Herausforderungen und Lösungen

Der Weg in eine grünere Zukunft

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Medikamente im Müll © Shutterstock
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Die fortschreitende Globalisierung, der steigende Energieverbrauch und die wachsende Menge an Abfällen stellen die Industrie vor die Notwendigkeit, ressourcenschonende Produktionsmethoden zu entwickeln. Die Pharmaindustrie sollte in der Lage sein, die Balance zwischen ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit zu finden. Nur so können Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen berücksichtigt werden. 

EU-Klimaziele 

Die Europäische Union hat auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit dem neuen EU-Klimagesetz reagiert und ihre klimapolitischen Zielsetzungen für 2030 verschärft: Die Treibhausgas-Emissionen sollen nun um 55 % statt bisher 40 % gegenüber 1990 reduziert werden, sodass Europa die Klimaneutralität im Jahr 2050 erreichen soll. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll von 30 auf 40 % des gesamten Energieverbrauches angehoben werden.
In einem Bericht des „Centre for Planetary Health Policy“ (CPHP) wurde neuerlich gezeigt, dass das Arzneimittelwesen durch seine chemikalienintensive Produktion erheblich zu Umwelt- und Klimabelastungen beiträgt. In diesem Policy Brief sollte aufgezeigt werden, mit welchen rechtlichen Hebeln die Umwelt- und Klimabilanz des Sektors verbessert werden kann. Als besonders wirkungsvolle Hebel gelten:
• eine zulassungsrelevante Umweltrisikoprüfung für Humanarzneimittel, 
• die verpflichtende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Arzneimittelausschreibung, 
• die Einbeziehung von Treibhausgasemissionen sowie 
• Auswirkungen auf die Biodiversität in das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. 

Weitere wichtige Maßnahmen umfassen transparente, zugängliche Daten zu den Klima- und Umweltauswirkungen von Neu- und Alt-
arzneimitteln, die Reduktion von Verschwendung und unsachgemäßer Entsorgung, die Förderung der Generikaproduktion in Europa sowie gezielte Aus- und Weiterbildungen für Pharmazeut:innen im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Politisches Engagement

Mit der EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) hat die EU einen klimarelevanten Wandel initiiert. Die CSRD verpflichtet fast alle Unternehmen dazu, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Sie ist Teil des europäischen „Green Deals“, mit dem die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen will. Die Richtlinie (EU) 2022/2464 trat im Jänner 2023 in Kraft und verschärft die Regeln für die Berichterstattung über soziale und ökologische Aspekte. Diese Vorschriften sollen Transparenz über die Auswirkungen von Unternehmen auf Mensch und Umwelt schaffen. Ausgehend von einer Wesentlichkeitsanalyse der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens wird der Berichtsumfang auf die für das Unternehmen wesentlichen Bereiche der Umweltauswirkungen und -risiken eingegrenzt.

Abnehmmittel © Shutterstock
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Energieverbrauch und CO2-Emissionen

Die Herstellung von Medikamenten erfordert eine Vielzahl energieintensiver Prozesse, darunter die Synthese von Wirkstoffen, die Formulierung von Arzneimitteln und deren Verpackung. Die Pharmaindustrie ist für einen beträchtlichen Teil industrieller CO2-Emissionen verantwortlich. Die Produktion sowie einzuhaltende Kühlketten hinterlassen durch ihren Energieverbrauch einen großen CO2-Fußabdruck. Der Markt für temperaturempfindliche Medikamente (Insuline, Impfstoffe, Biologicals) wächst zudem überproportional im Vergleich zum Gesamtmarkt. Das Problem ist dabei nicht nur der Energieverbrauch, sondern auch, dass viele Medikamente aufgrund einer unterbrochenen Kühlkette im Müll landen. Auch die Logistik kann effizienter und nachhaltiger gestaltet werden, indem Transportwege verkürzt, Verpackungen optimiert und die Nutzung von umweltfreundlicheren Transportmitteln gefördert werden.

Produktion und Entwicklung

Die Pharmaindustrie arbeitet an Verfahren und Lösungen, die weniger energieintensiv sind, weniger umweltgefährliche Chemikalien verwenden und geringere Mengen Abfall erzeugen. Ein Beispiel wäre es, als Pharmaunternehmen auf „grüne“ Lösungsmittel zu setzen, die ungiftig und biologisch abbaubar sind, oder auf katalytische Prozesse, die den Energieverbrauch senken. Die Entwicklung neuer Medikamente kann auch durch nachhaltige Ansätze gefördert werden. Hierzu gehört die Entwicklung von Medikamenten, die weniger schädliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Insbesondere bei der Entwicklung von Biopharmazeutika gibt es bereits Fortschritte, bei denen die Produktion durch erneuerbare Energien oder ressourcenschonende Methoden erfolgt. 

