Kleine Bakterien – große Bedeutung

Das vaginale Mikrobiom

Mag. pharm. Magdalena Muralter
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Die Vaginalflora wird vor allem von grampositiven, stäbchenförmigen Laktobazillen besiedelt, die Glykogen zu Milchsäure verstoffwechseln.  © Shutterstock
Die Vaginalflora wird vor allem von grampositiven, stäbchenförmigen Laktobazillen besiedelt, die Glykogen zu Milchsäure verstoffwechseln. © Shutterstock

Kippt das sensible Gleichgewicht zwischen „guten“ und „bösen“ Mikroben, entsteht eine Dysbiose – die Anfälligkeit für Infektionen wie etwa eine bakterielle Vaginose oder eine vaginale Mykose steigt.

Stillschweigende Symbiose

Dass wir unseren Körper nicht für uns alleine haben, ist mittlerweile allgemein bekannt. Bereits bei der Geburt beginnen vorwiegend Bakterien, aber auch Pilze, Viren und Archaeen, unsere Haut und Schleimhäute zu besiedeln. So beheimaten wir im Erwachsenenalter etwa 2 kg Mikroorganismen, deren Anzahl in etwa der Zahl der menschlichen Körperzellen entspricht. Ein Großteil davon ist uns wohlgesonnen – sie dienen als erste Verteidigungslinie der Pathogenabwehr, produzieren Vitamine, Enzyme und entzündungshemmende Botenstoffe und unterstützen die Verdauung und das Immunsystem. Als Gegenleistung bieten wir ihnen ein optimales Lebensmilieu und versorgen sie mit Nahrung. Eine Dysbiose kann durch interne Faktoren (Alter, Immunsystem etc.) sowie durch externe Einflüsse (Arzneimittel, Infektionen, Umweltfaktoren etc.) begünstigt werden.

Grundstein der Vaginalgesundheit

Das Mikrobiom der Vagina wird in den meisten Fällen von grampositiven, stäbchenförmigen Laktobazillen (v. a. L. crispatus, L. gasseri, L. iners und L. jensenii) dominiert. Diese wurden nach dem deutschen Arzt Albert Döderlein benannt, wobei dessen frühere Annahme, dass L. acidophilus der vorherrschende Stamm in der Vagina ist, mittlerweile widerlegt wurde.

Wenn sich ab der Pubertät durch die Sexualhormone vermehrt Glykogen in der Scheide anreichert, verstoffwechseln die Laktobazillen dieses zu Milchsäure und sorgen für einen pH-Wert von 3,8−4,4. Durch die dichte Besiedelung (Kolonisationsschutz) wird ein Anhaften von pathogenen Keimen an der Schleimhaut verhindert. Zusätzlich bilden die Laktobazillen Abwehrstoffe (Wasserstoffperoxid, Bakteriozine) und unterstützen das Schleimhautimmunsystem. Eine Abnahme der Laktobazillen vor und während der Menstruation erleichtert anderen Anaerobiern die Vermehrung und erhöht das Risiko einer Dysbiose. Dies wird durch Stress, häufigen Geschlechtsverkehr, Vaginalduschen, Spermizide und Antibiotika begünstigt; genetische und ethnische Unterschiede wurden ebenfalls festgestellt.

Dass die rektale und die vaginale Laktobazillen-Flora zu einem Großteil übereinstimmen, konnte in einer Studie gezeigt werden. Man vermutet daher den Darm als Reservoir für die Laktobazillen, die über die sog. „Schleimstraße“ vom Darmausgang in die Vagina wandern. Gestützt wird diese Hypothese durch Studiendaten, die die vaginale Nachweisbarkeit von oral aufgenommenen Laktobazillen belegen.

