APOkongress 2025: Ragweed, Ozon & Co

Allergien als ganzjährige Belastung

Dr.

Markus

Berger

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Wenn aus Schnupfen Asthma wird

Die Zahlen sind alarmierend. Weltweit leiden bereits 400 bis 500 Millionen Menschen an allergischer Rhinitis. Tendenz steigend. „Die Prävalenz ist steigend, mögliche Ursachen sind Luftverschmutzung und globale Erwärmung“, stellte Dr. Berger gleich zu Beginn seines Vortrags klar. Doch was viele unterschätzen: Die vermeintlich harmlose Pollenallergie kann sich im Laufe der Zeit zu einer ernsthaften Erkrankung entwickeln.

„Mit der Zeit kann es zu einem Etagenwechsel kommen und die Patient:innen können Asthma bronchiale ausbilden“, warnte der Referent. Hinzu kommen gravierende Einschränkungen der Lebensqualität. Chronische Schlafstörungen führen zu Tagesmüdigkeit, die Konzentrationsfähigkeit leidet. Beruf und Schule werden zur Herausforderung.

Luftschadstoffe als Symptomverstärker

Besonders beunruhigend sind die Erkenntnisse zu Umweltfaktoren. Feinstaub, speziell die PM2,5-Fraktion, dringt tief in die unteren Atemwege ein und löst dort Entzündungen aus. Noch problematischer wirkt sich Stickstoffdioxid aus. Dr. Berger verdeutlichte dies anhand eines konkreten Beispiels: „Dieselbe Menge an Pollen kann stärkere Beschwerden verursachen, wenn sie mit Stickstoff in Kontakt war.“

Eine zentrale Rolle spielt zudem bodennahes Ozon. Es entsteht bei intensiver UV-Einstrahlung und erreicht ausgerechnet im Sommer – während der Hauptpollensaison – Spitzenwerte. Eine eigene Studie für den Raum Wien belegte den direkten Zusammenhang: Erhöhte Ozonkonzentrationen führen zu verstärkten allergischen Beschwerden, da die Moleküle an Pollenoberflächen haften und Entzündungsreaktionen intensivieren können.

300 Tage Pollenflug – die neue Normalität

Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute dramatisch spürbar. Die Frühblühersaison beginnt durchschnittlich zwei Wochen früher als noch vor drei Jahrzehnten. Erle und Hasel blühen mittlerweile oft schon Mitte Jänner. Gleichzeitig steigt die Pollenproduktion massiv – bei der Esche wurde eine Verfünffachung dokumentiert.

Das Ausmaß verdeutlichte Dr. Berger mit einer eindrücklichen Zahl: „2024 hatten wir 300 Tage mit klinisch relevanten Pollen – nur mehr zwei Monate Verschnaufpause. Das ist ein deutlicher Unterschied zu vor 40 Jahren.“ Für Betroffene bedeutet dies: fast das ganze Jahr über Beschwerden, kaum noch symptomfreie Phasen.

Verschärft wird die Situation durch neue Allergenquellen. Das aus Nordamerika eingeschleppte Ragweed breitet sich kontinuierlich aus. Der vom Polleninformationsdienst initiierte „Ragweedfinder“ ermöglicht Bürger:innen, Fundorte zu melden, damit rechtzeitig vor der Blüte gemäht werden kann. Zudem tritt Artemisia annua, der Herbst-Beifuß aus Asien, verstärkt auf und verlängert die Kräutersaison bis Ende Oktober. Selbst am Weihnachtsmarkt droht Gefahr: Die Purpur-Erle, speziell für städtische Standorte gezüchtet, blüht bereits Mitte Dezember und verursacht die sogenannte „Keksallergie“.

Drei Säulen der Therapie

Die moderne Allergiebehandlung fußt auf einem klaren Konzept: Allergenkarenz, symptomatische Behandlung und allergen-spezifische Immuntherapie. Bei unzureichender Symptomkontrolle sollte frühzeitig eine Immuntherapie erwogen werden. Sie kann ab dem fünften Lebensjahr als Injektion (SCIT) oder sublingual (SLIT) durchgeführt werden. Mit einer Erfolgsrate von etwa 80 % stellt sie die einzige kausale Therapieoption dar – vorausgesetzt, die Behandlung wird konsequent über drei Jahre durchgeführt.

Für die Apothekenberatung betonte Dr. Berger einen fundamentalen Grundsatz: „Das Wichtigste ist, dass die Testergebnisse immer mit den Beschwerden korreliert werden.“ Positive Tests ohne entsprechende Symptome rechtfertigen keine Therapie. Patient:innen sollten gezielt auf den Österreichischen Polleninformationsdienst (www.polleninformation.at) hingewiesen werden, der stundenaktuelle Vorhersagen und einen KI-Assistenten bietet. Praktische Karenzmaßnahmen umfassen Pollenschutzgitter, HEPA-Luftreiniger und bei hoher Exposition FFP-Masken.

Hausstaubmilben ganzjährig im Fokus

Bei ganzjähriger Symptomatik sollte differenzialdiagnostisch an eine Hausstaubmilbenallergie gedacht werden. Als effektivste Sanierungsmaßnahme gelten Encasings – milbendichte Überzüge für Matratzen und Bettwäsche. Ergänzend empfiehlt sich wöchentliches Waschen bei mindestens 60 °C sowie eine Luftfeuchtigkeitskontrolle unter 50 %. Persistieren die Beschwerden trotz konsequenter Sanierung, sollte eine Immuntherapie in Betracht gezogen werden.

Wichtig für die Beratung sind zudem Kreuzreaktionen: Birkenpollenallergiker:innen reagieren häufig auf Haselnüsse und Äpfel, Eschenpollenallergiker:innen müssen im Mittelmeerraum mit Beschwerden durch Olivenpollen rechnen.

Fazit für die Praxis

Inhalative Allergien entwickeln sich durch Klimawandel und Luftverschmutzung zu einer wachsenden Herausforderung im Gesundheitssystem. Die drastische Verlängerung der Pollensaison, neue Allergenquellen und die Intensivierung der Symptomatik erfordern proaktive pharmazeutische Betreuung. Apothekerinnen und Apotheker sollten ihre Patienten frühzeitig über moderne Karenzstrategien aufklären, die Bedeutung konsequenter symptomatischer Therapie betonen und bei inadäquater Symptomkontrolle zur allergologischen Abklärung raten. Der Österreichische Polleninformationsdienst bietet dabei eine wertvolle, wissenschaftlich fundierte Ressource für die evidenzbasierte Patientenberatung.

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