Etwa jede dritte Frau und jeder dritte Mann in Österreich leidet unter Venenerkrankungen, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. Die häufigsten Formen dieser Erkrankungen sind Besenreiser, die bei 80 % der Betroffenen auftreten, gefolgt von Krampfadern, die bei 50 % der Betroffenen vorkommen. Doch Krampfadern und Besenreiser stellen nicht nur ein ästhetisches Problem dar, sondern können auch zu einer fortschreitenden chronischen Venenschwäche (CVI) führen und schließlich in einem offenen Bein (Ulcus cruris) resultieren.
Neben Maßnahmen wie dem Tragen von Kompressionsstrümpfen, Gewichtsabnahme, chirurgischen Eingriffen und Ernährungsumstellungen sind auch verschiedene Heilpflanzen seit Jahren ein integraler Bestandteil vieler Behandlungspläne. In einem Konsenspapier aus dem Jahr 2016 zur symptomorientierten Therapie chronischer Venenerkrankungen werden pflanzliche Medikamente sogar als gleichwertig zur Kompressionstherapie eingestuft und neben chirurgischen Verfahren als eine der drei Hauptstützen in der Behandlung von Venenerkrankungen definiert.1
Rosskastanie – Gute Evidenz
Rosskastaniensamen enthalten 3–10 % eines komplexen Gemisches aus Triterpensaponinen, das als „Aescin“ bezeichnet wird. Dieses gehört heutzutage zu den bestuntersuchten pflanzlichen Wirkstoffen bei venösen Erkrankungen. Es gibt zahlreiche Daten zu den pharmakodynamischen Wirkungen der Rosskastaniensamenextrakte und des isolierten Aescins. In Labor- und Tierversuchen wurden sowohl entzündungshemmende, ödemprotektive und venentonisierende Effekte als auch eine gefäßabdichtende Wirkung festgestellt.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Anwendungen mit Rosskastanie sowohl intern als auch extern Symptome wie Schmerzen, Juckreiz, nächtliche Wadenkrämpfe und Schwellungen verringern können. In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde beispielsweise festgestellt, dass die Einnahme von 2-mal täglich 50 mg Aescin über einen Zeitraum von zwölf Wochen zu einer signifikanten Volumenminderung am Unterschenkel führte, insbesondere in Kombination mit einer Kompressionstherapie.2 Mehrere Studien, Metaanalysen und systematische Reviews einschließlich eines Cochrane Reviews bestätigen die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Rosskastanie bei der Behandlung von Symptomen der chronischen venösen Insuffizienz wie Schmerzen, Ödeme und Juckreiz. Die Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Behandlungsergebnisse mit Rosskastanienextrakten gleichwertig zur Kompressionstherapie und beispielsweise der Einnahme von Oxerutin sind.3
Um die bestmögliche Wirkung zu erzielen, sollte man ausschließlich Flüssig- oder Trockenextrakte verwenden, die auf Aescin standardisiert sind. Bis dato ist nicht eindeutig festgestellt, ob es einen Wirksamkeitsunterschied zwischen retardierten und nicht retardierten Extrakten gibt. Aufgrund der langen Halbwertszeit von Aescin scheint nach aktuellem Wissensstand eine Retardierung jedoch keinen zusätzlichen Nutzen zu haben. Die Herstellung eines Tees ist wegen der magenreizenden Wirkung der Saponine nicht sinnvoll. Mit der Einführung einer neuen Bestimmungsmethode für den Aescingehalt hat sich in den letzten Jahren die empfohlene Tagesdosis geändert. Früher wurde Aescin photometrisch bestimmt und die empfohlene Tagesdosis lag bei 100 mg. Heute wird Aescin üblicherweise als Protoaescigenin mittels der neuen HPLC-Methode berechnet, was einer empfohlenen Tagesdosis von 50 bis 60 mg Aescin entspricht.