Drei Säulen: Dimensionen der Nachhaltigkeit

• Ökologische Nachhaltigkeit: Die Minimierung der Umweltauswirkungen durch den Einsatz umweltschonender Produktionsmethoden, die Reduzierung von Abfall und Emissionen sowie die effiziente Nutzung von Ressourcen

• Soziale Nachhaltigkeit: Der Schutz 
der Arbeitsbedingungen von Mitarbeiter:innen, die Förderung der Gesundheit und des Wohlergehens von Gemeinschaften sowie die Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu Medikamenten

• Ökonomische Nachhaltigkeit: 
Die Gewährleistung einer langfristigen wirtschaftlichen Stabilität und Rentabilität für Pharmaunternehmen, ohne die Umwelt oder die Gesellschaft zu schädigen

Abfallmanagement

Die Pharmaindustrie produziert eine Vielzahl an Abfällen, von denen einige umwelt- und gesundheitsgefährdend sind. Abfälle wie nicht verwendete Chemikalien, Lösungsmittel und Verpackungsmaterialien stellen ein großes Problem dar, genauso wie Arzneimittelrückstände, die nach der Anwendung in Gewässern landen und die Umwelt belasten. Einige pharmakologisch wirksame Substanzen sind biologisch schwer abbaubar und können über Jahre oder Jahrzehnte in der Umwelt verbleiben. Es ist also auch wichtig, Medikamente herzustellen, die eine geringere Umweltbelastung durch Ausscheidungen und Rückstände haben, welche nach der Anwendung in die Umwelt gelangen. Proteinbasierte Wirkstoffe können zum Beispiel gut abgebaut werden.
Ein zentraler Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie ist die Etablierung von Kreislaufwirtschaftsmodellen (Circular Economy). Dabei wird versucht, Materialien und Ressourcen nach der Nutzung wieder in den Produktionsprozess zurückzuführen. Pharmaunternehmen können dadurch Ressourcen sparen und die Abfallmenge reduzieren. Zudem kann die Einführung von „Zero-Waste“-Strategien, bei denen der gesamte Produktionsprozess auf Ressourcenschonung und Abfallvermeidung ausgerichtet ist, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

Nachhaltige Verpackungen

Ein Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie ist die Verpackung. Die neue Verpackungsverordnung der EU verlangt, dass ab 2030 alle Verpackungen recycelbar sind. Eine befristete Ausnahmeregelung für die Primärverpackungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten gibt es bis Ende 2034. Ab diesem Zeitpunkt müssen Verpackungen von Arzneimitteln, In-vitro-Diagnostika sowie Medizinprodukten zu mindestens 70 % recycelfähig sein. Heute besteht der größte Teil der Verpackungen aus Aluminium und Polyvinylchlorid. Aber auch Monoblister (also Blisterverpackungen, die nur aus einem einzigen Material bestehen) aus Polypropylen sind in Verwendung. Der Vorteil bei Produkten, die nur aus einem Material bestehen, ist, dass diese besser recycelt werden können. Beispiele für umweltfreundlichere Alternativen sind Salbentuben aus PET oder Bio-PET (aus Zuckerrohr), reine Papierblister, reine PET-Blister, diverse Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Cellulose oder Stärke sowie die Verwendung von Mehrdosenbehältnissen. Die Umstellung auf ökologisch verträglichere Verpackungen ist jedoch teuer für den Hersteller, da nicht nur Produktionsmaschinen umgestellt, sondern auch Zulassungen erneuert werden müssen, denn wenn Primärverpackungen ausgetauscht werden, müssen Testungen wie Stabilitätsprüfungen wiederholt werden. Das ist nicht nur kosten-, sondern auch zeitintensiv. Eine Möglichkeit zur Müllvermeidung wäre es auch, anstelle eines Beipacktextes einen QR-Code auf der Verpackung anzubringen. Darüber hinaus sollten Verpackungen effizient gestaltet sein, um Transportvolumen und Abfall zu reduzieren.

