Parkinson ist die neurologische Erkrankung mit den größten Zuwächsen hinsichtlich Prävalenz, Behinderungsursache und Tod.2 Die WHO schätzt 8,5 Millionen Betroffene weltweit (Stand 2019)3, im Jahr 2040 werden knapp 20 Millionen Menschen erkrankt sein.4 Die Krankheit betrifft 1–3 % der Über-65-Jährigen. Das Lebenszeit-Risiko zu erkranken liegt für Männer bei 2,0 % und für Frauen bei 1,3 %5, das Durchschnittsalter bei Erkrankungsbeginn bei etwa 57 Jahren. Rund 10 % der Patient:innen sind bei Diagnosestellung unter 45 Jahre alt. Eine Demenz entwickelt sich bei einem Drittel der Patient:innen und dann in der Regel spät.
Eine genetische Prädisposition ist wahrscheinlich; bei etwa 5 % der Menschen mit Parkinson kann eine Erblichkeit festgestellt werden. Bei genetisch bedingten Formen ist das Erkrankungsalter jünger, der Verlauf in der Regel aber gutartiger als die später einsetzende, vermutlich nicht genetisch bedingte Parkinson-Krankheit.
Da die Krankheitsursache bei einem Großteil der Erkrankten unklar (idiopathisch) ist, sollten die Begriffe „Parkinson-Krankheit“ und „idiopathisches Parkinson-Syndrom“ (IPS) nicht mehr synonym verwendet werden. Als möglicher Risikofaktor für das IPS wurde zuletzt Einsamkeit diskutiert.5
Synuklein-Hypothese
Als Grund für die Symptome wurde bisher die Aggregation von alpha-Synuklein zu unlöslichen Fibrillen und Bildung von Lewy-Körperchen im nigrostriatalen System (Mittelhirn) angenommen, durch die es zum Absterben der Nervenzellen und einer Verarmung an Dopamin in den Basalganglien kommt. Diese These scheint widerlegt, da einer neueren Studie zufolge Lewy-Körperchen von verstorbenen Parkinson-Erkrankten hauptsächlich aus Membranfragmenten, Lipiden und anderem Zellmaterial bestanden.7
Tremor und Rigor
Parkinson ist durch Ruhetremor, Rigor (Steifigkeit), langsame und verminderte Bewegungen (Bradykinesie) und eventuell Ganginstabilität und/oder Instabilität der aufrechten Körperhaltung gekennzeichnet. Oft beginnen die Symptome mit einem Ruhetremor der Hand, der bei Bewegung abnimmt und im Schlaf ausbleibt, bei emotionaler Anspannung oder Müdigkeit jedoch stärker wird. Der Tremor kann mit zunehmendem Rigor schwächer werden oder bei bestimmten Formen der Erkrankung fehlen. Das Sprechen ist beeinträchtigt (Dysarthrie), kann leiser werden, die Sprachmelodie monoton, manchmal auch stotternd.
Wiederholte motorische Aktivitäten führen zu einer Abnahme der Bewegungsreichweite, die bis zur Bewegungsarmut (Akinese) führen kann. Im späteren Krankheitsstadium verändert sich auch das Gangbild: Die Erkrankten gehen gebeugt, schlurfen, machen kurze Schritte, schwingen die Arme beim Gehen kaum oder gar nicht. Auch die Mimik ist beeinträchtigt; das Gesicht wird maskenhaft mit offenem Mund und verringerter Lidschlagfrequenz. Durch die Bewegungseinschränkung und nachlassende Kontrolle über die Muskeln verändert sich auch das Schriftbild (Mikrographie).