Bakterielle Vaginose

Bei der bakteriellen Vaginose (BV) kommt es zu einem starken Rückgang der Laktobazillen, wodurch der pH-Wert über 4,5 steigt und eine deutliche Zunahme anaerober Bakterien folgt. Diese Dysbiose ist mit einem vermehrten Vorkommen bestimmter Bakteriengattungen (Gardnerella, Prevotella, Mobiluncus, Atopobium etc.) assoziiert, wobei deren Rolle bei der BV bisher nicht geklärt ist. Insbesondere die Überwucherung von Gardnerella vaginalis, dessen Nachweis oft auch in geringer Zahl in der Scheidenflora gesunder Frauen möglich ist, steht häufig in Zusammenhang mit BV. Es wird vermutet, dass G. vaginalis durch die Produktion bestimmter Stoffe zum Abbau vaginaler Schleimhautzellen führt. Dieser Keim ist außerdem in der Lage, einen komplexen Biofilm zu bilden, in dem er – eingebettet in eine Polymermatrix – vor Immunantworten des Wirtes und antimikrobiellen Mitteln geschützt ist. Ein solcher Biofilm ist relativ tolerant gegenüber Milchsäure und begünstigt zudem die Anheftung weiterer BV-typischer Mikroben. 

Gardnerella vaginalis ist in der Lage, einen Biofilm zu bilden, der vor antimikrobiellen Mitteln und der Immunantwort des Wirtes schützt. © Shutterstock
Gardnerella vaginalis ist in der Lage, einen Biofilm zu bilden, der vor antimikrobiellen Mitteln und der Immunantwort des Wirtes schützt. © Shutterstock


Zu den typischen Symptomen zählt ein vermehrter Ausfluss, der zumeist grauweiß und flüssig bis milchig ausfällt. Rötung, Brennen und Juckreiz im Intimbereich können auftreten. Charakteristisch sind auch ein unangenehm fischiger Geruch und eine Symptomzunahme vor und während der Periode. Problematisch ist das bei der BV erhöhte Risiko für entzündliche Beckenerkrankungen und für die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten (z. B. HIV, HPV). Zudem ist die BV auch mit einem erhöhten Risiko für Probleme in der Schwangerschaft und/oder bei der Geburt assoziiert.

In der Diagnostik gilt die klinisch-mikroskopische Untersuchung als Standard. Mit den Amsel-Kriterien und dem Nugent-Score stehen zwei standardisierte Verfahren zur Analyse des Vaginalabstrichs zur Verfügung (s. Kasten).

Diagnose der Vaginose
Amsel und Nugent-Score
  1.  Amsel-Kriterien (mind. drei der folgenden vier Merkmale müssen vorhanden sein):
    • dünner, homogener, weiß/gräulicher Vaginalausfluss
    • erhöhter vaginaler pH-Wert
    • fischiger Geruch
    • mit Bakterien bedeckte Epithelzellen im Mikroskop sichtbar 

  2. Nugent-Score: quantitative Analyse von Mikroorganismen wie Lactobacillus, Gardnerella und anderen Anaerobiern im gramgefärbten Abstrich der Vaginalschleimhaut; je mehr Laktobazillen und je weniger pathogene Anaerobier gefunden werden, desto niedriger der Score
    0–3 normal 
    kein Anhalt für eine bakterielle Vaginose
    4–6 mittel 
    Das Ergebnis ist in Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik zu beurteilen. 
    7–10 hoch 
    vom Vorliegen einer BV ist auszugehen

Kasten 1


Zur oralen oder intravaginalen Therapie haben sich Metronidazol und Clindamycin als wirksam erwiesen. Während sich die meisten Laktobazillen gegenüber Metronidazol resistent zeigen, reagieren einige von ihnen sensitiv auf Clindamycin, welches jedoch eine stärkere Wirkung auf BV-spezifische Anaerobier aufweist. Problematisch ist die hohe Rezidivrate, die vermutlich auf die unzureichende Wirksamkeit der Antibiotika gegen Bakterien im Biofilm zurückzuführen ist. 

