Alkoholverzicht in der Fastenzeit

Was bringt Alkoholfasten?

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Frau lehnt Glas Wein ab © Shutterstock
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Dass starker Alkoholkonsum im Allgemeinen nicht förderlich für die Gesundheit ist, gilt als unumstritten. Weniger eindeutig ist die Datenlage bei moderatem Trinkverhalten. Österreich liegt mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 11,9 Liter Reinalkohol etwas über dem EU-Durchschnitt1, kann aber keineswegs als „Land der Alkoholiker:innen“ bezeichnet werden. 5 % der Österreicher:innen sind alkoholkrank, weitere 9 % gelten als gefährdet. Demgegenüber stehen die restlichen 86 % der Bevölkerung, die entweder gar nicht trinken oder Alkohol in einem unbedenklichen bis „relativ unproblematischen“ Ausmaß konsumieren.2

Was bringt kurzzeitiger Alkholverzicht?

Der Verzicht auf Alkohol zählt zu den beliebtesten Fastenvorsätzen. Und tatsächlich erreicht man bereits mit einer kurzzeitigen Abstinenz eine ganze Reihe positiver Veränderungen. 

Verbesserte Leberwerte

Die Leber profitiert ohne Zweifel am meisten vom Alkoholfasten. Die Effekte lassen sich schon nach kurzer Zeit im Laborbefund an den Leberwerten erkennen. Das zeigen u.a. die Ergebnisse aus einer britischen prospektiven Beobachtungsstudie: Nach einem Monat Alkoholverzicht war die GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) in der Abstinenzgruppe im Vergleich zur trinkenden Kontrollgruppe um signifikante 14 % niedriger, die GGT (gamma-Glutamyltransferase) sogar um 28 %. Die GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) wurde nur geringfügig beeinflusst (-5 %).3

Blutdruck sinkt

Alkohol wirkt stimulierend auf das vegetative Nervensystem: Der Herzschlag wird beschleunigt, der Blutdruck erhöht. Trinkt man regelmäßig Alkohol, ist auch der Blutdruck chronisch erhöht. Die Konsequenzen sind bekannt: Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall und andere folgenschwere Durchblutungsstörungen. Eine große brasilianische Studie (ELSA-Brasil, n=7.655) untersuchte den Zusammenhang zwischen Hypertonie und Alkoholkonsum. Die Resultate waren eindeutig: Ein moderater bis starker Alkoholkonsum korrelierte direkt mit zu hohen Blutdruckwerten.4 Die Effekte sind dosisabhängig und besonders ausgeprägt, wenn mehr als fünf Getränke pro Tag konsumiert werden.5 Umgekehrt lässt sich der Blutdruck bereits nach kurzzeitiger Abstinenz senken – um etwa 6,5 % nach vier Wochen.3 Die ESC-Leitlinie zur kardiovaskulären Prävention empfiehlt, den Alkoholkonsum auf max. 100 g Reinalkohol pro Woche zu beschränken – Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden hier nicht gemacht.6

Bessere Schlafqualität

Nach Alkoholkonsum leidet die Schlafqualität: Die Nächte werden als weniger erholsam empfunden.7 Das liegt vermutlich an einer erhöhten Alphawellenaktivität im Gehirn. Ohne den Genuss von alkoholischen Getränken gelangt man schneller in eine tiefe, erholsamere Schlafphase. Die Konsequenzen sind mehr Lebensenergie und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit. Das Einschlafen hingegen fällt den meisten Menschen nach einem Glas Wein oder Bier leichter. Alkohol setzt die Gehirntätigkeit herab. Dadurch kommt man abends leichter zu Ruhe und kann den Stress des Tages vergessen. Bei regelmäßigem Gebrauch geht der Effekt jedoch durch Toleranzentwicklung verloren. 

