Hitze gegen Juckreiz

Einmal brutzeln bitte

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Bienen- und Wespenstiche sind besonders schmerzhaft. Je schneller die Einstichstelle mit einem kurzen Hitzeimpuls behandelt wird, umso besser ist die Wirkung. © Shutterstock
Bienen- und Wespenstiche sind besonders schmerzhaft. Je schneller die Einstichstelle mit einem kurzen Hitzeimpuls behandelt wird, umso besser ist die Wirkung. © Shutterstock

Die meisten Menschen reagieren auf einen Insektenstich mit einer lokalen Schwellung, die stark juckt und – je nach Insektenart – mitunter sehr schmerzhaft sein kann. Es handelt sich dabei um eine Abwehrreaktion auf das Fremdprotein aus dem Speichelsekret des Insekts bzw. auf das darin enthaltene Gift. Dadurch wird eine Degranulation von Mastzellen ausgelöst, was zu den typischen Symptomen – Rötungen, Ödeme, Juckreiz und Infiltratbildung –  führt.

Mit 51°C gegen Juckreiz

Die lokale Applikation von Kälte auf die Stichstelle ist wirksam, solange sie angewendet wird, hat aber keinen nachhaltigen Effekt. Anders scheint dies bei einer gezielten Anwendung von konzentrierter Wärme zu sein. Die sogenannten „elektrischen Stichheiler“ arbeiten mit diesem Wirkprinzip. Durch einen kurzen Hitzeimpuls von ziemlich genau 51 °C lassen sich die lästigen Lokalreaktionen rasch und dauerhaft stoppen. Auch allergisch-toxische Verläufe können vermieden werden.

Dabei gilt: Je schneller die Einstichstelle mit Hitze behandelt wird, desto besser ist die erzielbare Wirkung. Auch eine Mehrfachanwendung ist möglich bzw. bei Bienen- und Wespenstichen sogar empfehlenswert. Zwischen zwei Behandlungen sollte jedoch eine kurze Pause von zwei Minuten eingehalten werden; pro Stunde und Stichstelle sollten maximal fünf Behandlungen durchgeführt werden.
Die manchmal von Kund:innen geäußerten Ängste vor Verbrennungen können entkräftet werden: Anhaltende Veränderungen bzw. Schädigungen sind im verwendeten Temperaturbereich erst nach Minuten bis Stunden zu erwarten und im kurzen Zeitfenster einer Hyperthermie-Applikation ausgeschlossen. Weder bei Kindern noch bei Erwachsenen wurden bislang irgendwelche Hautschäden beobachtet.

Nachgewiesene Wirksamkeit

Das Therapieprinzip ist für Kinder, Erwachsene, aber auch Schwangere und ältere Menschen bestens geeignet. Die Anwendung der lokalen Wärmetherapie zeigt für die/den Patientin/en einen subjektiven Soforteffekt und führt objektiv nachweisbar zu einer Symptomminderung. Neben dem Schmerzempfinden und Juckreiz konnten in Untersuchungen auch Schwellung und Rötungen reduziert werden. Nach zehn Minuten waren nahezu alle Symptome vollständig abgeklungen; nach Wespenstichen nahm die individuell berichtete Reduktion der Schmerzintensität sogar von 7,32 auf 1,03 Punkte auf der visuellen
Analogskala ab.1 

Zertifizierte Medizinprodukte

Die in der Apotheke erhältlichen elektrischen Stichheiler sind als Medizinprodukte zertifiziert. Ihr Funktionsprinzip ist einfach: Sie besitzen ein kleines Keramikplättchen, das gezielt erhitzt werden kann. Diese Heizfläche wird auf dem Stich platziert und der Aufheizvorgang gestartet. Sobald die Behandlungstemperatur von 51 °C erreicht wird, leuchtet eine LED-Lampe auf. Die Temperatur wird nun entweder für drei Sekunden (für Kinder und Personen mit empfindlicher Haut) oder fünf Sekunden (für die reguläre Anwendung bei Erwachsenen) gehalten. So funktioniert der Bite Away®. Das Gerät ist seit über zehn Jahren im Handel und zählt mittlerweile zum Standardrepertoire der meisten Apotheken. Für Strom sorgen zwei AA-Batterien. Laut Herstellerangaben sind bis zu 300 Anwendungen mit einem Satz Batterien möglich. 

