Die Steroid-5α-Reduktase katalysiert in vielen Erfolgsorganen die Umwandlung von Testosteron zum wesentlich potenteren 5α-Dihydrotestosteron (DHT) – etwa in der Prostata, den Haarfollikeln oder den äußeren Genitalien.¹ Inhibitoren der 5α-Reduktase (5-ARI) wie Finasterid und Dutasterid werden seit rund 30 Jahren als Antiandrogene verwendet.² Bis man ihr Potenzial nutzen konnte, war es ein langer Weg. Schon 1947 erkannte James Hamilton von der Yale University, dass männlicher Haarausfall bei kastrierten Männern nicht vorkommt, aber durch Testosteron experimentell induziert werden kann. Er schloss auf eine endokrine Ursache.
1974 veröffentlichte die Endokrinologin Julianne Imperato-McGinley eine bahnbrechende Untersuchung über eine dominikanische Population mit einem genetischen Defekt der 5α-Reduktase. Diese intergeschlechtlichen Menschen entwickelten erst mit zunehmender Testosteronproduktion in der Pubertät ihre männlichen Geschlechtsmerkmale und hatten lebenslang als Resultat des Enzymdefekts eine verkleinerte Prostata, jedoch keinen androgenetischen Haarausfall.³ Inspiriert durch diese Erkenntnisse zur Bedeutung des Enzyms entwickelte Merck in den Folgejahren das 4-Azasteroid Finasterid, den ersten synthetischen 5α-Reduktaseinhibitor. Seit 1992 ist der Wirkstoff auch in Österreich im Handel.²
Wirkmechanismus
Finasterid ist ein kompetitiver Inhibitor der 5α-Reduktase mit höherer Affinität zum Isoenzym Typ II, welches in der Prostata und in der Haarpapille dominiert (mehr als 100-fache Selektivität gegenüber Typ I).¹,⁴ Die 5α-Reduktase katalysiert die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT), welches eine wesentlich stärkere androgene Wirkung aufweist als Testosteron selbst. DHT ist ein wichtiger Regulator des Prostatawachstums⁵ und stimuliert vor allem Epithelzellen und fibromuskuläre Zellen im Inneren der Drüse.¹ Es spielt dadurch eine maßgebliche Rolle bei der benignen Prostatahyperplasie. Bei androgenetischem Haarausfall bewirkt DHT eine Verkürzung der Wachstumsphase der Haare – die Haarfollikel verkümmern und fallen schließlich aus. Finasterid nimmt Einfluss auf die Pathophysiologie dieser Erkrankungen, da es die DHT-Spiegel in der Kopfhaut, im Serum und in der Prostata senkt.³
Indikation benigne Prostatahyperplasie
Finasterid ist indiziert zur Behandlung und Kontrolle der benignen Prostatahyperplasie bei Patienten mit vergrößerter Prostata (ab einem Prostatavolumen von 40 ml). Die Dosis beträgt bei dieser Indikation einmal täglich 5 mg Finasterid.⁴ Der DHT-Rückgang unter Finasterid beträgt im Serum rund 70 %, in der Prostata noch mehr.³ Die Testosteronspiegel hingegen bleiben gleich oder erhöhen sich leicht, was ohne klinische Auswirkungen bleibt.
Die Wirkung von Finasterid setzt zeitverzögert innerhalb mehrerer Monate ein.⁴ Nach 6–12 Monaten lässt sich eine Größenreduktion der Prostata um 18–28 % und eine Senkung des Serum-PSA-Wertes um die Hälfte nachweisen. Das verzögert das Fortschreiten des BPS und senkt das Risiko für akuten Harnverhalt und Prostata-Operationen. Eine ausreichende Wirksamkeit von Finasterid findet sich allerdings erst bei größeren Prostatavolumina, sodass die Anwendung erst ab 40 ml empfohlen wird.⁵
Hier zeigen sich wesentliche Unterschiede zu den α-Blockern wie Tamsulosin, die eine weitere häufig verwendete Arzneistoffgruppe bei BPH darstellen. Sie verbessern die Symptome der BPH zwar bereits innerhalb von Tagen bis Wochen, nehmen aber keinen Einfluss auf die Prostatagröße oder das PSA. Auch eine Kombinationstherapie aus α-Blockern und 5-ARI ist möglich: Sie kommt vor allem bei Männern mit großem Prostatavolumen und hohem Progressionsrisiko infrage, wenn primär von einer mehrjährigen Behandlung ausgegangen wird.⁵
Indikation androgenetische Alopezie