Weinlaub – Besonders mild wirksam
Die wirksamen Bestandteile des Roten Weinlaubs, es handelt sich hierbei um eine spezielle Rebsorte, sind Flavonoide wie glykosidisch gebundenes Quercetin, Kämpferol und Rutin. Diese Flavonoide tragen zur Verbesserung der Elastizität der Blutgefäße und zur Stabilisierung der Kapillarmembranen bei. Darüber hinaus verbessern sie die Mikrozirkulation in den Gefäßen und hemmen die Aggregation von Blutplättchen.
Dadurch wirken sich Zubereitungen aus dem Roten Weinlaub positiv auf Venenentzündung, chronisch venöse Insuffizienz (Stadium I und II), Beinödeme, Varikosis, Hämorrhoiden und brüchige Kapillaren aus. Dies konnte in den letzten Jahren auch durch mehrere Studien untermauert werden.
So konnte in einer randomisierten Studie aus dem Jahr 2000 mit 219 Patienten und Patientinnen im Stadium CVI I und II gezeigt werden, dass eine 12-wöchige Einnahme von 360 mg bzw. 720 mg rotem Weinlaubextrakt neben einer Schmerzreduktion in den Beinen auch zu einer deutlichen Abnahme des Unterschenkelvolumens führte.5
Um eine ausreichende Wirkung zu erzielen, empfiehlt es sich, täglich zwischen 360 und 720 mg des Extrakts über einen Zeitraum von 6–12 Wochen einzunehmen.
Bei Krampfadern, Besenreisern sowie schweren und müden Beinen kann auch die äußere Anwendung in Form von kühlenden Gelen, Cremen oder Salben sehr hilfreich sein. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass diese – ähnlich wie bei anderen topisch applizierten Venenzubereitungen – immer von unten nach oben, also in Richtung des Venenflusses, einmassiert werden, um die Venenklappen nicht zusätzlich zu belasten.
Mäusedorn – Als Extrakt wirksam
Die Wurzel des Mäusedorns enthält bis zu 6 % Steroidsaponinglykoside, vorwiegend Ruscin und Ruscosid. Der Extrakt dieser Wurzel wirkt hauptsächlich durch vasokonstriktorische Effekte venenstärkend, daneben aber auch entzündungshemmend. Eine besondere Eigenschaft des Mäusedorns ist, dass er die Venen zusammenzieht, während er in den Arterien eine entspannende Wirkung hat. Wie bei der Rosskastanie kommt es auch hier zu kapillarabdichtenden Effekten durch die Hemmung lysosomaler Enzyme, die die Kapillarwand beschädigen könnten. Zahlreiche Studien belegen diese Wirkungen. So hat eine 2002 veröffentlichte Studie mit 148 Frauen, die an CVI litten, gezeigt, dass eine 12-wöchige Einnahme eines Mäusedornwurzelextraktes zu einer signifikanten Volumenreduktion in den Unterschenkeln führte.4
Obwohl Mäusedornpräparate Saponine enthalten, sind sie im Allgemeinen gut verträglich, besonders im Vergleich zu Präparaten auf Rosskastanienbasis. Bei höheren Dosen kann Mäusedorn jedoch Übelkeit und Durchfall verursachen. Die vorgeschlagene tägliche Dosis liegt bei 70 bis 75 mg Trockenextrakt oder 7 bis 11 mg Gesamtruscogenin. Die geforderte Tagesmenge kann nur durch standardisierte Extrakte erreicht werden. Eine Teezubereitung ist nicht sinnvoll.
Buchweizen- und Steinkleekraut – Venenwirksame Teedrogen
Im Kraut des Buchweizens tragen hauptsächlich die Flavonoide, insbesondere das enthaltene Rutin, zu positiven Effekten auf das Venensystem bei. Ähnlich wie beim Roten Weinlaub verbessert es die Mikrozirkulation in den Kapillaren, hemmt die Thrombozytenaggregation und verringert die Durchlässigkeit der Gefäße. Buchweizenkraut eignet sich hervorragend zur Zubereitung von Tee. Die empfohlene Tagesdosis beträgt dreimal täglich 2 g getrocknetes Buchweizenkraut. Die Verträglichkeit ist sehr gut, allerdings kann dieses in hohen Dosen besonders bei hellhäutigen Personen photosensibilisierend wirken.