Nach demselben Prinzip arbeitet der Heat-it®-Stick – mit dem Unterschied, dass als Stromquelle das Smartphone dient und daher keine integrierte Batterie benötigt wird. Der Stick hat eine handliche Größe und lässt sich wie ein Memory-Stick am Schlüsselbund befestigen. Wenn man gestochen wurde, wird der Stick am Smartphone angesteckt (kompatibel mit iPhone 6 und neuer sowie mit allen Smartphones mit USB-C-Anschluss wie z. B. Android). Über eine App aktiviert man die Aufheizfunktion und hält sich die Kontaktfläche danach ein paar Sekunden auf die betroffene Hautstelle. Der Wärmegrad kann hier sogar individuell reguliert werden. Mit einer Handyladung können bis zu 1.000 Anwendungen durch-geführt werden.

Wirkungsmechanismus

Wie genau die Effekte durch die kurzzeitige Wärmeanwendung zustande kommen, ist unklar. Lange Zeit war die Annahme weit verbreitet, dass durch den Hitzeimpuls die Proteine im Insektengift denaturiert werden und dadurch die allergische Reaktion ausbleibe. Neuere Erkenntnisse gehen jedoch eher in die Richtung, dass durch die Temperaturerhöhung die körpereigene Histaminausschüttung gebremst wird; denn die Hitze scheint einen modulierenden Effekt auf die Mastzellen auszuüben. Denkbar wäre aber auch eine Wirkung auf bestimmte Hautnerven oder die Induktion von Hitzeschock-Proteinen. 

Wäremebad nach Quallenkontakt

Nesseltiere (Cnidaria) sind jedes Jahr für mehr Vergiftungen verantwortlich als jedes andere Meerestier. Zu den Nesseltieren zählen Quallen, Seeanemonen und Polypen-Kolonien wie z. B. die Portugiesische Galeere (Physalia physalis). Auf den Tentakeln dieser Tiere findet man hochentwickelte Nesselvorrichtungen, die die menschliche Haut durchdringen können. Der Kontakt mit diesen Meeresbewohnern kann äußerst schmerzhaft sein. Denn die Nesselkapseln können bei Berührung der menschlichen Haut platzen und ein giftiges Sekret entladen. Die Folgen sind brennende Schmerzen und Striemen auf der Haut, die einer Verbrennung ähneln. 

Das Gift von Nesseltieren ist hitzelabil, daher wird die Anwendung eines Wärmebades nach Quallenkontakt empfohlen. © Shutterstock
Das Gift von Nesseltieren ist hitzelabil, daher wird die Anwendung eines Wärmebades nach Quallenkontakt empfohlen. © Shutterstock

Spürt man beim Baden im Meer plötzlich brennende Schmerzen am Körper, sollte man rasch das Wasser verlassen. Als Ersthelfer:in gilt es, zunächst die an der Haut haftenden, noch nicht entladenen Nesselzellen vorsichtig zu entfernen – und zwar möglichst schnell (z. B. mit einer Plastikkarte oder Pinzette). Danach wird das Abspülen mit Salzwasser empfohlen. Das Auflegen von Kältepackungen auf die brennenden Hautpartien ist kontraproduktiv, unter Umständen wird der Schmerz dadurch sogar noch stärker. 

Wesentlich effektiver ist die Anwendung von auf 45 °C temperierten Wärmebädern oder Wärmepackungen (siehe Kasten unten), denn offenbar ist das Gift der Nesseltiere hitzelabil. Da selten ein exakt temperiertes Bad zur Verfügung stehen wird, kann man sich im Notfall auch mit von der Sonne erwärmten Steinen behelfen.

Auch nach Kontakt mit Quallen:
Wärme statt Kälte

Besonders gefährlich ist der Kontakt mit der Portugiesischen Galeere. Sie ist eigentlich keine Qualle im engeren Sinn, sondern ein Zusammenschluss von Polypen, deren Fangfäden bis zu 50 m ins Wasser ragen.

In einer australischen Studie wurden die Effekte von Wärme- bzw. Kälteanwendung nach Kontakt mit einer Portugiesischen Galeere untersucht. Bei jenen Proband:innen, die die betroffenen Hautstellen für 20 Minuten in einem 45 °C warmen Wasserbad badeten, konnten die Schmerzen nach 20 Minuten signifikant reduziert werden, während der gewünschte Effekt bei der Kälteanwendung ausblieb.2 Eine andere Studie an Würfelquallen kam zu einem ähnlichen Ergebnis.3



Quellen

1   Müller C. et al.: The use of concentrated heat after insect bites/stings as an alternative to reduce swelling, pain, and pruritus: an open cohort-study at German beaches and bathing-lakes. 
Clin Cosmet Investig Dermatol 2011;4: 191-6
2   Loten C. et al.: A randomised controlled trial of hot water (45 degrees C) immersion versus ice packs for pain relief in bluebottle stings. Med J Aust 2006;184(7): 329-33
3   Wilcox C.L. et al.: Heated Debates: Hot-Water Immersion or Ice Packs as First Aid for Cnidarian Envenomations? Toxins (Basel) 2016;8(4): 97

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