Schlafstörungen bis Inkontinenz
Parkinson ist mit vielen Begleitsymptomatiken verbunden. Dazu zählen orthostatische Hypotonie, Dysphagie, Obstipation, Harnverhalt und/oder Harndrang und Inkontinenz und Anosmie. Auch Schlafstörungen wie Atmungsstörungen, Restless-Legs-Syndrom und REM-Schlaf-Verhaltensstörungen sind häufig. Bei diesen kommt es zu unkontrollierbaren Bewegungen der Gliedmaßen und verbalen Äußerungen, da die im REM-Schlaf normalerweise vorhandene Paralyse unterbleibt. Wurden alle spezifisch behandelbaren Ursachen ausgeschlossen, sollten die Schlafstörungen durch schlafhygienische Maßnahmen, intensives körperliches Training und Lichttherapie behandelt werden.
Diagnostik per L-Dopa-Test
Die Diagnose der Erkrankung erfolgt u. a. durch Beurteilung auf Basis der motorischen Symptome. Bei älteren Menschen müssen andere Ursachen wie schwere Depression, Hypothyreose und Gebrauch von Antipsychotika bedacht werden.
Zur Erstdiagnostik wird der L-Dopa-Test durchgeführt; dabei werden den Betroffenen 100 bis 200 mg L-Dopa mit einem peripheren Decarboxylase-Hemmer verabreicht. Bei einer Parkinsonerkrankung kommt es rasch zu einer deutlichen Symptomverbesserung.
Die Therapie der vielen Hebel
Die Behandlung zielt darauf ab, die dopaminerge Funktion im Gehirn mit L-Dopa plus Carbidopa und/oder anderen Medikamenten wiederherzustellen und das Auftreten von Spätkomplikationen zu verzögern. Die medikamentöse Therapie wird mit Physio- und Ergotherapie, psychosozialer Betreuung und Logopädie kombiniert. Im Frühstadium der Erkrankung können die Symptome meist noch deutlich gelindert werden, später wird die Therapie schwieriger, Nebenwirkungen nehmen zu. Die Behandlung muss daher laufend angepasst werden. Wenn eine fortgeschrittene Therapie wie Tiefe Hirnstimulation durch Elektroden (THS, Hirnschrittmacher) oder Pumpentherapie nicht oder nicht mehr die erwünschte Wirkung zeigt, sollte nach neuesten Erkenntnissen ein Therapiewechsel erwogen werden.8 L-Dopa wird in allen Krankheitsstadien eingesetzt. Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Schläfrigkeit, Depression, Halluzinationen und Verwirrtheit. Bei Langzeittherapie können Wirkungsschwankungen (Fluktuationen) auftreten; bei Monotherapie mit L-Dopa sind v. a. bei hoher Dosierung motorische Fluktuationen und Dyskinesien früher zu beobachten als unter Monotherapie unter MAO-B-Hemmern und Dopamin-Agonisten. Bei jüngeren Patient:innen sollten daher eher Dopamin-Agonisten oder MAO-B-Hemmer als L-Dopa zur Anwendung kommen. Retardierte Darreichungsformen von L-Dopa mit Decarboxylase-Hemmer sollen wegen Wechselwirkungen mit der Nahrung (eiweißreiche Nahrung verzögert die Aufnahme) nicht untertags verwendet werden, sondern während der Nachtzeit.
Dopamin-Agonisten
Dopamin-Agonisten sind weniger gut verträglich als L-Dopa, Nebenwirkungen sind u. a. Ödeme, Schläfrigkeit, orthostatische Hypotonie, Verwirrtheit und Halluzination. Auch Dopamin-Agonisten werden in allen Krankheitsstadien eingesetzt. Als Monotherapie kommen sie v. a. bei jüngeren Erkrankten zum Einsatz.
Ergoline Dopamin-Agonisten wie Cabergolin führen häufiger zu Nebenwirkungen wie einer Verdickung der Herzklappen und dürfen daher nur dann eingesetzt werden, wenn eine Therapie mit einem nicht-ergolinen Dopamin-Agonisten nicht ausreichend wirksam ist oder nicht gut vertragen wird.9 Bei den nicht-ergolinen Dopamin-Agonisten stehen Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin und mit starken Einschränkungen Apomorphin zur Verfügung. Apomorphin wird aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit als Pen oder Infusion bei motorischen Fluktuationen angewendet, wenn orale Präparate keine Linderung bringen.