Eine weitere Heilpflanze, die sich unterstützend als Teedroge bei leichter venöser Insuffizienz, Varikosis und Hämorrhoiden eignet, ist das Steinkleekraut. Dieses enthält vor allem Cumarine und Sapogenine, welche neben einer Senkung der Gefäßpermeabilität antiphlogistische, antiexsudative und ödemprotektive Wirkungen entfalten. Der venöse Rückfluss wird insgesamt verbessert und der lymphatische Abtransport gesteigert.
Das enthaltene Cumarin kann Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit bewirken. Da dies allerdings nur bei höherer Dosierung auftritt, wurde Steinkleekraut dennoch mit einer Positiv-Monographie durch die ESCOP versehen. Für eine optimale Wirkung sollte man 3–4-mal täglich je 1 bis 2 Teelöffel des Steinkleekrautes als Infus zubereiten.
OPC und teilsynthetische Flavonoide
Diverse Flavonoide wie Oxerutin, Diosmin und Hesperidin sind längst nicht mehr von der Therapie venöser Beschwerden wegzudenken. Meist in Kombination mehrerer Einzelsubstanzen reduzieren diese die Durchlässigkeit der Blutgefäße und schützen somit vor Ödemen. Die genannten Wirkstoffe werden meist teilsynthetisch durch chemische Modifikationen aus Flavonoiden für eine verbesserte Bioverfügbarkeit erzeugt. So wird Oxerutin (Hydroxyethylrutin) aus dem Japanischen Schnurbaum, Hesperidin aus Zitrusschalen und Diosmin durch Dehydrierung aus Hesperidin hergestellt.
Die klinische Effektivität bei diversen Venenproblemen, einschließlich Hämorrhoidalbeschwerden, lässt sich durch zahlreiche klinische Studien beweisen. In einer aktuelleren, doppelblinden, multizentrischen Studie mit 154 Patient:innen, die an Hämorrhoidalbeschwerden litten, demonstrierte eine Mischung aus den Flavonoiden Diosmin, Troxerutin, Rutin, Hesperidin und Quercetin eindeutig ihre Wirksamkeit.
Blutungen wurden signifikant verringert und das allgemeine Beschwerdebild deutlich gelindert.6
In den letzten Jahren hat sich auch Pycnogenol – ein OPC (Oligomere Proanthocyanidine)-reicher Extrakt der in Südfrankreich beheimateten See-Kiefer – als wirksam bei chronischer venöser Insuffizienz erwiesen. Pycnogenol verbesserte in Studien unter anderem das Schweregefühl in den Beinen und subkutane Ödeme signifikant. Dabei konnte auch eine Senkung des Venendrucks, eine Stabilisierung der kollagenen subendothelialen Basalmembran und ein Abfangen freier Radikale beobachtet werden.7
Quellen
1 Stücker et al. (2016): Konsensuspapier zur symptomorientierten Therapie der chronischen Venenerkraknungen. Deutsche Dermatologische Gesellschaft; 14:575-584.
2 Diehm et al. (1996): Comparison of leg compression stocking and oral horse-chestnut seed extract therapy in patients with chronic venous insufficiency. Lancet; 347:292-294.
3 Tiffany et al.: Horse chestnut: a multidisciplinary clinical review. J Herb Pharmacother. 2002; 2 (1):71-85.
4 Efficacy and safety of a Butcher´s broom preparation (Ruscus aculeatus extract) compared to placebo in patients suffering from chronic venous insufficiency. Arzneimittelforschung; 52: 243-250
5 Kiesewetter et al. (2000): Efficacy or orally administered extract of red vine leaf AS195 in chronic venous insuffiency (stages I-II). Arzneimittelforschung; 50: 109-117.
Weitere Literatur auf Anfrage