Glycyrrhiza

Süßholzwurzel

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Getrocknete Stäbe von Süßholzwurzel auf weißem Hintergrund. © Shutterstock
Die Süßholzwurzel wurde schon im antiken Griechenland medizinisch verwendet. © Shutterstock

Das Süßholz (Glycyrrhiza glabra L.) gehört zur Familie der Fabaceae (Schmetterlingsblüten­gewächse). Der Verbreitungsschwerpunkt lag ursprünglich von Südosteuropa bis nach Zentralasien, heutzutage findet man diese aber auch in Afrika und Australien. Sowohl der wissenschaftliche Name Glycyrrhiza (gr. glykys = süß, gr. rhiza = Wurzel) als auch der deutsche Name Süßholz stammen vom süßen Geschmack der Wurzel. Liquiritia und Lakritze sind spätere sprachliche Umwandlungen von Glycyrrhiza.

Typische botanische Merkmale der Süßholzwurzel sind die lila Schmetterlings­blüten. Die Blätter stehen wechselständig, sind unpaarig gefiedert und bestehen aus drei bis sieben Paaren kurzgestielter Fiederblättchen und einem Endfiederblatt. Die Wurzel ist fingerdick, außen braun und innen blassgelb gefärbt.

Die medizinische Anwendung lässt sich zumindest bis ins antike Griechenland zurückverfolgen und reicht bspw. bei Dioskurides von der Anwendung als Wundheilmittel bis zur innerlichen Anwendung bei Husten und Halsschmerzen. Aus der Wurzel wird durch Auskochen auch der süß schmeckende Saft (Liquiritiae succus) gewonnen, der zusammen mit Zucker, Mehl, Stärke und Gelatine zur Lakritze weiterverarbeitet werden kann. 1925 wurde Lakritze erstmals in Deutschland von Hans Riegel in Bonn industriell produziert und hat sich in den darauffolgenden Jahrzehnten in kürzester Zeit zu einer beliebten Süßware entwickelt. Die Droge kommt hauptsächlich aus China, Russland und dem Mittelmeerraum, wo Süßholz teilweise auch kultiviert wird.

Arzneilich verwendete Droge

Im Europäischen Arzneibuch wird Süßholzwurzel (Liquiritiae radix) als die getrocknete geschälte oder ungeschälte, ganze oder zerkleinerte Wurzel samt Ausläufern (Stolonen) von Glycyrrhiza glabra L. und/oder Glycyrrhiza inflata Bat. und/oder Glycyrrhiza uralensis Fisch. mit einem Mindestgehalt von 4 % 18-ß-Glycyrrhizinsäure – bezogen auf die getrocknete Droge – definiert.

Daneben findet sich im Arzneibuch auch eine Monographie eines Trocken- und eines Flüssigextraktes. Der Trockenextrakt dient als Geschmackskorrigens (Liquiritiae extractum siccum ad saporandum) und enthält 5−7 % 18ß-Glycyrrhizinsäure.

Der Flüssigextrakt (Liquiritiae extractum fluidum ethanolicum normatum) wird mit 70 % Ethanol hergestellt und enthält 3−5 % 18ß-Glycyrrhizinsäure.

Im ÖAB ist weiters die Monographie Quantifizierter Süßholzwurzelfluidextrakt (Liquiritiae extractum fluidum quantificatum) mit einem geforderten Gehalt von 0,6–1,7 % Glycyrrhizinsäure enthalten. Dieser wird anders als der Fluidextrakt im Ph. Eur. mit Ammoniak-Zusatz hergestellt.

Inhaltsstoffe und pharmakologische Wirkungen

Die Süßholzwurzel enthält je nach Herkunft 2−15 % Triterpenglykoside mit der Hauptkomponente Glycyrrhizinsäure („Glycyrrhizin”), welche in der Pflanze als Gemisch aus K- und Ca-Salzen vorliegt. Im Darm werden die Zuckerkomponenten (2 Glucuronsäuren) der Glycyrrhizinsäure abgespalten, und es entsteht das Aglykon Glycyrrhetinsäure, welches in die Leber transportiert und dann durch Phase-II-Biotransformation in Glucuronid- und Sulfatkonjugate metabolisiert und über das Gallensystem ausgeschieden wird.

