Podiumsdiskussion   

„Die Zukunft der Gesundheits-und Arzneimittel-Nahversorgung“

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Das Podium (v. l. n. r.): Hans-Peter Hubmann, Moderator Köksal Baltaci, Waltraud Stromer, Maria M. Hofmarcher-Holzhacker,  Thomas W. Veitschegger, Alexander Biach © Roland Rudolph
Das Podium (v. l. n. r.): Hans-Peter Hubmann, Moderator Köksal Baltaci, Waltraud Stromer, Maria M. Hofmarcher-Holzhacker, Thomas W. Veitschegger, Alexander Biach © Roland Rudolph

In Kooperation mit der Tageszeitung Die Presse werden jedes Jahr verschiedene Persönlichkeiten aus dem Gesundheitssystem zu einer Gesprächsrunde über aktuelle Themen eingeladen. Moderiert von Gesundheitsredakteur Köksal Baltaci war der Titel der diesjährigen Veranstaltung „Zwischen Wirtschaftsdruck und Online-Trend: Die Zukunft der Gesundheits- und Arzneimittel-
Nahversorgung“.

Positionen und Forderungen Raum verschaffen


„Die jährliche Podiumsdiskussion ist für uns ein Format, in dem wir die Perspektiven anderer Stakeholder zu unseren Themen hören und diesen dann unsere Positionen gegenüberstellen. Mit diesem Austausch verschaffen wir unseren Anliegen Gehör, stellen sie in der Debatte auf den Prüfstand und lernen unsere Mitspieler im System besser kennen. Der lockere Rahmen im Anschluss an die Diskussion bietet zudem Gelegenheit für bilaterale Gespräche, in denen manche Themen vertieft und Kontakte für unsere politische Arbeit gefestigt werden“, beschreibt Verbandspräsident Mag. pharm. Thomas W. Veitschegger die Zielsetzung der Veranstaltung. Mit ihm haben sich in diesem Jahr Dr. Alexander Biach, Generaldirektor der SVS, Maria M. Hofmarcher-Holzhacker, Ökonomin mit Spezialisierung auf Gesundheits- und Sozialpolitik, Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), und Dr. Waltraud Stromer, Ärztin und Vize-Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), ins Thema vertieft.

Apotheken unverzichtbar


„Die öffentlichen Apotheken bilden das Rückgrat der Gesundheitsversorgung in Österreich – 95 % der Bevölkerung erreichen die nächste Apotheke in weniger als zehn Minuten und finden dort einen niederschwelligen Zugang zu gesundheitlichen Leistungen. Damit bilden sie das Kernelement der wohnortnahen Versorgung. Gleichzeitig müssen unsere Betriebe unverzichtbare Vorsorgeleistungen wie die Nacht- und Bereitschaftsdienste aus eigener Tasche finanzieren und geraten durch ausländische Onlinehändler und unzureichende Vergütungen wirtschaftlich immer mehr unter Druck“, beschreibt Verbandspräsident Veitschegger die Situation. 

„Wir bieten pharmazeutisches Know-how  auf akademischem Niveau, sind jederzeit erreichbar und arbeiten nach höchsten Standards. Dieses System muss abgesichert werden“, so Thomas W. Veitschegger © Roland Rudolph
„Wir bieten pharmazeutisches Know-how auf akademischem Niveau, sind jederzeit erreichbar und arbeiten nach höchsten Standards. Dieses System muss abgesichert werden“, so Thomas W. Veitschegger © Roland Rudolph

Ein Befund, der auch auf Deutschland zutrifft, wie Hans-Peter Hubmann festhält. Rund 5.000 Apotheken sind in den letzten 20 Jahren in der Bundesrepublik verloren gegangen – als Hauptproblem ortet er die nicht gestiegene Vergütung apothekerlicher Leistungen. Die Online-Konkurrenz macht den Betrieben das Überleben zusehends schwer – vor allem, seit auch rezeptpflichtige Arzneimittel versendet werden dürfen.


Lob für die Apotheken kommt von der Ärztin Waltraut Stromer. Sie seien in der Schmerztherapie unverzichtbare Kooperationspartner und ein Sicherheitsfaktor für die Patient:innen. Durch pharmazeutische Checks werde sichergestellt, dass medikamentöse Therapien richtig angewandt und Wechselwirkungen vermieden werden. Dass Online-Anbieter ein ähnliches Versorgungsniveau anbieten können, bezweifelt sie in ihren Diskussionsbeiträgen. Vielmehr ortet sie eine „Gefahr für die Gesundheitssituation der Menschen.“

Podiumsdiskussion © Roland Rudolph
© Roland Rudolph

Drei Aspekte stellt SVS-Generaldirektor Biach in den Vordergrund: Das österreichische Bedarfsprüfungssystem schafft ein engmaschiges Netz zur Verteilung von Arzneimitteln mit der dazugehörenden professionellen Betreuung durch Pharmazeut:innen. Die Verfügbarkeit dieses Netzes rund um die Uhr muss gewährleistet bleiben. Und es braucht umfassende Informationen zu Medikamenten, um Wechselwirkungen zu vermeiden. Dabei hält er auch fest: Der Online-Handel kann nicht abgewehrt werden – die Frage ist, wie man damit umgeht. Dazu müssen die Apotheken weiterhin mit Qualität, Sicherheit und Know-how punkten, aber auch „internetfähiger“ werden.


Daran knüpft Gesundheitsökonomin Hofmarcher-Holzhacker an, die den Online-Handel ebenfalls als Faktum verstanden wissen will. Sie sieht die Struktur des Arzneimittelmarktes als Dreiecks-Konstellation, in der die öffentliche Apotheke, ärztliche Abgabestellen für Medikamente und der Online-Handel nebeneinander existieren. Um dabei ein Faktor zu bleiben, müssten die Apotheken „patienten-orientiert“ arbeiten. Dem hält Verbandspräsident Veitschegger entgegen, dass die öffentliche Apotheke nach anderen Spielregeln agieren muss als internationale Konzerne. Dadurch entsteht ein ungleiches Verhältnis, durch das die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gefährdet wird. „Wir bieten pharmazeutisches Know-how auf akademischem Niveau, sind einfach und jederzeit erreichbar und arbeiten nach höchsten Standards. Dieses System muss abgesichert werden – umso mehr, wenn der Kostendruck steigt und für unsere Konkurrenz andere Vorgaben gelten. Das schafft eine Wettbewerbsverzerrung, die sich letztlich negativ auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auswirken wird. Dagegen kämpfen wir an“, betont Veitschegger.

„Ich freue mich, dass unser Event wieder rund 80 Gäste aus dem gesamten Gesundheitssystem angezogen hat. Die Debatte am Podium war intensiv, spannend und stets wertschätzend – eine wichtige Voraussetzung für weitere Gespräche, bei denen man sich immer auf Augenhöhe begegnen muss. Was wir jedenfalls gesehen haben: Die Bedeutung der öffentlichen Apotheke wird wahrgenommen, dass nicht alles eitel Wonne ist, ebenfalls – diese Botschaft unsererseits ist angekommen. Mit der Themensetzung haben wir einen Nerv getroffen. Das zeigt auch, dass ein internationaler Onlinehändler eine mehrköpfige Delegation zu unserer Veranstaltung geschickt hat. Klar ist, dass wir uns vor dieser Debatte nicht fürchten“, blickt der Verbandspräsident auf den Abend zurück.

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