
Die Diagnose einer Histaminintoleranz (HIT) gleicht oft einer diagnostischen Spurensuche. Überschneidungen mit anderen Erkrankungen, variable Symptome und das Fehlen eindeutiger Testverfahren machen die Einordnung der Beschwerden schwierig. Wie kann die HIT trotzdem erfolgreich behandelt werden?
Histamin ist ein biogenes Amin, das als essenzieller Neurotransmitter und als Immunmodulator wirkt.
Im menschlichen Körper wird Histamin durch Decarboxylierung der Aminosäure L-Histidin synthetisiert und in Mastzellen, basophilen Granulozyten und enterochromaffinen Zellen gespeichert. Über vier spezifische Rezeptoren, die im ganzen Körper und in verschiedenen Geweben verteilt sind, ist es an zahlreichen physiologischen Prozessen beteiligt wie z. B. an Entzündungen, allergischen Reaktionen, Magensäureproduktion, Neurotransmitterfreisetzung und Immunantwort.
Der Histaminabbau erfolgt über zwei Hauptenzyme: Intrazellulär ist die Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) verantwortlich, im Dünndarm wird Nahrungshistamin durch die dort produzierte Diaminoxidase (DAO) abgebaut.
Wichtige Unterscheidung: Allergie vs. Unverträglichkeit
Als Nahrungsmittelallergie wird eine immunologische Reaktion auf Nahrungsproteine bezeichnet, bei der das Immunsystem spezifische Antikörper bildet. Bereits geringste Mengen können Beschwerden hervorrufen, die von milden Symptomen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen wie einem anaphylaktischen Schock reichen. Unverträglichkeiten (Synonym: Intoleranzen) hingegen beruhen auf Verwertungsstörungen bestimmter Nahrungsinhaltsstoffe, an denen das Immunsystem nicht beteiligt ist. Symptome sind meist abhängig von der verzehrten Menge und beschränken sich auf den Verdauungstrakt. Auch pseudoallergische Reaktionen können auftreten, sie sind aber selten lebensbedrohlich.
Eine Histaminvergiftung, auch bekannt als Scombroidvergiftung, ist eine akute Reaktion auf sehr hohe Histaminmengen, wie sie beispielsweise in verdorbenem Fisch enthalten sind.
Die typischen Symptome können – auch bei Personen ohne Histaminintoleranz (HIT) – sehr rasch auftreten und umfassen Hautrötungen, Juckreiz, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Herzrasen und niedrigen Blutdruck.
HIT hingegen ist eine chronische Hypersensitivität, bei der bereits sehr viel kleinere Mengen Histamin zu Beschwerden führen.
Typische Symptome

Als HIT wird eine nicht-immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeit gegenüber aufgenommenem oder freigesetztem Histamin bezeichnet. Dabei bestimmt die enzymatische Aktivität der Diaminooxidase (DAO), wie viel des über die Nahrung aufgenommenen Histamins vom Darm in den Blutkreislauf gelangt. Eine verringerte Aktivität führt zu einem Ungleichgewicht zwischen Histaminaufnahme und -abbau, sodass sich dieses im Körper ansammelt. Aufgrund der systemischen Wirkung von Histamin können verschiedene Organsysteme von Symptomen betroffen sein:
- Magen-Darm-Trakt: Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen
- Haut: Rötungen an Gesicht oder Hals („Flush“), Juckreiz, Nesselausschläge
- Herz-Kreislauf-System: Niedriger Blutdruck, Herzrasen
- Nervensystem: Kopfschmerzen, Schwindel
- Atemwege: Verstopfte oder laufende Nase, Atembeschwerden
Magen-Darm-Beschwerden werden meist schnell mit einem Verdauungsproblem in Verbindung gebracht. Symptome wie Hautausschläge, Kopfschmerzen, Herzrasen oder Atembeschwerden können jedoch leicht mit einer allergischen Reaktion verwechselt werden. Diese sogenannten pseudoallergischen Symptome werden durch das angereicherte Histamin ausgelöst, ohne dass eine immunologische Ursache vorliegt.
Lebensmittel als Histaminquelle
Nahrungshistamin entsteht durch Bakterien, die über das Enzym Histidindecarboxylase L-Histidin zu Histamin decarboxylieren. Proteinreiche Lebensmittel und fermentierte Produkte enthalten daher besonders viel Histamin. Unsachgemäße Kühlung, warme Temperaturen oder lange Lagerzeiten begünstigen sowohl die Enzymaktivität als auch die Vermehrung der Bakterien. Einmal gebildetes Histamin ist thermostabil und kann daher nicht durch Kochen entfernt werden.