Impulskontrollstörungen
Vor dem Einsatz von Dopamin-Agonisten sollten die Patient:innen für das Auftreten einer Impulskontrollstörung (IKS) sensibilisiert werden. Durch die Anwendung dieser Wirkstoffgruppe (z. B. Pramipexol) kann es zu Spielsucht, Kaufsucht, Essattacken, Aggressivität oder stark gesteigertem Sexualtrieb kommen. Eine IKS kann etwa die Hälfte aller Patient:innen betreffen. Behandelt wird die Störung entweder durch Absetzen des Dopamin-Agonisten oder eine kognitive Verhaltenstherapie.
Kasten 1
COMT- und MAO-B-Hemmer
COMT-Hemmer inhibieren die Methylierung von L-Dopa und verzögern dadurch dessen peripheren Abbau, wodurch mehr Substanz im Gehirn zur Verfügung steht. Opicapon und Entacapon sind in der Wirkung weitgehend gleichwertig und werden zur Behandlung von Fluktuationen eingesetzt. Tolcapon sollte wegen seiner Hepatotoxizität nur als Mittel der zweiten Wahl verwendet werden.
Durch Inhibition des Dopamin-abbauenden Enzyms MAO-B steigt der Dopamin-Spiegel im Gehirn. Rasagilin kann als Monotherapie der frühen Parkinson-Krankheit oder in Kombination mit L-Dopa bei Wirkfluktuationen eingesetzt werden. Safinamid verfügt über einen dualen Wirkmechanismus (dopaminerg und nicht-dopaminerg). Es ist nicht als Monotherapeutikum zugelassen und wird mit L-Dopa kombiniert.
Amantadin und Anticholinergika
Der Wirkmechanismus des NMDA-Rezeptor-Antagonisten Amantadin ist noch nicht abschließend geklärt. Einerseits verhindert es vermutlich die Bindung von Glutamat an den NMDA-Rezeptor und so u. a. eine Übererregung der Nervenzellen; andererseits wirkt es indirekt agonistisch auf Dopamin-Rezeptoren, was zu einer erhöhten Dopaminfreisetzung und Hemmung der Wiederaufnahme führt.
Anticholinergika (Biperiden, Procyclidin) finden aufgrund eines im Vergleich zu Therapie-Alternativen ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils (hohes Nebenwirkungsrisiko u. a. mit Mundtrockenheit, Kreislaufstörungen, Harnverhalt, Vergesslichkeit) nur noch in absoluten Ausnahmefällen bei Tremor Anwendung.
Therapie von Fluktuationen und Tremor
Treten Fluktuationen auf, kann die L-Dopa-Gabe fraktioniert oder die Dosis angepasst werden, auch zusätzliche Gaben von L-Dopa-Präparaten mit modifizierter Galenik (löslich oder retardiert) sind möglich. Die zusätzliche Einnahme von Dopamin-Agonisten, MAO-B-Hemmern oder COMT-Hemmern ist eine weitere Option. Amantadin ist für die Intensiv- und Initialbehandlung akinetischer Krisen zugelassen, bei dessen Einsatz müssen jedoch anticholinerge und halluzinogene Nebenwirkungen berücksichtigt werden.
Gegen Parkinson-Tremor, der sich weder mit Standarddosen von L-Dopa noch mit hohen Tagesdosen oder hohen Einzeldosen behandeln lässt, ist die Off-Label-Anwendung von Betablockern möglich. Als Zweitlinientherapien kommen THS und Pumpentherapien mit Apomorphin oder L-Dopa-Carbidopa-Intestinal-Gel (LCIG) in Betracht.
Nebenwirkung von Carbidopa/Levodopa
Die aktuelle Leitlinie priorisiert keinen der beiden Dopadecarboxylase-Hemmer Carbidopa oder Benserazid hinsichtlich seiner Wirkung. Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlichte jedoch einen Entschluss, der auf Sicherheitsberichten zu Carbidopa/Levodopa beruht. Demnach treten bei dieser Wirkstoffkombination „sehr häufig“ schwere Harnwegsinfektionen auf, und sind auch Fach- und Gebrauchsinformation zu ergänzen. Harnverhalt und Harninkontinenz sind bekannte UAW von Carbidopa/Levodopa und könnten eine Ursache der Infektionen sein. Weiters könnte Carbidopa zur Immunsuppression von T-Zellen führen.
