
"Der deutliche Anstieg der Neuerkrankungen am Typ-2-Diabetes, zu dem es bei Kindern und Jugendlichen in den Jahren 2021 und 2022 gekommen war, hat sich in den beiden Folgejahren nicht fortgesetzt", schrieb das Deutsche Ärzteblatt zu der wissenschaftlichen Studie, die vor kurzem beim Diabetes-Kongress in Berlin präsentiert worden ist.
Seit Jahren verfolgen Diabetologen und Kinderärzte die Entwicklung von Typ-2-Diabetes bei Heranwachsenden mit größter Aufmerksamkeit. Die Erkrankung, die früher unter dem Begriff „Altersdiabetes“ bekannt war – medizinisch als nicht-insulinabhängiger Diabetes bezeichnet – trifft heute längst nicht mehr nur ältere Menschen. Weltweit erkranken zunehmend jüngere Menschen daran, sodass die frühere Bezeichnung nicht mehr zutrifft. Inzwischen machen diese Patienten rund 90 Prozent aller Diabetesfälle aus.
"Die Zahl der pädiatrischen Erkrankungen am Typ-2-Diabetes nimmt bereits seit längerem zu. Verantwortlich sind Adipositas und Bewegungsmangel, die bereits bei Kindern und Jugendlichen zu einer Insulinresistenz (zu wenig Ansprechen auf das körpereigene Insulin; Anm.) führen können", hieß es in der Ärztezeitung.
Register von 400 Behandlungszentren ausgewertet
Die epidemiologische Entwicklung, Krankheitsverläufe und Behandlungsstrategien lassen sich am besten durch die Analyse von Registern aus der täglichen Praxis erfassen. Aus diesem Grund wurde von deutschen Fachleuten vor einiger Zeit die "Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation" ins Leben gerufen. Wie es auf der entsprechenden Homepage der Universität Ulm heißt, "beteiligen sich aktuell über 400 Behandlungseinrichtungen an der Initiative, vorwiegend aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Luxemburg und der Schweiz."
In Berlin wurde kürzlich die Entwicklung von Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren untersucht. Zwischen 2011 und 2016 wurden im Durchschnitt jährlich 78 Neuerkrankungen registriert. Ab 2017 stieg die Zahl auf über hundert neue Fälle, und im Jahr 2019 wurden 114 Neuerkrankungen verzeichnet.
Mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie Ende 2019 stieg die Zahl der neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes-Fälle bei Kindern und Jugendlichen im Register rasant an. „Nach einer Auswertung von Jessica Bokelmann vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel erfolgte im Jahr 2020 eine weitere Zunahme auf 133 Neuerkrankungen. Im Jahr 2021 wurden sogar 190 Fälle registriert, entsprechend einer Inzidenz von 2,1 Fällen pro 100.000 Patientenjahre“, berichtete das Deutsche Ärzteblatt.
Die durch die pandemiebedingten Lockdowns bedingte Verringerung der körperlichen Aktivität sowie die vermehrte Zeit vor dem Computer durch Home-Schooling und Freizeitgestaltung in den eigenen vier Wänden hatten deutliche Folgen, etwa in Form von Gewichtszunahme und geringerer Fitness. Die Spitze dieses Problems bildet der nicht-insulinabhängige Diabetes.
Silberstreif am Horizont
Doch es gibt mittlerweile einen Silberstreif am Horizont. "Seit dem Ende der (Covid-19-bedingten; Anm.) Einschränkungen ist die Inzidenz (Häufigkeit neuer Erkrankungen pro Zeiteinheit und bezogen auf die Personengruppe; Anm.) wieder rückläufig. Jessica Bokelmann ermittelte für 2022 eine Inzidenz (Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen; Anm.) von 1,6 und für 2023 von 1,5 pro 100.000 Patientenjahre", schrieb die deutsche Ärztezeitung.
Auch das Geschlechterverhältnis bei Typ-2-Diabetes hat sich verändert. Bis 2018 waren meist mehr Mädchen als Jungen betroffen. Im Jahr 2019 glich sich das Verhältnis erstmals aus. In den Jahren 2020 und 2021 erkrankten dann mehr Jungen als Mädchen. In den Jahren 2022 und 2023 nahm der Unterschied wieder ab und war schließlich nicht mehr signifikant.
Die auf Kinder-Diabetologie spezialisierte Ärztin erklärte den jüngsten Rückgang der Neuerkrankungen von Typ-2-Diabetes bei Heranwachsenden mit der Zunahme von Sport und Bewegung nach dem Ende der Lockdowns. Ärztliche Untersuchungen von Schulanfängern aus verschiedenen deutschen Bundesländern im Schuljahr 2023 zeigten, dass die Kinder insgesamt wieder einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) aufweisen.
Das Ziel der DPV-Initiative, die von Diabetes-Zentren in den deutschsprachigen Ländern getragen wird, ist es, die Behandlungsergebnisse für Menschen mit Diabetes in der Routinetherapie durch eine standardisierte Dokumentation und den objektiven Vergleich von Qualitätsindikatoren zu verbessern. Darüber hinaus soll damit auch eine länderübergreifende Therapieforschung ermöglicht werden.
APA