Interview

Zwischen Dosieraerosol und Hochpreistherapie

Mag. pharm.

Irene

Senn

,

PhD

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Die Lunge im Fokus: Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko und  Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour präsentieren beim APOkongress in  Salzburg und Wien aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen. © Christoph Schipp
Die Lunge im Fokus: Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko und Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour präsentieren beim APOkongress in Salzburg und Wien aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen. © Christoph Schipp

Der APOkongress widmet sich an zwei Wochenenden im November dem Schwerpunkt „Akute und chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen“.

ÖAZ Warum haben Sie sich gerade 2025 für dieses Thema entschieden?
Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Folgeerkrankungen ist es ein spannendes Themengebiet, das beleuchtet werden sollte. Bei Indikationsgebieten mit vielen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es wichtig, sich regelmäßig einen Überblick über den Stand der Dinge zu verschaffen. Denn die Kolleg:innen an der Tara können sehr viel in der Betreuung der Patient:innen beitragen – sei es bei der Inhalationstechnik, beim Nebenwirkungsmanagement oder bei der Impfberatung. 
Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour Die epidemiologische Relevanz ist in der Tat enorm. Die Lungenerkrankungen, die wir abbilden, gehören zu den häufigsten Erkrankungen in unseren Breitengraden. COPD und Asthma kommen in ihrer Prävalenz deutlich häufiger vor als beispielsweise Diabetes. Trotzdem wird Krankheitsbildern wie Diabetes oder Bluthochdruck oftmals mehr Augenmerk geschenkt. Das Lungenkarzinom ist noch immer die häufigste zum Tode führende Krebserkrankung in Österreich. Inhaltlich werden wir häufige Krankheitsbilder mit epidemiologischer und gesundheitsökonomischer Relevanz abdecken, aber auch neue Entwicklungen thematisieren.

ÖAZ Bleiben wir kurz bei COVID-19: Welche langfristigen Auswirkungen beobachten Sie bei Atemwegserkrankungen?
VALIPOUR Während der Pandemie gab es durch das Maskentragen eine artifizielle Unterdrückung aller Aerosol- und Tröpfcheninfektionen. Das führte danach zu einer passageren Immunlücke und zu einem Überschwappen der Infektionen. COVID-19 selbst schwächt zudem das Immunsystem. Bakterielle Lungenentzündungen, Keuchhusten und Mykoplasmeninfektionen haben sich in den letzten zwei bis drei Jahren teilweise um 200 bis 400 % erhöht. Die Mykoplasmeninfektionen erreichten in der Saison 2023/24 beispielsweise exorbitante Zahlen. COVID-Infektionen nehmen im Herbst traditionell wieder zu. Anfang November ist der ideale Zeitpunkt zwischen COVID-Impfempfehlung und den anstehenden Grippe- und Pneumokokken-Impfungen, bei denen es neue Entwicklungen gibt. Am APOkongress werde ich dazu selbst über impfpräventable Erkrankungen referieren.
SAIKO Das ist ein wichtiges Thema. Denn leider ist durch die berechtigten Diskussionen rund um die COVID-Impfpflicht eine gewisse Resistenz gegenüber anderen Impfungen entstanden. Eine Skepsis gegenüber etablierten Impfungen führt jedoch zu unnötigem Schaden.

ÖAZ Ein Dauerbrenner in der Apotheke ist die richtige Inhalationstechnik. 
SAIKO Genau. Das ist ein wichtiges Compliance-Thema. Vor allem dieses Luftanhalten nach einem Dosieraerosol muss man nachdrücklich erklären, sonst zeigt das Arzneimittel keine Wirkung. Herr Täubl aus Innsbruck wird uns am APOkongress auch ganz praktisch zeigen, worauf es ankommt.
VALIPOUR Die Apotheker:innen sind oftmals die erste Anlaufstelle für die Schulung zu diesen Inhalatoren, da in Hausarztpraxen aufgrund von Zeitmangel häufig keine ausreichende Einweisung erfolgt. Der Erfolg der Therapie hängt jedoch entscheidend von der Inhalationstechnik ab. Das wird massiv unterschätzt. Patient:innen sind wesentlich instabiler, wenn sie nicht richtig geschult sind, müssen häufiger ärztliche Konsultationen aufsuchen und werden auch häufiger hospitalisiert.