Kasten 2
Therapie von Begleiterkrankungen
Nozizeptive Schmerzen werden gemäß dem WHO-Schema behandelt, neuropathische Schmerzen mit Antikonvulsiva und/oder Antidepressiva. Bevorzugt werden Gabapentin und/oder Duloxetin (insbesondere bei Komorbidität mit Depression) eingesetzt. Bei ausgeprägten Schmerzen kann eine Behandlung mit retardiertem Oxycodon/Naloxon in Erwägung gezogen werden.
Bei vermehrtem Harndrang und Harndranginkontinenz sind Blasentraining, die tageszeitliche Anpassung der Flüssigkeitsaufnahme und die Vermeidung von Koffein, Alkohol und kohlensäurehaltigen Getränken nicht-medikamentöse Therapieoptionen. Auch eine Oberkörperhochlagerung um 10–20 ° während des Schlafens kann helfen.
Antimuskarinika (Solifenacin, Trospium, Darifenacin) werden bei Überaktivität des Blasendetrusors eingesetzt. Sollte dies keine Linderung bringen, nicht vertragen werden oder kontraindiziert sein, wird auf β3-Rezeptor-Agonisten (z. B. Mirabegron) zurückgegriffen. Unter engmaschiger Blutdruck-, Serumelektrolyt- und Körpergewichtskontrolle ist auch eine abendliche Therapie mit Desmopressin eine Option.
Bei kognitiven Störungen sollten kognitives Training und 2–3 x wöchentlich zu je 45–60 Minuten Ausdauertraining im aeroben Bereich durchgeführt werden.
Achtung beim Autofahren
Die Fahrtüchtigkeit ist bei Parkinson-Erkrankten nicht immer gegeben. Die „Leitlinie für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeuglenkern“ sieht bei Parkinson-Kranken für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 (u. a. Motorräder, PKW) eine Eignung in Abhängigkeit der Symptomatik, verlangt für die Erteilung jedoch eine neurologische Stellungnahme und evtl. eine Beobachtungsfahrt, bei fortschreitender Erkrankung eine Befristung des Führerscheins und Kontrolluntersuchungen mindestens alle fünf Jahre. Für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 (LKW, Personenbeförderung) ist die Fahrtüchtigkeit „nur in seltenen Fällen möglich und bedarf einer Begründung“.10
Erkrankte sollten das Thema daher unbedingt mit ihrem/ihrer behandelnden Arzt/Ärztin besprechen. Ob die Fahrtauglichkeit noch gegeben ist, ist sehr individuell und in der Theorie schwierig zu beurteilen. Es ist jedoch möglich, sie in Fahrschulen überprüfen zu lassen, die auf Menschen mit Handicap zugeschnitten sind.
Quellen
1 Gross A et al. Use of medical care biases associations between Parkinson disease and other medical conditions. Neurology. 2018 Jun 12;90(24):e2155-e2165. doi: 10.1212/WNL.0000000000005678
2 Dorsey et al. (2018): Global, regional, and national burden of Parkinson's disease, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology 17(11):939-953. doi: 10.1016/S1474-4422(18)30295-3
3 https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/parkinson-disease, Stand 9.8.2023; abgerufen am 9.11.2023
4 Ou Z et al. Global trends in the incidence, prevalence, and years lived with disability of Parkinsons’s Disease in 204 countries/territories from 1990 to 2019. Front Public Health 2021; 9:776847
5 Heinzel, S. et.al.: Do we need to rethink the epidemiology and healthcare utilization of Parkinson´s Disease in Germany? Front. Neurol. 2018. Vol 9. doi:10.3389/fneur.2018.00500
Weitere Literatur auf Anfrage