Im Sommer 1745 wurde Gerhard van Swieten von Franz I. als Leibarzt für Maria Theresia nach Wien berufen. Er setzte eine Umgestaltung des österreichischen Gesundheitswesens und der medizinischen Hochschulausbildung durch und wurde zum Gründer der weltberühmten Wiener Medizinischen Schule.
Von den Spezialfächern der Heilkunde war es gerade die Ophthalmologie, deren theoretischer und didaktischer Ausbau in den folgenden Jahren von Wien ausging. Josef Barth, der „in Anbetracht seiner besonderen Geschicklichkeit für die Augenkrankheiten, Augenoperationen und feinere Anatomie“ 1773 zum ersten Professor für Ophthalmologie bestellt wurde, galt als hervorragender Staroperateur.1 Seine bedeutendsten Schüler waren der am Josephinum wirkende Johann Adam Schmidt (er prägte die Fachtermini Pharmakodynamik und Pharmakognosie und wurde auch als Arzt Ludwig van Beethovens bekannt) und Josef Beer, der 1812 die erste Universitäts-Augenklinik der Welt im Allgemeinen Krankenhaus gründete.
Tausendsassa der Wissenschaften
Wir wollen hier Joseph Jakob Plenck, einen Zeitgenossen der oben genannten Ophthalmologen, näher vorstellen, weil dessen Wirken sowohl für die Augenheilkunde als auch für die Pharmazie von großer Bedeutung ist. Geboren 1735 in Wien, machte er eine Lehre als Chirurg und besuchte Vorlesungen an der Universität. Im Zuge des Siebenjährigen Krieges trat er 1758 in die kaiserliche Armee ein und wurde zum Regimentschirurgen ernannt. 1763 machte Plenck an der Universität Wien sein Examen als Magister Chirurgiae et artis Obstericiae (Chirurgie und Geburtshilfe). Jetzt kaufte Plenck eine Barbierstube und wirkte sieben Jahre lang als praktischer Chirurg und Geburtshelfer, bis ihn Gerhard van Swieten 1770 als Professor an die neu gegründete Universität in Tyrnau (heute Trnava, Slowakei) berief. Dort lehrte Plenck auch Augenheilkunde und Dermatologie. Als diese Universität 1777 nach Ofen (heute Budapest, Ungarn) verlegt wurde, folgte ihr auch Plenck dorthin.2
1786 ernannte ihn Joseph II. zum Professor für Chemie und Botanik am Josephinum und gleichzeitig zum Direktor der Feldapotheke. Plenck war einer der produktivsten fachspezifischen Schriftsteller seiner Zeit. Neben zahlreichen Werken zur Chirurgie, Geburtshilfe, Anatomie, Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Pharmakologie verfasste er Arbeiten über Botanik, Pharmakognosie, Pharmazeutische Chemie und Bromatologie, die teils mehrfach aufgelegt wurden und häufig als Lehrbücher Verwendung fanden.
Im Jahr 1777 veröffentlichte Joseph Jacob Plenck sein Kompendium der Augenheilkunde „Doctrina de morbis oculorum“ in lateinischer Sprache. Der Augenarzt und Medizinhistoriker Julius Hirschberg klassifizierte dieses Werk mit folgenden Worten: „Ich kenne keinen Schriftsteller, der diese Wissenschaft in einer so vollständigen und wohlgeordneten Kürze vorgetragen hat. Das Buch hat eine gute Terminologie. Es beschreibt 118 Augenkrankheiten und die nöthigen Operationen. Zum ersten Male seit Ali ibn Isa [bedeutender arabischer Augenarzt des Mittelalters] sind die Cadres der Augenheilkunde vollständig aufgestellt.“3
Plencks Kompendium erschien in mehreren Auflagen und wurde auf Italienisch (1781), Niederländisch (1787), Deutsch (1788) und Spanisch (1797) übersetzt. Die niederländische Version wurde 1794 vom Sanitätsoffizier Ambrosius Ludwig Bernhard Keller nach Edo (heute Tokyo) gebracht. Im Jahre 1799 war die erste Fassung einer japanischen Übersetzung des niederländischen Textes von Plencks Doctrina fertiggestellt, lag aber nur in einigen handschriftlichen Kopien vor. Erweitert und ergänzt erschien schließlich 1815 eine Druckversion unter dem Titel „Ganka-shinsho“ (Neue Ophthalmologie).4 Es war das erste westliche Lehrbuch in japanischer Sprache und eröffnete somit einen ganz neuen Horizont für die Entwicklung der eigenständigen japanischen Ophthalmologie. Nach Gabriela Schmidt-Wyklicky gehört dieses Buch zu den bedeutendsten Augenheilkundebüchern, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Augenheilkunde in Japan hatten.5
Weitreichend bekanntes Werk
1773 wurde der damals 28-jährige Josef Barth mit der Ausbildung von Augenärzten beauftragt, weswegen heuer ein besonderes Jubiläum gefeiert wird: „250 Jahre Augenheilkunde in Österreich“.
Aus diesem Anlass hat Ingrid Wallner, MBA, von der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG) die Bitte an die Bibliothek der ÖAK gerichtet, bei der Suche nach historischen Quellen behilflich zu sein. Der vorliegende Artikel gibt die Rechercheergebnisse eines Teilaspekts der Ophthalmologie als universitäres Lehr- und Forschungsfach wieder und zeigt im Wirken von Joseph Jacob Plenck interessante Schnittpunkte zur Pharmazie.
Vor ein paar Jahren durfte ich einigen Kolleginnen und Kollegen aus Japan die Bibliothek der Österreichischen Apothekerkammer zeigen und habe sie auf Plenck angesprochen. Seine „Augenheilkunde“ war ihnen ein Begriff und sie hatten großes Interesse an Plencks pharmazeutischer Literatur. Eine Sternstunde für bibliophile Apotheker:innen!
Quellen
1 Grosz, Emil: Wandlungen in der Lehre der Glaukomoperationen. In Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 45 S. 2479 f (1925).
2 Zimmermann, Ferdinand Joseph: Rede zur Gedächtnissfeyer des Joseph Jacob Edlen von Plenck. Gedruckt bei Philipp Bauer, Wien (1808).
3 Hirschberg, Julius: Geschichte der Augenheilkunde. Verlag Engelmann, Leipzig (1908).
4 Sakai, S.: A HISTORY OF OPHTHALMOLOGY IN JAPAN. Japanese Journal of Ophthalmology 21, p. 242 – 280 Tokyo (1977).
5 Schmidt-Wyklicky, Gabriela: Ernst Fuchs und die Weltgeltung der Wiener Ophthalmologischen Schule. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (2021).