Für die Zukunft wird an Therapiestrategien geforscht, die ein Antibiotikum mit einem Adjuvans kombinieren, um den Biofilm aufzubrechen und gleichzeitig die pathogenen Keime zu eliminieren. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Wirkstoffen zur spezifischen Eliminierung von Pathogenen ohne Beeinflussung der probiotischen Keime. Geforscht wird auch an einer vaginalen Mikrobiota-Transplantation, wobei sich die Umsetzung aufgrund diverser Risiken (Übertragung von Krankheiten etc.) schwierig gestaltet.

Vaginale Pilzinfektion

Im gebärfähigen Alter gilt der Scheidenpilz mit einer Lebenszeitprävalenz von über 70 % als eine der häufigsten Erkrankungen der unteren weiblichen Fortpflanzungsorgane. Hefepilze (Candida albicans und andere Candida-Arten) wurden als Hauptübeltäter identifiziert. Während diese als natürliche Bestandteile im gesunden vaginalen Mikrobiom vorkommen, kann eine Störung der Scheidenflora zu deren krankhaften Überwucherung führen. Antibiotika, übertriebene Intimhygiene, luftundurchlässige Unterwäsche/Slipeinlagen, ein unkontrollierter Diabetes mellitus etc. können eine Pilzinfektion begünstigen. Hohe Östrogenspiegel (z. B. Schwangerschaft, orale Kontrazeptiva) und ein erhöhter pH-Wert stellen ebenfalls Risikofaktoren dar. Unter derartigen Bedingungen kann C. albicans von der Hefephase in die sog. Hyphenphase übergehen, indem er ein fadenförmiges Mycel ausbildet. Folglich kommt es zu Entzündungsreaktionen und Gewebeschäden; das Schleimhautimmunsystem wird aktiviert. Bemerkbar macht sich das meist durch vaginalen Juckreiz, Brennen, Schmerzen (insbesondere beim Geschlechtsverkehr und beim Wasserlassen), Schwellungen und Rötungen. Die Symptome werden oft von weißen Belägen auf der Schleimhaut und einem weiß/gelblichen, oft krümeligen Ausfluss mit neutralem bis hefeartigem Geruch begleitet. Scheidenpilzinfektionen treten häufig ohne pH-Veränderung auf, was auf das allgemeine Vorhandensein von ausreichend Laktobazillen hinweist. In bis zu 10 % der Fälle kommt es zu einem rezidivierenden Auftreten, da auch C. albicans einen Biofilm auf der Schleimhaut ausbilden kann. Das macht die vaginale Pilzinfektion zwar bei immunkompetenten Personen nicht zu einer gefährlichen, aber zu einer hartnäckigen und unangenehmen Angelegenheit.

Diagnostiziert wird eine Vaginalmykose durch eine Kombination aus klinischen Symptomen und einem mikroskopischen Nachweis von Hyphen; in komplizierten Fällen kann auch eine Pilzkultur mit Artenbestimmung durchgeführt werden.

In der Therapie kommen antimykotische Ovula oder Cremes mit Azolen (Clotrimazol, Econazol) oder Polyenen (Nystatin) zum Einsatz. Alternativ steht auch eine orale Therapie (Fluconazol, Itraconazol) zur Verfügung. Wichtig ist in allen Fällen eine gute Compliance, da bei frühzeitigem Therapieabbruch mit einer Reinfektion zu rechnen ist. Bei rezidivierenden Infektionen kann auch eine schematische längerfristige Einnahme von 200 mg Fluconazol sinnvoll sein (anfangs 3 x pro Woche, dann wöchentlich für zwei Monate, dann alle zwei Wochen für vier Monate, dann monatlich für sechs Monate). Zur Mitbehandlung eines asymptomatischen Sexualpartners liegen keine aussagekräftigen Studienergebnisse vor.