Die ÖAZ sprach mit den Tagungspräsidenten über die vielseitigen Programmpunkte. © Christoph Schipp
Die ÖAZ sprach mit den Tagungspräsidenten über die vielseitigen Programmpunkte. © Christoph Schipp

ÖAZ Welche anderen pulmologischen Themen sehen Sie als besonders wichtig für die Beratung in den Apotheken?
SAIKO Wir haben den Apotheker und Mediziner Herrn DDr. André Farkouh gebeten, über tabakassoziierte Atemwegserkrankungen und Nikotinersatztherapie zu berichten. Das Thema Rauchstopp und dieses Craving sind besonders wichtige Beratungsthemen. Er wird auch über das sogenannte „Vapen“ sprechen und darüber, welche Auswirkungen Elektrozigaretten auf die Gesundheit haben.

ÖAZ In der Lungenkarzinom-Therapie haben die zielgerichteten Therapien das Behandlungskonzept revolutioniert. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die tägliche Apothekenpraxis?
Valipour Die zielgerichtete Therapie gibt es seit ungefähr 15 Jahren. Sie zielt darauf ab, einzelne genetische Veränderungen in den Krebszellen gezielter anzugreifen. Bis zu 30 % der Betroffenen können davon profitieren. Gerade hier werden zunehmend auch der niedergelassene Bereich und die Apotheken in die Pflicht genommen. Gewisse Hochpreispräparate werden ambulant in der Apotheke abgegeben. Wenn es um Nebenwirkungen geht, ist es wichtig, dass man in beratender Funktion weiß, wie es zu Komplikationen kommen kann. 

ÖAZ Wie bewerten Sie Biologika bei schwerem eosinophilem Asthma?
Valipour Der zunehmende Einsatz von Biologikatherapien betrifft zwar nur 5–10 % der Asthma-Patient:innen, aber diese profitieren enorm. Die Therapie erfolgt hauptsächlich in der Selbstapplikation und wird in Apotheken ausgegeben, wodurch vermehrt Rückfragen zur korrekten Anwendung kommen. Wir haben seit diesem Jahr auch die Biologikatherapie bei COPD – eine wichtige Indikationserweiterung. Die Biologika werden definitiv weiter vorrücken. Sie sind zwar wesentlich teurer als die inhalative Therapie, zeigen aber bei schweren Verläufen eine beeindruckende Wirksamkeit, die die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert.

ÖAZ Ein spannender Vortragstitel handelt von Allergien als „stille Bedrohung“. Was steckt dahinter?
Valipour Die inhalativen Allergien haben deutlich zugenommen – durch unseren Lebenswandel, aber auch die Umweltbelastung, die dazu führt, dass einzelne Allergene immer aggressiver werden. Hier ist es wichtig, aufklärend tätig zu sein – von der supportiven Therapie über die Immuntherapie bis zur inhalativen Therapie.

ÖAZ Was erwartet die Teilnehmer:innen abseits der Fachvorträge?
Saiko Die Fachausstellung wird mit rund 90 Firmenständen wieder sehr groß sein. Eine wichtige Neuerung ist, dass der Samstag erst um 12 Uhr beginnen wird, dafür dauern die Vorträge am Sonntag bis 15 Uhr. Das kommt besonders jenen Kolleg:innen entgegen, die samstags noch Apothekendienst haben und erst mittags anreisen können. Ab 11 Uhr steht bereits das Foyer für Networking bei Kaffee und Croissants offen. Der Kongress ist zudem wieder mit 25 AFP akkreditiert. Und für alle, die einzelne Vorträge versäumen oder nacharbeiten möchten: Die Aufzeichnungen sind circa zwei Wochen danach auf der e-Learning-Plattform verfügbar – für Präsenzteilnehmer:innen kostenfrei.

ÖAZ Vielen Dank für das Gespräch!

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