Abschiedsinterview

„Es sind die Menschen, die mir in Erinnerung bleiben“

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Helmut Kneissl hat  mit Ende Juni seinen Ruhestand angetreten, wird aber nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. © Thomas Karolyi
© Thomas Karolyi

ÖAZ "28 Jahre sind eine lange Zeit. Was waren rückblickend die größten Projekte, die Sie begleitet haben?"

Direktor Helmut Kneissl "Wenn man so  lang dabei ist wie ich, dann zählen Dinge wie die Umstellung von Schilling auf Euro Anfang der 2000er-Jahre zu den größten Projekten. Ein weiterer großer Meilenstein war sicher die Fusion der Apothekerbank mit der damaligen Ärztebank im Jahr 2017. Wir haben damals zwei Unternehmen mit zwar ähnlichen Philosophien, aber doch sehr unterschiedlichen Strukturen zu einer gemeinsamen Bank gemacht – eben zur heutigen Österreichischen Ärzte- und Apothekerbank. Das hat uns tatsächlich länger beschäftigt, als wir ursprünglich gedacht haben. Eines muss ich aber sagen: Wir sind im Bankensektor immer getrieben von Zahlen, Daten und Fakten. Wenn ich jedoch heute zurückblicke, dann sind es die Menschen, die mir in Erinnerung bleiben und weniger die großen Projekte."

ÖAZ "Welche Menschen waren wichtige Wegbegleiter für Sie?"

Kneissl "Innerhalb der Bank waren das mein langjähriger Vorstandskollege Othmar Schmid und natürlich mein ­jetziger Vorstandskollege Mag. Anton Pauschenwein, mit dem es wirklich eine Freude war zusammenzuarbeiten. Und eines muss gesagt werden, auch wenn es ein bisschen pathetisch klingt: Das zukünftige Vorstandsteam macht es mir leicht, nun guten Gewissens meine Pension anzutreten. Die Bank ist heute in einem guten Fahrwasser und ich kann mir sicher sein, dass sie in guten Händen bleibt."

ÖAZ "Wie erfolgt die Übergabe an Ihren Nachfolger Martin Uidl, MSc?"

Kneissl "Formal gibt es einen großen Schnitt mit Anfang Juli, also ich scheide mit 30. Juni aus und Martin Uidl, der bereits seit 2006 bei uns im Haus tätig ist, rückt mit 1. Juli in den Vorstand. Ich war – mit einer Ausnahme von zwei ­Jahren – immer für die Marktfolge zuständig. Marktfolge bedeutet Finanzen und Risiko. Also einerseits die Bilanz der Bank im Auge zu behalten und andererseits bei Kreditvergaben etc. auf das Risiko der Bank zu schauen. Diese Agenden werden nun an meinen Vorstandskollegen Pauschenwein übergehen. Martin Uidl wird wiederum die Vertriebsagenden vom Kollegen ­Pauschenwein übernehmen. Wir sind heute eine schlagkräftige Standesbank und ich bin überzeugt, dass dieses „Standesbank-Dasein“ mit dem neuen Vorstand ­weiterleben wird."

ÖAZ "Was macht eine Standesbank aus?"

Kneissl "Standesbank bedeutet für uns zweierlei. Wir stehen einerseits zu zwei Dritteln im Eigentum von Apotheker:innen und Ärzt:innen und den Standeseinrichtungen, also den Kammern und den Verbänden. Und andererseits sind wir für den Berufsstand da. Das bedeutet, wir betreuen ausschließlich Apo­theker:innen, Ärzt:innen und Zahnärzt:innen. Das „ausschließlich“ ist unter Anführungszeichen: Es gibt schon auch einige andere Kund:innen, aber neue Kund:innen suchen wir nur in diesen drei Berufsgruppen."

ÖAZ "Welchen Mehrwert kann die Apothekerbank diesen Berufsgruppen bieten?"

