Augengesundheit bei Kindern

Strategien gegen digitalen Sehstress

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Digitaler Sehstress wird  vor allem durch lange Naharbeit am Bildschirm  oder Smartphone ausgelöst. Besonders Kinder sind gefährdet, da sie digitale Geräte häufig in  sehr geringem Abstand nutzen und kaum visuelle Pausen einhalten. © Shutterstock
Digitaler Sehstress wird vor allem durch lange Naharbeit am Bildschirm oder Smartphone ausgelöst. Besonders Kinder sind gefährdet, da sie digitale Geräte häufig in sehr geringem Abstand nutzen und kaum visuelle Pausen einhalten. © Shutterstock

Die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags bringt neue Herausforderungen für die Augengesundheit mit sich. Augenärzt:innen verzeichnen eine deutliche Zunahme von Beschwerden durch digitalen Sehstress sowie eine steigende Häufigkeit von Kurzsichtigkeit. Die gute Nachricht: Mit einfachen Maßnahmen können Eltern und Schulen die Augengesundheit unserer Kinder wirkungsvoll schützen.

Stress für die Augen


Digitaler Sehstress (Digital Eye Strain, DES) führt zu einer Kombination an Symptomen. Dazu zählen müde, trockene Augen, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme, die vor allem durch lange Naharbeit am Bildschirm oder Smartphone ausgelöst werden. Die Ursachen sind ein reduziertes Blinzelverhalten, eine instabile Tränenfilmproduktion und eine dauerhafte Beanspruchung der Akkommodation. Normalerweise blinzeln Menschen in etwa 15-mal pro Minute, bei der Verwendung digitaler Geräte sinkt diese Frequenz jedoch auf fünf bis sieben Mal pro Minute. Besonders Kinder sind gefährdet, da sie digitale Geräte häufig in sehr geringem Abstand nutzen und kaum visuelle Pausen einhalten.

Viel Zeit im Freien, regelmäßige Bildschirm- pausen und frühe augenärztliche Untersuchungen sind die effektivsten Maßnahmen, um Kinderaugen gesund zu halten. © iStock
Viel Zeit im Freien, regelmäßige Bildschirm- pausen und frühe augenärztliche Untersuchungen sind die effektivsten Maßnahmen, um Kinderaugen gesund zu halten. © iStock

Mach mal Pause


Eine einfache und wirksame Strategie ist die 20-20-20-Regel: Nach jeweils 20 Minuten Naharbeit sollte man für 20 Sekunden in etwa sechs Meter Entfernung schauen (entspricht ca. 20 Fuß, daher der Name der Regel). Das Ziel ist es, die Augenmuskeln zu entspannen, Blinzeln zu fördern und dadurch trockene oder müde Augen zu vermeiden. Bewusstes Blinzeln, eine gute Beleuchtung, eine Sitzposition mit Augenhöhe zum Bildschirm und ausreichend Abstand von mindestens einer Armlänge helfen zusätzlich, die Augen zu entlasten.1 
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für Kinder unter zwei Jahren keinerlei passive Bildschirmzeit und für Kinder zwischen zwei und vier Jahren maximal eine Stunde täglich – je weniger, desto besser (WHO 2019). Bei älteren Kindern und Jugendlichen rät die American Academy of Pediatrics (AAP) von starren Zeitlimits ab und empfiehlt stattdessen individuelle Familienpläne, die auf ausreichend Schlaf, Bewegung und soziale Interaktion achten.

Kurzsichtigkeit im Blick


Besonders eng mit der veränderten Mediennutzung verbunden ist die steigende Zahl der Kinder mit Kurzsichtigkeit (Myopie). Zahlreiche epidemiologische Studien belegen, dass ein Zuviel an Naharbeit und ein Mangel an natürlichem Tageslicht das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit begünstigen. Demgegenüber gilt regelmäßige Zeit im Freien als einfacher, aber protektiver Faktor. Eine große taiwanesische Cluster-Studie konnte zeigen, dass bereits zusätzliche 40 Minuten täglicher Aufenthalt im Freien das Risiko für eine Myopie-Neuentstehung signifikant senken.2 Neben der 20-20-20-Regel hat sich auch die praxisnahe Faust­regel etabliert, die sogenannte 20-20-2-Regel: Neben kurzen Pausen während der Naharbeit und bewusstem Blick in die Ferne sollten Kinder mindestens zwei Stunden täglich im Freien verbringen.
Eltern sollten aber auch selbst aufmerksam sein, wenn ihr Kind häufig die Augen zusammenkneift, sehr nah an Bildschirme oder Bücher herangeht oder über Kopfschmerzen klagt. In diesen Fällen ist eine frühzeitige augenärztliche Untersuchung sinnvoll.