Glycyrrhizin ist auch maßgeblich für den süßen Geschmack der Wurzel verantwortlich und besitzt etwa die 170-fache Süßkraft von Rohrzucker.1 In geringeren Konzentrationen finden sich in der Wurzel weitere Triterpenglykoside wie 24-Hydroxy-glycrrhizin oder die Sojasaponine I und II. Daneben enthält die Wurzel auch Flavonoide wie Liquiritin, das gelb gefärbte Isoliquiritin und prenylierte Flavonoide und Isoflavonoide wie Glabridin, Cumarine, saure Polysaccharide sowie ätherisches Öl.2

Antiphlogistische Wirkung
Glycyrrhetinsäure hemmt das Enzym 11ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, wodurch die Umwandlung von Cortisol in Cortison vermindert wird. Dadurch steigt der Cortisolspiegel im Körper an.2 Glycyrrhetinsäure hemmt auch die Komplement-Aktivierung des unspezifischen Immunsystems. An Zellmodellen reduzierte ein Süßholzwurzelextrakt u. a. auch die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und der Metalloproteinase-3.3 Außerdem moduliert die Glycyr-rhizinsäure Enzyme wie iNOS und Transkriptionsfaktoren wie NF-κB, die häufig an Entzündungen beteiligt sind.4

Antitussive und expektorierende Wirkung
Süßholzwurzel wurde bereits in der Antike als wirksames Hustenmittel bezeichnet. Dies konnte zuletzt auch durch einen Versuch an Mäusen untermauert werden. Die Flavonoide Liquiritin, Liquiritinapiosid und Liquiritigenin reduzierten die Hustenfrequenz um 30–78 %. Außerdem zeigten diese Substanzen im Laufe einer dreitägigen Behandlung eine ausgeprägte expektorierende Wirkung.5

Antiulzerogene Wirkung
In Tierversuchen an Ratten konnte durch die Gabe von Süßholzwurzel die Entstehung von Magenulzera verhindert werden. Dies kann über eine Reduktion der Magenazidität und eine Erhöhung der Mucin- und Prostaglandin-E2-Bildung erklärt werden. Dass hierbei nicht nur die Triterpenglykoside beteiligt sind, lässt sich aus mehreren Versuchen ableiten, bei welchen bspw. vor allem die in der Süßholzwurzel enthaltenen Licoflavone Magenulzera reduzierten.6

Antivirale und antimikrobielle Wirkung
Glycyrrhizin erwies sich in mehreren In-vitro-Untersuchungen als antibakteriell gegenüber grampositiven und gramnegativen Bakterien sowie antiviral u. a. gegen Herpes simplex Typ 1, Herpes zoster, Coronaviren, HIV und Hepatitis A und B.7,8

Aktuell wird die Süßholzwurzel aufgrund der bekannten Wirkungen gegenüber Coronaviren auch sehr intensiv hinsichtlich möglicher Anwendungen bei Patienten mit COVID-19 untersucht.9

Klinische Studien

Lakritze in einer Schüssel © Shutterstock
Süßholzwurzel kann in Form einer Teezubereitung, als alkoholischer Auszug, Trockenextrakt oder als Lakritze verwendet werden. © Shutterstock

In den letzten Jahrzehnten sind im Hinblick auf einen therapeutischen Nutzen von Süßholzwurzel und Lakritze eine Vielzahl von Studien zu diversen Indikationen durchgeführt worden. Unter anderem wurde bereits in den 1970er-Jahren in mehreren Studien ein eindeutiger Nutzen von Süßholzwurzel bei Magenulzera und dyspeptischen Beschwerden nachgewiesen. Einen eindeutigen Nutzen zeigte Süßholzwurzel in diesem Zusammenhang auch bei der Eradikation von Heliobacter pylori. In einer zuletzt durchgeführten Studie wurde an 120 Patienten die Anwendung einer auf Clarithromycin basierenden Triple-Therapie samt Süßholzwurzel gegenüber einer Vergleichsgruppe, die nur die Clarithromycin-basierte Triple-Therapie erhielt, verglichen. In der Verumgruppe schlug die Therapie – und letztlich die vollständige Eradikation – wesentlich besser an (83 % vs. 62,5 % in der Kontrollgruppe).10

Ausgehend aus Berichten aus der persischen Erfahrungsheilkunde wurde in einer weiteren Studie auch ein möglicher Benefit bei Parkinson untersucht. In dieser verblindeten randomisierten Studie mit 128 Teilnehmern erhielten die Patienten in der Verumgruppe über sechs Monate 2 x täglich 5 ml eines Lakritzesirups (eine Dosis enthielt je 136 mg eines Süßholzextraktes bzw. 12,14 mg). Bereits nach sechs Wochen konnte eine Verbesserung des Tremors beobachtet werden, nach vier Monaten verbesserte sich auch der motorische Test. Erwähnenswerte Nebenwirkungen einschließlich Elektrolytverschiebungen oder Änderungen des Blutdruckes konnten nicht festgestellt werden.11

Klinische Daten sind auch für eine mögliche Anwendung bei allergischer Rhinitis verfügbar. In einer aktuellen Studie wurde die Wirksamkeit eines Nasensprays mit Glycyrrhizin-säure gegenüber einem Nasenspray mit Mometason an insgesamt 50 Studienteilnehmern verglichen. Das Nasenspray mit Glycyrrhizinsäure erwies sich im Untersuchungszeitraum von zwei Monaten als ähnlich wirksam wie Mometason.12

