
Die maximale Reduktion oder sogar vollständige Beseitigung eines bösartigen Tumors schon vor der Operation durch Medikamente wird immer häufiger mit Erfolg erreicht. Das könnte bei einer Lungenkarzinomform in Zukunft sogar ohne Chemotherapie gelingen, hat eine Studie mit Beteiligung aus Wien jetzt gezeigt. Sie wurde vergangene Woche beim amerikanischen Krebskongress (ASCO) in Chicago vorgestellt.
Mit pro Jahr rund 5.000 Erkrankungen und etwa 4.000 Todesfällen ist das Lungenkarzinom in Österreich die häufigste krebsbedingte Todesursache. Bei den Männern macht die Erkrankung, die zumeist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, 21 Prozent der Krebs-Todesfälle aus, bei den Frauen 18 Prozent. Ehemals erfolgte bei operablen Lungenkarzinomen zunächst der chirurgische Eingriff, dann eine "adjuvante" Chemotherapie. Doch die medikamentöse Behandlung rückt immer häufiger "neoadjuvant" zeitlich schon vor die Operation mit Entfernung des Tumors.
"Das soll zu einer Verkleinerung des Karzinoms oder sogar zum Verschwinden des Tumors führen und die Situation der Patienten langfristig verbessern", sagte dazu der Wiener Pneumoonkologe Maximilian Hochmair (Klinik Floridsdorf, Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie).
Bisher stand für diese Strategie vor allem die Chemotherapie zur Verfügung. Doch in den vergangenen 20 Jahren hat sich mit der sogenannten zielgerichteten Krebstherapie, bei der Medikamente ganz spezifisch bei molekularbiologisch genau abgegrenzten Tumorformen eingesetzt werden, eine neue Strategie entwickelt. 15 bis 20 Prozent der Lungenkarzinompatienten weisen beispielsweise in ihrem Karzinom Mutationen des Rezeptors für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) auf. Diese Patienten können mittlerweile erfolgreich mit EGFR-Inhibitoren mehrerer Generationen behandelt werden. Ein solcher Wirkstoff ist Osimertinib.
Zielgerichtete Therapie erfolgreich
In der neuen Studie, die vergangene Woche beim ASCO-Kongress in Chicago in den USA vorgestellt und zeitgleich im "Journal of Clinical Oncology" publiziert wurde, versuchte ein internationales Wissenschafterteam, Osimertinib als "neoadjuvante" Behandlung bei Lungenkrebspatienten mit EGFR-Mutation mit operierbaren Karzinomen (Stadium II bis IIIb) einzusetzen. Per Zufall wurden 358 Patienten einer von drei gleich großen Gruppen zugeteilt: Täglich eine Tablette Osimertinib (80 Milligramm) allein, täglich diese Dosis der zielgerichteten Therapie plus eine Chemotherapie (Cisplatin etc.) oder die Chemotherapie allein. Nach der Operation wurde von Pathologen anhand des entfernten Tumors der Effekt der Therapien bestimmt. Das zweite Kriterium war der Anteil der Patienten in den drei Gruppen ohne Fortschreiten der Erkrankung oder Versterben nach einem Jahr.
Die Ergebnisse der Studie sprechen für die zielgerichtete Therapie auch ohne Chemotherapie bereits vor dem chirurgischen Eingriff: Mit alleiniger Zytostatikabehandlung kam es nur bei zwei Prozent der Patienten zu einem guten und per Pathologie-Untersuchung belegten Ansprechen (weniger als zehn Prozent der Zellen in der Gewebeprobe Karzinomzellen). Mit Osimertinib allein gelang das bei 25 Prozent der Behandelten, mit der zielgerichteten Therapie plus "Chemo" war das bei 26 Prozent der Fall - also de facto kein Unterschied.
Viel weniger Nebenwirkungen
Noch nicht endgültig für alle Probanden bestimmt werden konnten die Überlebensraten ohne weitere krebsbedingte Ereignisse. Hier lagen bei Auswertung der Daten von 15 Prozent der Patienten diese Anteile mit der Kombinationstherapie bei 93 Prozent, mit der zielgerichteten Behandlung allein bei 95 Prozent und mit Chemotherapie allein bei 83 Prozent.
Das Fazit der Wissenschafter: "Bei EGFR-mutierten Lungenkarzinomen im Stadium II bis IIIb zeigte Osimertinib mit oder ohne Chemotherapie eine statistisch signifikante Verbesserung des Anteils der Patienten mit maximalem pathologischen Ansprechen im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie." Für die Patienten hätte der Verzicht auf die Zytostatika (Chemotherapie) deutliche Vorteile, was die Nebenwirkungen angeht. Unter Osimertinib allein kam es im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen zu viel weniger stärkeren "unerwünschten Ereignissen" infolge der Behandlung.
APA