Tara-Tipps
Lokale Applikation von Vaginaltherapeutika
  • Vaginal-Tabletten, Ovula und -Cremes idealerweise vor dem Schlafengehen mittels Applikationshilfe tief in die Vagina einführen
  • in der Schwangerschaft keine Applikatoren verwenden
  • Applikation in Rückenlage bei leicht angezogenen Beinen am einfachsten
  • während der Menstruation keine intravaginale Therapie durchführen
  • Ovula oder Cremes bei Scheidentrockenheit besser geeignet als die schwerer löslichen Vaginaltabletten
  • Hinweis auf eine eventuelle Kontrazeptionsbeeinträchtigung durch enthaltene Hilfsstoffe mitgeben! 

Kasten 2

Ergänzende Therapieoptionen

Als Alternative können sowohl bei der BV als auch bei Mykosen und Mischinfektionen lokale Antiseptika wie etwa Dequaliniumchlorid oder Octenidin mit guter Evidenz angewandt werden. Zudem erfreuen sich orale und vaginale Probiotika immer größerer Beliebtheit. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass bestimmte Laktobazillen-Stämme in der Behandlung der BV die Wirkung von Antibiotika verstärken können und auch in alleiniger Gabe einen positiven Effekt haben. Festgestellt wurde auch eine hemmende Wirkung mancher Stämme auf die Mycelbildung, Wirtszellanheftung und Biofilmausbildung von C. albicans. Darüber hinaus ermöglicht die Einnahme von Probiotika eine schnellere Regeneration der Vaginalflora nach einer Infektion und/oder medikamentösen Therapie und kann durch die Wiederherstellung der vaginalen Schutzmechanismen (Kolonisationsschutz, pH- Wert etc.) die Rezidivrate senken. 

Heikler Zeitraum Schwangerschaft 

BV betrifft schätzungsweise eine von fünf Schwangeren, ist mit einem erhöhten Risiko für aufsteigende Infektionen, Früh- und Fehlgeburten assoziiert und sollte selbst bei asymptomatischer Infektion mit Antibiotika therapiert werden. Als Ursache kommen G.vaginalis-Biofilme in Eileiter und Gebärmutter infrage. Von vaginalen Mykosen sind Schwangere aufgrund der hormonellen Veränderungen ebenfalls häufig betroffen. Diese stellen meist kein großes Risiko für die Schwangerschaft dar, begünstigen aber die Vermehrung anderer Keime. Unter ärztlicher Kontrolle können topische Azolpräparate zum Einsatz kommen. Eine Therapie wird insbesondere im letzten Trimenon empfohlen, da der Kontakt mit C. albicans bei der Geburt das Risiko für Mundsoor und Windeldermatitis in den ersten Lebenswochen des Babys stark erhöht.

Zudem kann eine Dysbiose auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und negative Auswirkungen auf die Mikroben-Erstbesiedelung des Babys bei einer vaginalen Geburt haben. Die präventive Einnahme von Probiotika vor und während einer Schwangerschaft ist daher empfehlenswert. Dasselbe gilt auch im Falle einer In-vitro-Fertilisation, für die eine gesunde Scheidenflora ebenfalls essenziell ist.

Quellen

• Swidsinski, A., Loening-Baucke, V., Swidsinski, S. & Verstraelen, H. Polymicrobial Gardnerella biofilm resists repeated intravaginal antiseptic treatment in a subset of women with bacterial vaginosis: a preliminary report. Arch. Gynecol. Obstet. 291, 605–9 (2015)
• Chen, X., Lu, Y., Chen, T. & Li, R. The Female Vaginal Microbiome in Health and Bacterial Vaginosis. Front. Cell. Infect. Microbiol. 11, 631972 (2021)
• AWMF S2k Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. Available at: 
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-006.html. (Accessed: 26th October 2022)
• Kalia, N., Singh, J. & Kaur, M. Microbiota in vaginal health and pathogenesis of recurrent vulvovaginal infections: a critical review. Ann. Clin. Microbiol. Antimicrob. 19, 5 (2020)
• Willems, H. M. E., Ahmed, S. S., Liu, J., Xu, Z. & Peters, B. M. Vulvovaginal Candidiasis: A Current Understanding and Burning Questions. J. fungi (Basel, Switzerland) 6, (2020)

Weitere Literatur auf Anfrage

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