Außerdem gibt es mehrere Studien, die Süßholzwurzel zur Prophylaxe postoperativer Irritationen im Mund- und Rachenraum untersuchten. In einer Studie an 40 Patienten wurde bspw. eine prophylaktische Spülung mit 30 ml einer wässrigen Süßholzzubereitung aus 0,5 g Süßholzwurzel gegenüber einer Spülung mit Wasser 5 Minuten vor einer endotrachealen Intubation im Zuge einer Laminektomie verglichen. In der Verumgruppe kam es zu deutlich verringerten Halsschmerzen und Hustenattacken nach diesem für die Schleimhäute sehr irritierenden Eingriff.13

In einer chinesischen Studie wurde ein möglicher Benefit eines Lollipops mit einem nicht näher definierten Extrakt aus Glycyrrhiza uralensis als Kariesprophylaxe untersucht. Hierbei reduzierte der Lollipop nach drei Wochen signifikant die Konzentration von Streptococcus mutans – einem Bakterium, dessen Konzentration mit dem Kariesrisiko korreliert – im Mundraum der Kinder. Die natürliche Mundflora der Kinder wurde ansonsten nicht negativ beeinflusst.14

Wissenschaftlich bewertete Anwendungen

Seitens des HMPC wurde der Süßholzwurzel der Status eines traditionellen Arzneimittels verliehen („traditional use“). Sinnvoll ist diese bei dyspeptischen Beschwerden und Sodbrennen sowie als schleimlösendes Mittel bei erkältungsbedingtem Husten.

Typische Zubereitungen, Tagesdosierung und Anwendungsdauer

Süßholzwurzel kann in Form einer Teezubereitung, als alkoholischer Auszug, Trockenextrakt oder als Lakritze verwendet werden. Die empfohlene Tagesdosierung als Tee liegt bei 1,5−2 g der zerkleinerten Wurzel auf 150 ml Wasser. Pro Tag können drei bis vier Tassen getrunken werden. Die Zubereitung sollte als Dekokt erfolgen.

Falls sich die dyspeptischen Beschwerden bzw. Sodbrennen nicht innerhalb von zwei Wochen, erkältungsbedingte Beschwerden nicht innerhalb von einer Woche bessern oder sich verschlimmern, sollte ein Arzt konsultiert werden. Süßholzwurzel sollte jedenfalls nicht länger als vier Wochen angewandt werden.

Kinder, Schwangere und Stillende

Aus Sicht des HMPC sollte Süßholzwurzel erst ab 18 Jahren angewandt werden. Schwangere und Stillende sollten auf Süßholzwurzel (einschließlich Lakritze) verzichten.

Wechsel- und Nebenwirkungen (Risiken)

In hohen Dosen und bei längerer Anwendung kann Süßholzwurzel zu mineralcorticoiden Effekten führen. Dadurch kann es zu Wasserretention, Kaliumverlusten, Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen kommen. Bei Nieren-, Leber- oder kardiovaskulären Erkrankungen sowie bei bestehendem Kaliummangel sollte man deshalb Süßholzwurzel nicht verwenden. Vorsicht ist außerdem bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die die Kaliumausscheidung anregen (u. a. Thiazid- und Schleifendiuretika, Herzglykoside, Anthrachinon-haltige Abführmittel), angebracht, da Süßholzwurzel diese in ihrer Wirkung verstärken kann.

In Süßwaren darf laut einer Verordnung der Europäischen Kommission (EU) 872/2012 der Gehalt von Glycyrrhizin-säure 1.500 mg/kg nicht überschreiten.

Kontraindikation

Bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegenüber einer in der Süßholzwurzel enthaltenen Substanz ist diese kontraindiziert.

Co-Autoren
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Bauer
emer.o.Univ.-Prof. DI Dr. Chlodwig Franz
Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Dr. h.c. Brigitte Kopp
Univ.-Prof. Mag. Dr. Hermann Stuppner

Quellen
1   Mizutani et al. Glycyrrhetic acid monoglucuronide (MGGR). Biological activities. In: Agenta H., Aimi N. et al. (eds) Toward natural medicine research in the 21st century
2   Blaschek W. (Hrsg.) (2016): Wichtl − Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis. 6. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Stuttgart
3   Kim et al. Anti-inflammatory effects of licorice and roasted licorice extracts on TPA-induced acute inflammation and collagen-induced 
arthritis in mice. J Biomed Biotechnol. 2010, 2010: 709378
4   Richard SA:  Exploring the Pivotal Immunomodulatory and Anti-Inflammatory Potentials of Glycyrrhizic and Glycyrrhetinic Acids. Mediators Inflamm. 2021; 2021:6699560
5   Yi Kuang, et al.: Antitussive and expectorant activities of licorice and its majorcompounds Bioorganic & Medicinal Chemistry, 2018; 26(1):278–284

Weitere Quellen auf Anfrage

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