Therapieoptionen bei Myopie


Kommt es trotz präventiver Maßnahmen zu einem Fortschreiten der Kurzsichtigkeit, stehen heute wirksame Therapieoptionen zur Verfügung. Dazu zählen spezielle Brillengläser mit peripherem myopen Defokus wie DIMS- oder Stellest-Gläser. DIMS steht für Defocus Incorporated Multiple Segments, d. h., diese Gläser sehen auf den ersten Blick aus wie ganz normale Brillen, besitzen aber im Randbereich viele kleine Zonen, die das Bild bewusst etwas vor die Netzhaut verlagern. Dadurch wird das Auge „gebremst“, weiter in die Länge zu wachsen – denn genau dieses Längenwachstum ist für das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verantwortlich. In klinischen Studien konnte mit dieser Technik die Myopieprogression um rund 60 % reduziert werden.3,4 
Auch Dual-Fokus-Kontaktlinsen arbeiten mit einem ähnlichen Prinzip: Neben einem scharfen Sehbereich enthalten die Linsen zusätzliche Zonen, die einen leicht unscharfen Ring erzeugen. In einer sechsjährigen Studie zeigte sich, dass Kinder mit diesen Linsen ein deutlich langsameres Augenlängenwachstum hatten.5


Eine weitere Möglichkeit sind orthokeratologische Linsen („Ortho-K“) – spezielle formstabile Kontaktlinsen, die über Nacht getragen werden. Während des Schlafs modellieren sie die Hornhaut so, dass am Tag ein scharfes Sehen ohne Brille oder Kontaktlinsen möglich ist. Neben diesem praktischen Effekt verlangsamen sie ebenfalls die Myopieprogression. Da jedoch Hygiene und augenärztliche Kontrollen hier besonders wichtig sind, eignen sich Ortho-K-Linsen nicht für alle Patientengruppen.6


Ergänzend steht mit niedrig dosiertem Atropin (0,01 %) eine pharmakologische Option zur Verfügung. Atropin-Augentropfen in sehr geringer Konzentration verlangsamen das Augenwachstum, ohne die Pupillen stark zu erweitern oder das Nahsehen wesentlich zu beeinträchtigen. Studien bezüglich der passenden Dosierung und Wirkung sind jedoch widersprüchlich. Bei der Auswahl der passenden Methode zur Kontrolle der Myopie sind eine individuelle Anpassung an Alter, Sehbedürfnisse und Verträglichkeit des Kindes sowie eine enge augenärztliche Kontrolle wichtig.


Viel Zeit im Freien, regelmäßige Pausen bei Naharbeit, ein bewusster Umgang mit digitalen Medien und frühe Sehtests sind die effektivsten Maßnahmen, um Kinderaugen gesund zu halten. Wenn eine Myopie entsteht, können moderne optische und pharmakologische Therapien das Fortschreiten wirksam bremsen und so das Risiko für spätere Augenerkrankungen senken.

Quellen


1   Bin Maneea MW, et al.: Digital eye straining: Exploring its prevalence, associated factors, and effects on the quality of life. Cureus 2024; 16:e59442.
2   Wu PC, et al.: Myopia prevention and outdoor light intensity in a school-based cluster randomized trial. Ophthalmology 2018; 125: 1239–1250.
3   Kaymak H, et al.: Myopia treatment and prophylaxis with defocus incorporated multiple segments spectacle lenses. Ophthalmologe 2021; 118: 1280–1286. 
4   Lam CSY, et al.: Defocus incorporated soft contact (DISC) lens slows myopia progression in Hong Kong chinese schoolchildren: 
a 2-year randomised clinical trial. Br J Ophthalmol 2014; 98: 40–45.
5   Chamberlain P, et al.: Long-term effect of dual-focus contact lenses on myopia progression in children: A 6-year multicenter clinical trial. Optom Vis Sci 2022; 99: 204–212.

Weitere Literatur auf Anfrage

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