"Frauen sind dreimal häufiger von Migräne betroffen als Männer. Besonders zahlreiche und heftige Attacken erleben sie rund um die Regelblutung, aber auch bei Eintritt in die Wechseljahre. Dagegen verbessern sich die Symptome in vielen Fällen während der Schwangerschaft, und auch mit Abschluss der Menopause werden die Migräneattacken seltener. Dass Hormonschwankungen mit Migräne in Zusammenhang stehen, ist also seit Langem bekannt", hieß es jetzt in einer Presseaussendung der Berliner Universitätsklinik Charite. Was aber die genaue Ursache ist, sei bisher ungeklärt geblieben.
Berliner Neurologen haben jetzt in der Fachzeitschrift "Neurology" (doi: 10.1212/WNL.0000000000207114) ihre aktuellen Forschungsarbeiten zu der offenen Frage publiziert. "Aus dem Tiermodell haben wir Hinweise, dass Schwankungen von weiblichen Hormonen - insbesondere von Östrogen - zu einer verstärkten Freisetzung des Entzündungsbotenstoffs CGRP im Gehirn führen", erklärte dazu Bianca Raffaelli vom Kopfschmerzzentrum der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charite Campus Mitte, welche die Studie geleitet hat.
CGRP steht für "Calcitonin Gene-Related Peptide" und ist eine körpereigene Substanz, die bei Migräne vermehrt ausgeschüttet wird und die Blutgefäße im Gehirn stark erweitert. Dadurch entsteht eine Entzündungsreaktion, die einer der Gründe für die starken Kopfschmerzen bei Migräne sein könnte.
Studie mit 180 Probandinnen
Es blieb nicht beim Tiermodell. Mit insgesamt 180 Frauen als Probandinnen prüfte die Forschungsgruppe, ob der Zusammenhang zwischen weiblichen Hormonen und der Ausschüttung von CGRP auch beim Menschen besteht. Dazu bestimmten die Wissenschafter bei Migränepatientinnen zweimal im Verlauf des Zyklus den CGRP-Spiegel, und zwar während der Monatsblutung und zum Zeitpunkt des Eisprungs.
Ein Vergleich mit Frauen ohne Migräne belegte: Während der Menstruation ist die Konzentration an CGRP bei Migräne-Betroffenen deutlich höher als bei den gesunden Probandinnen. "Wenn also der Östrogenspiegel zur Einleitung der Periode sinkt, schütten die Migränepatientinnen vermehrt CGRP aus", sagte Bianca Raffaelli. "Das könnte erklären, warum die betroffenen Frauen kurz vor und während der Monatsblutung häufiger Migräneattacken erleben."
Bei Frauen, welche die "Pille" einnahmen, zeigten sich diese hormonell bedingten Schwankungen nicht. Die Berliner Neurologin: "Tatsächlich kann die Einnahme der Pille und das Ende der Wechseljahre manchen Migränepatientinnen Linderung verschaffen. Wie aber aus unserer Studie ersichtlich wird, gibt es auch Frauen, die auch ohne Hormonschwankungen Migräne bekommen. Wir vermuten, dass bei ihnen andere Prozesse im Körper eine Rolle bei der Entstehung einer Attacke spielen. Denn CGRP ist nicht das einzige entzündliche Peptid, das Migräne auslösen kann."
Die Ergebnisse der Studie könnten für die Prophylaxe und die Akuttherapie der Migräne von Frauen Auswirkungen haben. Seit einigen Jahren gibt es neu zugelassene monoklonale Antikörper gegen den CGRP-Mechanismus in der Migräneentstehung. In Entwicklung sind gegenwärtig auch oral einnehmbare Arzneimittel die sich direkt gegen CGRP oder gegen den Rezeptor des Peptids richten.
APA/Red.