Ohne den Genuss von alkoholischen Getränken gelangt man schneller in eine tiefe, erholsame Schlafphase. Dadurch fühlt man sich am Morgen fitter und leistungsfähiger. © Shutterstock
Ohne den Genuss von alkoholischen Getränken gelangt man schneller in eine tiefe, erholsame Schlafphase. Dadurch fühlt man sich am Morgen fitter und leistungsfähiger. © Shutterstock


Gewichtsverlust

Alkohol führt zu Übergewicht. Denn einerseits haben alkoholische Getränke per se reichlich Kalorien. Ein Gramm reiner Alkohol enthält 7 kcal – das ist fast so viel wie ein Gramm Fett (9 kcal) und beinahe doppelt so viel wie ein Gramm Zucker (4 kcal). Zusätzlich macht Alkohol indirekt dick. Denn der Appetit wird angekurbelt, und der Fettstoffwechsel verschlechtert sich. In der zuvor bereits zitierten britischen Beobachtungsstudie hatten die Proband:innen in der Abstinenzgruppe nach einem Monat etwa 1,5 % ihres ursprünglichen Gewichts verloren – und das ohne eine zusätzliche Ernährungsumstellung. 

Ein Monat ohne Alkohol
 Die SUSSEX-Studie

Gute Daten zu den positiven Effekten eines kurzzeitigen Alkoholverzichts gibt es aus Großbritannien. 

Dort wird jährlich zur Alkoholfrei-Kampagne „Dry January“ aufgerufen. Forscher:innen der Universität Sussex verfolgten 815 Teilnehmer:innen dieser Aktion mit Fragebögen.9 Und bereits nach 31 Tagen Abstinenz zeigten sich beeindruckende Ergebnisse: 

- 71 % berichteten eine bessere Schlafqualität

- 67 % hatten mehr Energie

- 58 % verloren an Gewicht

- 57 % konnten sich besser konzentrieren 

- 54 % hatten ein besseres Hautbild

Bemerkenswert waren auch die langfristigen Auswirkungen: Mehr als 70 % gaben an, dass sich ihr Gesundheitszustand im Allgemeinen verbessert hatte und sie auch mehrere Monate nach der Kampagne noch immer weniger Alkohol konsumierten.


Ist moderater Alkoholkonsum gesund?

In der Literatur findet sich eine nicht unbeachtliche Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die zum Schluss kommen, dass ein leichter bis moderater Alkoholkonsum sogar positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Insbesondere das kardiovaskuläre Risiko soll sich günstig beeinflussen lassen. 

So ergab eine große Metaanalyse (n=16.351) aus dem Jahr 2010, dass ein moderater Alkoholkonsum mit einer signifikant niedrigeren kardiovaskulären Mortalität assoziiert war.10 Den besten kardiovaskulären Schutz bietet der Studie zufolge ein täglicher Konsum von 5−10 g Reinalkohol. Die Kurve zeigt einen J-förmigen Verlauf – bei größeren Mengen schlagen die Effekte also schnell ins Gegenteil um. 

Eine andere große Kohortenstudie vom schwedischen Karolinska-Institut verfolgte über 67.000 Personen mittleren Alters über 15 Jahre. Dabei zeigte sich, dass ein mäßiger Alkoholkonsum lebensverlängernd wirkte – nämlich um ganze 1,5 Jahre bei Frauen bzw. 1,3 Jahre bei Männern. Das „lebensverlängerte Optimum“ lag für Frauen bei 6 g Reinalkohol pro Tag, bei Männern bei 15 g/d.11

Neuere Untersuchungen stellen diese Erkenntnisse jedoch zunehmend infrage.12 Eine von der WHO zitierte Studie macht deutlich, dass es keinen unbedenklichen Alkoholkonsum gibt.13 Die geringfügigen positiven Effekte werden durch andere, wesentlich größere Risiken in den Schatten gestellt, bspw. durch das erhöhte Risiko für bestimmte Krebserkrankungen. 