Ungleichheit und Überproduktion

Trotz des enormen Fortschritts in der Medizin haben viele Entwicklungsländer nach wie vor nur eingeschränkten Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Der hohe Preis von innovativen Arzneimitteln stellt eine wesentliche Barriere für eine gerechte Gesundheitsversorgung dar. Diese Ungleichheit verschärft die soziale Dimension der Nachhaltigkeit. Es kommt weltweit jährlich zu einer enormen Überproduktion von Medikamenten und riesigen Mengen nicht benötigter Arzneimittel. Teilweise können Arzneien aber auch aus logistischen und Kostengründen nicht an die Orte gebracht werden, wo sie benötigt würden. 
Ein faires Zugangsmodell wären Preisnachlässe für Entwicklungsländer. Ein Beispiel ist das Modell des „tiered pricing“, bei dem Medikamente zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, je nachdem, in welchem Land sie verkauft werden. Auch Partnerschaften zwischen Pharmaunternehmen und internationalen Organisationen wie der WHO oder den Vereinten Nationen können helfen, den Zugang zu Medikamenten zu erleichtern.

Kooperationen, Transparenz und Regulierungen

Ein weiterer Ansatz zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Regierungen und NGOs. Die Implementierung transparenter Berichterstattung über die Umweltauswirkungen und sozialen Maßnahmen eines Unternehmens ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und nachhaltige Praktiken zu fördern. Pharmaunternehmen, die Nachhaltigkeitsziele klar definieren und öffentlich kommunizieren, haben nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern tragen auch dazu bei, den gesamten Sektor in eine nachhaltigere Richtung zu lenken. 
Regierungen können durch die Einführung von Vorschriften und Standards für Umwelt- und Sozialverträglichkeit Druck auf die Pharmaunternehmen ausüben. Dies umfasst sowohl gesetzliche Vorgaben für die Reduktion von CO2-Emissionen als auch für faire Preisgestaltung und den Zugang zu Medikamenten. Darüber hinaus können auch Verbraucher:innen durch ihr Kaufverhalten eine Veränderung bewirken. Durch die Nachfrage nach umweltfreundlichen und fair hergestellten Arzneimitteln können Verbraucher:innen die Pharmaindustrie in eine nachhaltigere Richtung lenken.

Greenwashing

Diese Strategie wird häufig von Unternehmen verwendet, um ihr Image zu verbessern, den Verkaufswert zu steigern, das Vertrauen umweltbewusster Konsument:innen zu gewinnen und um auf den wachsenden Markt für nachhaltigere Produkte zu reagieren. Im Kontext der Pharmaindustrie ist Greenwashing besonders problematisch, da es das Vertrauen der Verbraucher:innen und der Öffentlichkeit in die Integrität von Unternehmen gefährdet. Ernsthafte Anstrengungen, die Gesamtauswirkungen ihrer Produktion auf die Umwelt zu minimieren, bleiben jedoch oft aus. 
So werden etwa vage und nicht überprüfbare Begriffe wie „grün“, „natürlich“, „nachhaltig“ oder „umweltfreundlich“ benutzt, ohne diese zu definieren oder zu belegen, oder nicht überprüfbare Labels oder Zertifikate verwendet, die entweder nicht von anerkannten Institutionen stammen oder keine klaren Standards erfüllen. Dies lässt das Produkt umweltfreundlicher erscheinen, als es tatsächlich ist. Unternehmen stellen häufig auch ein umweltfreundliches Detail ihres Produkts in den Vordergrund, während sie andere, weitaus schädlichere Aspekte ignorieren. Die Beteiligung an Kooperationen oder Partnerschaften mit echten Umweltorganisationen oder -initiativen kann auch genutzt werden, um ein umweltbewusstes Image zu fördern. Mehr als eine Marketingstrategie, die zu keinen greifbaren ökologischen Vorteilen führt, steht jedoch oft nicht dahinter. Greenwashing hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Wahrnehmung der Verbraucher:innen. Es erschwert Konsument:innen, echte, nachhaltige Unternehmen von denen zu unterscheiden, die lediglich auf Marketingtricks setzen. Es wird immer schwieriger, fundierte Entscheidungen zu treffen, wenn Unternehmen in ihrer Kommunikation mit grünen, umweltfreundlichen Botschaften arbeiten, die nicht durch konkrete Maßnahmen gestützt werden.

Quellen

•global.noharm.org/sites/default/files/documentsfiles/5961/HealthCaresClimateFootprint_092319.pdf, abgerufen am 27.3.2025
• bmj.gv.at/themen/Zivilrecht/Richtlinie-%C3%BCber-die-Nachhaltigkeitsberichterstattung-von-Unternehmen-
(CSRD,-Corporate-Sustainability-Reporting-Directive).html, abgerufen am 25.3.2025
• cphp-berlin.de/de/, abgerufen am 27.3.2025
• wko.at/oe/information-consulting/entsorgungs-ressourcenmanagement/vo-eu-2025-40.pdf, abgerufen am 25.3.2025
• vfa.de/de/wirtschaft-standort/pharma2030/pharma-2030-sustainable-pharmacy.html, abgerufen am 26.3.2025

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