FAKT 1
Impfen in Apotheken ist international bewährt und für Österreich überfällig
Hintergrund: Impfen in Apotheken ist eine eigenständige, bewährte Public-Health-Maßnahme – keine Verhandlungsmasse im gesundheitspolitischen Interessenausgleich.
Die Faktenlage ist eindeutig: In 15 europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, Polen, Portugal, Norwegen, Rumänien, Schweiz, Vereinigtes Königreich) sind Apothekenimpfungen längst etabliert und erhöhen nachweislich die Durchimpfungsraten. Meta-Analysen randomisierter kontrollierter Studien zeigen eine signifikante Steigerung der Impfraten. Für Österreich wäre das Potenzial immens. Mit einer Influenza-Impfrate von nur 21,4 % bei über 65-Jährigen (WHO-Ziel: 75 %) und dem EU-Schlusslicht bei Keuchhusten bei der kindlichen Grundimmunisierung besteht dringender Handlungsbedarf.
FAKT 2
2.900 Apotheker:innen warten auf grünes Licht
Hintergrund: Die ÖÄK signalisiert bedingte Offenheit für das Impfen in Apotheken, impliziert aber gleichzeitig, dass Apotheken aktuell gewisse rechtliche oder hygienische Voraussetzungen noch nicht erfüllen, ohne diese konkret zu benennen.
Die Faktenlage ist eindeutig:
• 2.900 österreichische Apotheker:innen sind nach zertifizierten Standards geschult und stehen in den Startlöchern.
• Die einzige fehlende rechtliche Voraussetzung ist die gesetzliche Erlaubnis selbst.
• Alle anderen Standards (Räumlichkeiten, Hygiene, Notfallmanagement) sind in modernen Apotheken erfüllbar und werden bereits in ganz Europa erfolgreich umgesetzt.
FAKT 3
Vermischung zweier Probleme: Lieferengpässe ja, gefährdete Arzneimittelversorgung nein
Hintergrund: Die ÖÄK begründet ihre Forderung nach dem ärztlichen Dispensierrecht mit dem Argument,
die Arzneimittelversorgung in Österreich sei gefährdet.
Diese Darstellung vermischt systematisch zwei verschiedene Sachverhalte. Lieferengpässe sind real, aber ein globales Herstellerproblem – nicht ein strukturelles Versorgungsproblem des Apothekensystems. Österreichs 1.470 Apotheken bewältigen über 90 % aller Lieferengpässe erfolgreich durch Ersatzpräparate, eigene Herstellung oder Import. In nahezu allen Fällen stehen wirkstoffgleiche Medikamente oder therapeutisch gleichwertige Ersatzpräparate zur Verfügung und Apotheker:innen finden eine Lösung vor Ort.
FAKT 4
400 neue Kassenärzt:innen durch Hausapotheken“ ist eine Prognose ohne Kausalzusammenhang
Hintergrund: Die ÖÄK argumentiert, dass flexiblere Hausapotheken-Regelungen einen wesentlichen Anreiz für die Besetzung offener Kassenstellen darstellen und auf Basis einer Studie bis zu 400 zusätzliche Kassenärzt:innen gewonnen werden könnten.
Die Zahl 400 basiert auf einem von der ÖÄK finanzierten Beraterbericht von Kreutzer Fischer & Partner (Juli 2023). Die Österreichische Apothekerkammer kritisierte diese „Studie“ bereits in der Vergangenheit als „unprofessionell“ und „vollkommen unwissenschaftlich“ – mit konkreten Belegen: fehlerhafte Berechnungen, Verwechslung zentraler Fachbegriffe, mathematische Fehler.
Entscheidender noch: Der behauptete Kausalzusammenhang ist nicht belegt. Deutschland hat keine ärztlichen Hausapotheken und leidet unter identischem Ärztemangel mit identischen Ursachen: Bürokratie, Arbeitsbedingungen, Vergütungssysteme. In der Schweiz, wo Ärzt:innen in vielen Kantonen das Dispensierrecht haben, gibt es ebenfalls Hausärztemangel. Es handelt sich um ein systemisches Problem aller deutschsprachigen Länder, unabhängig vom Dispensierrecht.
FAKT 5
Wer verschreibt, soll nicht am Verkauf verdienen
Hintergrund: Österreich steht mit dem Modell der ärztlichen Hausapotheken in der EU weitgehend allein da. Die meisten EU-Mitgliedstaaten trennen strikt zwischen Verschreibung und Abgabe von Medikamenten.
Der Grund für die Trennung von Verschreibung und Abgabe in Europa liegt in einem gesundheitspolitischen Grundprinzip: Wer verschreibt, soll nicht gleichzeitig am Verkauf verdienen. Dieses Prinzip zur Vermeidung von Interessenskonflikten wird international als wichtiger Bestandteil rationaler Arzneimittelverwendung diskutiert. In öffentlichen Apotheken hingegen erfolgt die Beratung unabhängig von Verschreibungsinteressen – hier kann neutral über Alternativen oder Verzichtbarkeit beraten werden.
Fazit
Der „Tauschhandel“ der Ärztekammer verkennt, worum es gehen sollte: um die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung. Die Apothekerschaft bietet keine Verhandlungsmasse, sondern evidenzbasierte Lösungen: niederschwellige Impfangebote, Medikationsanalysen zur Arzneimittelsicherheit, Diabetes-Screenings zur Früherkennung, telemedizinische Entlastung von Ambulanzen. Das sind keine Bedrohungen der ärztlichen Versorgung, sondern sinnvolle Ergänzungen im Sinne der Patient:innen.