneissl AoG ist finanziell gut aufgestellt. So tragisch der Ukraine-Konflikt war und ist – die Spendenbereitschaft der österreichischen Apotheker:innen war überwältigend. Das ist etwas, was man in Österreich bei Katastrophen immer wieder beobachtet, bei den Apotheker:innen aber besonders ausgeprägt ist. Allerdings hat die Spendenbereitschaft für die Ukraine im Laufe der Jahre deutlich nachgelassen. Dies ist neben unseren neuen Projekten einer der Gründe, warum wir jetzt gezielt an Apotheken und pharmazeutische Betriebe herantreten möchten, um sie als dauerhafte Partner zu gewinnen. Um unsere Arbeit nachhaltig durchführen zu können, brauchen wir ein stabiles Grundgerüst.
ÖAZ Wo sind die Apotheker ohne Grenzen aktuell im Einsatz?
Kneissl Die Ukraine-Hilfe läuft nach wie vor, dort versorgen wir Krankenhäuser mit dringend benötigten Arzneimitteln. In Indien unterstützen wir eine Gesundheitsstation im Bundesstaat Bihar: Wir finanzieren die Arzneimittelversorgung der Ambulanz sowie das Warenlager der Apotheke seit mittlerweile fast zwei Jahren, die NGO SONNE-International stellt den übrigen Betrieb der Gesundheitsstation sicher. Unser Ziel ist es, unsere Arbeit dort zu intensivieren und damit den langfristigen Bestand dieser im Umkreis von 100 km einzigen medizinischen Anlaufstation zu ermöglichen. Aktuell starten wir zudem ein weiteres Projekt in Nigeria. Eine Waldviertler Initiative rund um Dr. Günther Schwaiger errichtet dort ein Krankenhaus in einem Gebiet, wo Menschen keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Unser Ziel ist es, die dortige Apotheke zu betreiben. Zwei AoG-Kolleginnen mit langjähriger Krankenhauserfahrung sind derzeit eng in die Planung und den Bau der Krankenhausapotheke eingebunden und schaffen mit ihrem Know-how die rechtliche und logistische Grundlage für den Betrieb. Die Inbetriebnahme des Krankenhauses ist für 2026 vorgesehen.
ÖAZ Wie funktioniert die Unterstützung konkret?
Kneissl Das ist projektabhängig. Für die Ukraine kaufen wir Medikamente in Österreich und organisieren den Transport. In Afrika stellen wir Geld zur Verfügung – lokale Beschaffung ist dort sinnvoller. Mindestens genauso wichtig ist aber unser Know-how: Wir schulen Personal vor Ort und bilden pharmazeutische Fachkräfte aus, die dann eigenständig arbeiten können.
ÖAZ Im Herbst 2025 starten Sie eine große Partnerschaftsaktion. Was ist das Konzept?
Kneissl AoG Österreich hat seit seiner Gründung 2017 viele Projekte erfolgreich umgesetzt, unser Bekanntheitsgrad steigt kontinuierlich und die Hilfsanfragen werden täglich mehr. Neben Nothilfeeinsätzen liegt unser Hauptaugenmerk auf mittel- und langfristiger Entwicklungszusammenarbeit. Hilfe zur Selbsthilfe wird noch wertvoller, wenn sie so lange bleibt wie notwendig. Dafür wollen wir in einem ersten Schritt unsere Berufskolleg:innen der österreichischen Apotheken als dauerhafte Partner gewinnen. Wir haben zu diesem Zweck verschiedene Unterstützungspakete geschnürt, die wir im Herbst vorstellen möchten. Als Gegenleistung können Apotheken mit ihrer Partnerschaft werben, bekommen Unterstützung beim Social-Media-Auftritt und je nach Paketgröße noch einiges mehr. So wird das soziale Engagement der Apotheke bei den Kund:innen sichtbar. Und alle Spenden sind selbstverständlich steuerlich absetzbar.
ÖAZ Was kann bereits mit kleinen monatlichen Spenden bewirkt werden?
Kneissl Schon 50 Euro können der Stein sein, der ein ganzes Projekt ins Rollen bringt! Das Nigeria-Projekt ist das beste Beispiel: Eine Einzelperson hatte eine Idee – und daraus wird jetzt ein Krankenhaus für ein ganzes Einzugsgebiet. Wir sind ein kleiner Verein, wir werden nicht die Arzneimittelprobleme der ganzen Welt lösen können, aber wir können punktuell wirklich Großes leisten. Wir arbeiten nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern konzentrieren uns auf wenige Projekte und bauen dort etwas Solides auf. Dafür brauchen wir wirklich jeden Euro.
ÖAZ Wie wird die Kontaktaufnahme mit den Apotheken ablaufen?
Kneissl Der erste Schritt wird eine Mailingaktion sein, dann folgen Telefonate und – wo es die Ressourcen erlauben – auch persönliche Besuche nach Terminvereinbarung. Außerdem sind wir beim APOkongress präsent und wollen künftig bei noch mehr Veranstaltungen der Apothekerschaft dabei sein.
ÖAZ Wie können Partnerapotheken nachvollziehen, was mit ihrem Geld passiert?
Kneissl Jede Partnerapotheke erhält auf Wunsch vollständigen Einblick in unsere Bücher. Wir erstellen Jahresberichte und können Bildmaterial von unseren Projekten zur Verfügung stellen. Diese Transparenz ist uns wichtig – wir wissen um die Verantwortung im Umgang mit Spendengeldern.
ÖAZ Können sich Apotheker:innen auch aktiv einbringen?
Kneissl Natürlich! AoG bildet Apotheker:innen für den Einsatz in Krisengebieten aus. Aber auch in Österreich gibt es Möglichkeiten: Eine Gruppe von Apotheker:innen hat voriges Jahr in Graz einen Punschstand betrieben, der gesamte Erlös floss in unseren Spendentopf. Das war ein beachtlicher Hebel! Die Unterstützungsmöglichkeiten sind vielfältig: Von Schulungsteilnahmen über Werbung in der eigenen Apotheke bis zu gemeinsamen Aktionen – jede Unterstützung zählt.
ÖAZ Wie groß ist der Verein derzeit?
Kneissl Wir haben 160 Mitglieder und fast 500 Apotheken haben uns bereits unterstützt. Das zeigt: Man kennt uns in der Apothekerschaft. Wir sind auch gut vernetzt – mit AoG Deutschland, mit der Caritas, die uns bei Lager und Transporten unterstützt, und natürlich mit dem Apothekerhaus.
ÖAZ Wo sehen Sie AoG in fünf Jahren?
Kneissl Mit einer stabilen Basis an Partnerapotheken, die uns kontinuierlich unterstützen. So können wir bestehende Projekte weiterführen und neue aufbauen. Bei manchen Projekten, wie in Nigeria, ist das Ziel, dass sie sich irgendwann selbst erhalten.
ÖAZ Was möchten Sie den Apotheken abschließend mitgeben?
Kneissl Bitte unterstützen Sie uns bei dieser wichtigen Sache! Wir bieten volle Transparenz und absolute Flexibilität – die Partnerschaft ist jederzeit kündbar, es gibt keine versteckten Verpflichtungen. Es geht darum, gemeinsam etwas zu bewegen. Jeder Beitrag zählt.
ÖAZ Wir danken für das Gespräch!
Interessierte Apotheken können sich direkt bei AoG Österreich melden: E-Mail: info@apothekerohnegrenzen.at
Tel.: 0664 25 49 742