Finasterid dient zur Behandlung früher Stadien der androgenetischen Alopezie bei Männern im Alter von 18–41 Jahren. In dieser Indikation wird einmal täglich 1 mg Finasterid angewendet, höhere Dosen verbessern die Wirksamkeit nicht. Finasterid greift in den Haarphasenzyklus ein und führt zu einer begrenzten Zunahme der Gesamthaarzahl. Eine Stabilisierung des Haarausfalls ist allerdings erst nach 3–6 Monaten zu erwarten. Schönes Haar braucht eine Langzeitbehandlung: Wird die Therapie beendet, so fällt der Haarstatus nach 9–12 Monaten in den Ausgangszustand zurück.⁴ Als topische Alternative zu oralem Finasterid existiert auf dem deutschen Markt ein Finasterid-Spray. Die topische Anwendung von Finasterid soll ähnlich wirksam sein wie die orale Behandlung. Vorteile sind eine geringere systemische Exposition gegenüber dem Wirkstoff und ein schwächerer Einfluss auf das Serum-DHT.⁶
Besonderheiten
Der PSA-Wert, der eine wichtige Rolle in der Früherkennung eines Prostatakarzinoms spielt, sinkt unter Finasterid-Langzeittherapie etwa um die Hälfte ab. Dies muss bei der Interpretation des Wertes berücksichtigt werden. Finasterid besitzt keine Indikationen für Kinder, Jugendliche und Frauen. Besondere Vorsicht im Umgang mit dem Wirkstoff gilt für Schwangere und für Frauen, die schwanger werden könnten. Wichtig in der Apothekenpraxis: Der Kontakt mit zerkleinerten oder zerbrochenen Finasterid-Tabletten ist zu vermeiden, denn Finasterid kann Fehlbildungen männlicher Föten hervorrufen.⁴
Finasterid vs. Dutasterid
Dutasterid, der zweithäufigst eingesetzte 5-ARI, besitzt im Vergleich zu Finasterid eine doppelt so hohe Affinität zum Isoenzym Typ II und hemmt zusätzlich Isoenzym Typ I („dualer 5-ARI“). Weitere Unterschiede bestehen in der Halbwertszeit (5–6 Stunden bei Finasterid vs. 4–5 Wochen bei Dutasterid).³ Beide Substanzen sind jedoch vergleichbar, was ihren Einfluss auf die Symptomatik, die Prostatagröße, und die Entwicklung von akutem Harnverhalt oder Prostata-Operationen betrifft. Dies gilt ebenso für die Verträglichkeit. Die deutsche Gesellschaft für Urologie beurteilt Finasterid und Dutasterid daher als klinisch gleichwertig.⁵
Heißes Eisen: Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen betreffen den Sexualbereich, wie Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen. Ebenfalls beschrieben sind Gynäkomastie, ein vermindertes Ejakulatvolumen, Überempfindlichkeitsreaktionen und veränderte Leberenzymwerte.⁴
Das sogenannte „Post-Finasterid-Syndrom“ (oder „Post-5-ARI-Syndrom“), das nicht als eigene Krankheitsentität anerkannt ist, ist in den letzten Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen. Es beschreibt schwerwiegende UAW, die nach Kurz- oder Langzeitanwendung in jedem Dosisbereich entstehen können und auch nach dem Absetzen persistieren. Neben sexueller Dysfunktion werden neuropsychiatrische und physische Beschwerden aufgeführt (z. B. chronische Müdigkeit, Muskel-, Gelenks- und Gedächtnisprobleme, Depressionen und Ängste, Suizidalität). Die Herkunft der Beschwerden ist unklar, vermutet wird z. B. die verringerte Synthese verschiedener neuroaktiver Steroide.⁷,⁸
Um das Risiko für Suizidgedanken unter Finasterid und Dutasterid zu minimieren, hat die EMA nach einer EU-weiten Überprüfung 2025 neue Maßnahmen veranlasst. Die Packungsbeilagen aller verfügbaren Stärken von oralem Finasterid und Dutasterid informieren nun über das Risiko von Stimmungsänderungen und Suizidgedanken. Bei entsprechenden Symptomen sollte unverzüglich ärztlicher Rat eingeholt werden.⁹
Quellen
1 Geisslinger G., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. AFL 2020, WVG Stuttgart
2 BASG Arzneispezialitätenregister, abgerufen am 27.11.2025
3 Zito PM et al, Finasteride. [Updated 2024 Feb 28]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing;
2025 Jan-. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK513329/, abgerufen am 27.11.2025
4 Austria Codex Fachinformation
5 Deutsche Gesellschaft für Urologie, S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS) AWMF Reg.Nr: 043-034,
Stand Februar 2023, abgerufen am 27.11.2025
Weitere Literatur bei der Autorin