Kneissl "Prinzipiell schafft es natürlich auch jede andere Bank, die genannten Berufsgruppen zu betreuen. Allerdings schreiben wir es schon auf unsere ­Fahnen, dass wir ein ganz spezielles Branchen-Know-how haben. Die Apothekerbank wurde 1910 gegründet und über die Jahre haben wir uns als Bank ein sehr spezielles Branchenwissen aufgebaut. Wir verstehen, wie eine Apotheke funktioniert, und wir wissen auch in Zeiten, in denen es mal nicht so gut läuft, wie wir optimal unterstützen können. Konkret bedeutet dies, dass wir Lösungsansätze haben, wenn bei spielsweise aufgrund von Winterbevorratung Liquiditätsengpässe auftauchen. Oder auch wenn plötzlich Dinge nicht so laufen, wie sie bei der Gründung prognostiziert wurden. Da haben wir einen längeren Atem als andere Banken. Wir sind auch sehr gut vernetzt, z. B. mit den Steuerberater:innen der Apotheken, den Großhändlern und den Standesinstitutionen. Und wir verstehen es, diese Partner auch mit ins Boot zu holen. Wir haben bereits heute einen sehr hohen Marktanteil von deutlich über 50 %, das heißt, mehr als die Hälfte der österreichischen Apotheken wickeln ihre Finanzierung bzw. ihre Finanzgeschäfte über uns ab."

ÖAZ "Was waren in den vergangenen Jahren Ihre größten Herausforderungen?"

Kneissl "Eine riesige Herausforderung war sicher die Pandemie. Vor allem zu Beginn, als niemand so genau wusste, wie es weitergehen wird. Aber wir haben diese Situation gut gemeistert. Wir bewegen uns zum Glück in einer Branche, die sich sehr positiv entwickelt hat und dies auch in Zukunft tun wird. Wenngleich die Apothekerschaft natürlich schon vor gewissen Herausforderungen steht, sei es der Kostendruck, die steigenden Personalkosten oder die sinkenden Spannen oder Lieferengpässe. All das sind Themen, die die Apothekerschaft begleiten und bei denen wir natürlich auch versuchen zu unterstützen."

ÖAZ "Sie blicken aus ökonomischer Sicht also positiv in die Zukunft der österreichischen Apotheken?"

Kneissl "Natürlich gibt es große Herausforderungen im Gesundheitswesen, die Situation wird schwieriger werden. Manche Apotheker:innen hängen zwar an den guten alten Zeiten, aber ich bin mir nicht sicher, ob die wirklich immer so gut waren. Keine Frage – die Spannen waren früher besser und die Konkurrenz nicht so groß. Aber die Apothekerschaft hat in der Vergangenheit bereits sehr viel Aufgaben gemeistert – ich bin überzeugt, dass sie auch in Zukunft an ihren Herausforderungen wachsen wird."

ÖAZ "Wie sind Ihre Pläne für die Pension?"

Kneissl "Ich möchte viel Zeit mit meiner Familie und meinen bald fünf Enkelkindern verbringen. Als Großeltern hat man den Riesenvorteil, dass man in der Zeit, die man mit einem Enkelkind verbringt, die ganze Aufmerksamkeit dem Kind schenken kann. Das ist eine vollkommen andere Qualität als bei den eigenen Kindern – nicht besser oder schlechter – nur anders. Allerdings will ich mich in meiner Pension auch noch anderen Dingen widmen. Ich plane, mich ehrenamtlich im Vorstand der „Apotheker ohne Grenzen“ zu engagieren, und werde dort für die Finanzen zuständig sein. Damit bleibe ich dem Apothekerhaus treu und tue etwas Gutes und Sinnvolles. Ich habe in ­meinem Leben immer sehr viel Glück gehabt, mir ist es immer gut gegangen. Dementsprechend freue ich mich, wenn ich auf diese Weise etwas zurückgeben kann und einen Beitrag leisten kann."

ÖAZ "Was möchten Sie den Apotheker:innen abschließend mitgeben?"

Kneissl "Die Ärzte- und Apothekerschaft hat mit dieser Standesbank wirklich eine Perle. Abgesehen von den Notar:innen gibt es in Österreich keine andere Berufsgruppe, die eine so sehr auf die Branche spezialisierte Bank hat. Das ist wirklich eine große Chance und die österreichischen Apotheker:innen sollten dieses Angebot wertschätzen und auch in Zukunft nützen."

ÖAZ "Vielen Dank für das Gespräch."

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