Wie viel Histamin gebildet und im verzehrfertigen Lebensmittel enthalten ist, hängt neben Proteingehalt und Reifungsprozess von zahlreichen Faktoren ab, u. a. den verwendeten Bakterienstämmen, der Verarbeitung sowie Hygiene und Lagerungsbedingungen. Der Histamingehalt schwankt oft nicht nur innerhalb einer Lebensmittelgruppe, sondern auch innerhalb der Produktionscharge. Aufgrund dieser komplexen Variabilität werden bei einer histaminarmen Ernährung alle Lebensmittel gemieden, die potenziell Histamin enthalten.
Der Weg zur Diagnose
Noch gibt es keine standardisierten Tests, die eine HIT eindeutig belegen. Nahrungsmittelallergien, Zöliakie oder das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) müssen ausgeschlossen werden, ebenso wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Erschwerend kommt hinzu, dass Schädigungen der Darmmukosa durch entzündliche Prozesse und gastrointestinale Störungen (z. B. Reizdarmsyndrom, mikrobielle Dysbiose, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Zöliakie) die DAO-Synthese grundsätzlich reduzieren und so zu einer HIT beitragen können. Bei der Messung der DAO-Aktivität im Serum wird ein Schwellenwert von < 10 U/ml als Hinweis auf eine mögliche HIT interpretiert, wobei auch bei höheren Werten schon Symptome auftreten können. Unklar ist auch die Korrelation zur tatsächlichen Enzymaktivität im Darm, wo das Histamin abgebaut wird. Außerdem wird die DAO-Aktivität durch bestimmte Medikamente (z. B. N-Acetylcystein, Antidepressiva, NSAR, Antibiotika) beeinflusst und unterliegt tages- und zyklusabhängigen Schwankungen.
Die alleinige Messung der DAO-Aktivität ist daher nicht ausreichend für die Diagnose. Weitere Tests wie die Bestimmung der DAO-Aktivität in der Darmmukosa, genetische Analysen des DAO-Gens (AOC1) oder ein Histamin-Provokationstest (unter ärztlicher Aufsicht) können hinzugezogen werden.
Therapieansätze: Mehr als Verzicht
Eine histaminarme Ernährung stellt immer die erste Maßnahme dar: Durch das Bevorzugen frischer Nahrungsmittel und das Meiden histaminreicher Lebensmittel wird die Aufnahme von Histamin über die Nahrung minimiert. Nach einer Eliminationsphase können verträgliche Lebensmittel schrittweise wieder eingeführt werden, um langfristig eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen.
Enzympräparate mit DAO können den Abbau von Nahrungshistamin unterstützen. Antihistaminika lindern die auftretenden Symptome, wobei H1-Rezeptorblocker bei Haut- und Atemwegsbeschwerden eingesetzt werden und H2-Rezeptorblocker bei gastrointestinalen Symptomen. Ergänzend kann die DAO-Aktivität durch Supplementierung von Kofaktoren wie Vitamin C, Vitamin B6 und Kupfer gefördert werden.
Auch die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms spielt eine entscheidende Rolle im Histaminstoffwechsel. Studien zeigen, dass bei vorliegender HIT oft ein geringerer Anteil nützlicher Bakterien und eine größere Präsenz histaminbildender Bakterien vorliegt. Die Einnahme von Probiotika kann daher vorteilhaft sein.
Die Histaminintoleranz ist eine komplexe und multifaktorielle Erkrankung, die sorgfältige Diagnostik und individualisierte Therapieansätze erfordert. Durch eine bewusste Ernährungsweise, unterstützende Maßnahmen und eine interdisziplinäre Betreuung können die Symptome minimiert werden, sodass Betroffene ihre Lebensqualität zurückerhalten.
Quellen
- Hrubisko M, et al.: Histamine intolerance—The more we know the less we know. A Review. Nutrients 2021; 13(7): 2228
- Smolinska S, et al.: Histamine: A mediator of intestinal disorders—A review. Metabolites 2022; 12(10): 895
- Jochum C: Histamine intolerance: symptoms, diagnosis, and beyond. Nutrients 2024; 16(8): 1219
- Schnedl WJ, et al.: Histamine intolerance originates in the gut. Nutrients 2021; 13(4): 1262
- Sánchez-Pérez S, et al.: Low-histamine diets: Is the exclusion of foods justified by their histamine content? Nutrients 2021; 13(5): 1395
Weitere Literatur auf Anfrage