Alkohol ist demnach definitiv nicht gesundheitsfördernd; und selbst aus den positiven Studien lässt sich keineswegs eine Empfehlung zum Alkoholkonsum ableiten. Gegen ein gelegentliches Glas in Gesellschaft ist sicher nichts einzuwenden – ab einer bestimmten Menge leidet allerdings die Gesundheit. Die Entwicklung in Richtung „bedenklicher Konsum“ verläuft oft schleichend und wird gerne bagatellisiert.

Im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren ist die konsumierte  Menge an Reinalkohol entscheidend. Ob man diesen in Form von Bier, Wein oder Hochprozentigem zu sich nimmt, ist gleichgültig. © Shutterstock
Im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren ist die konsumierte Menge an Reinalkohol entscheidend. Ob man diesen in Form von Bier, Wein oder Hochprozentigem zu sich nimmt, ist gleichgültig. © Shutterstock


Wie viel ist zu viel?

Als Harmlosigkeitsgrenze definiert die WHO 16 g (Frauen) bzw. 24 g (Männer) Reinalkohol pro Tag. Ab 40 g/d (Frauen) bzw. 60 g/d (Männer) besteht eine hohe Gesundheitsgefährdung. Empfohlen werden außerdem mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche. Wer regelmäßig und langfristig zu viel trinkt, riskiert schwere Gesundheitsfolgen. Alkohol ist nicht nur die Hauptursache für Leberzirrhose, sondern auch an der Entstehung von mehr als 200 weiteren Krankheiten beteiligt – darunter Organschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
psychische Störungen sowie bestimmte Krebsarten. 

Im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren ist schlussendlich nur die konsumierte Menge an Reinalkohol von Bedeutung. Ob man diese in Form von Bier, Wein, Schnaps oder sonstigen alkoholischen Getränken zu sich nimmt ist gleichgültig. (Abgesehen davon, dass süße Mischgetränke jede Menge Zucker enthalten). Eine grobe Einordnung, wie viele Gläser an Bier, Wein bzw. Schnaps den jeweiligen Mengen an Reinalkohol entsprechen, findet sich in der Tabelle.

Tabelle
Menge an Reinalkohol in verschiedenen Getränken14
Volumen 
Reinalkohol

Gewicht 
Reinalkohol

Wein 
(1/4 l Glas)

Bier 
(0,5 l  Glas)

Schnaps 
(0,02 l Glas)

25 ml20g113
50 ml40g226
70 ml60g339
100 ml80g4412
125 ml100g5515

Fazit 

Neben all den genannten gesundheitlichen Effekten ist der kurzzeitige Verzicht auf Alkohol v. a. auch eine wichtige Erfahrung, die langfristig zu einem bewussteren Umgang mit Alkohol beiträgt. Es bietet eine gute Gelegenheit, einen allzu sorglosen Konsum zu durchbrechen und Gewohnheiten zu hinterfragen. Und damit lässt sich die Gesundheit auch auf lange Sicht positiv beeinflussen. 

Quellen

 1   https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1193702/umfrage/
pro-kopf-verbrauch-von-reinem-alkohol-in-ausgewaehlten-laendern-europas/
; abgerufen am 25.2.2022 
2   Mechtcheriakov S.: Alkohol: Zwischen Genuss und Gefahr. Dachverband der Sozialversicherungsträger 4. Auflage; 2021
3   Mehta G. et al.: Short-term abstinence from alcohol and changes in cardiovascular risk factors, liver function tests and cancer-related growth factors: a prospective observational study. BMJ open 2018;8(5): e020673-e73
4   Santana N.M.T. et al.: Consumption of alcohol and blood pressure: Results of the ELSA-Brasil study. PLOS ONE 2018;13(1): e0190239
5   Weber T. et al.: Austrian Consensus on High Blood Pressure 2019. Wien Klin Wochenschr 2019;131: 489−590

Weitere Quellen auf Anfrage

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