Myasthenia gravis 

Neue Therapien für mehr Lebensqualität

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Myasthenia gravis (MG) ist eine seltene, komplexe Autoimmunerkrankung, bei der die neuromuskuläre Signalübertragung gestört ist. Unter normalen Bedingungen bindet der Neurotransmitter Acetylcholin an spezifische Rezeptoren in der neuromuskulären Verbindung und löst dadurch eine Muskelkontraktion aus. Bei Patient:innen mit Myasthenia gravis verhindern jedoch Autoantikörper diese Bindung, wodurch die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel gestört wird.  Die häufigsten Autoantikörper richten sich gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR), seltener gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (MuSK) oder das Low-Density Lipoprotein Receptor-related Protein 4 (LRP4). 
Die Hauptsymptome sind meist belastungsabhängige Müdigkeit und Muskelschwäche. Das Spektrum reicht von isolierter okulärer Myasthenie mit Ptosis und Doppelbildern bis zur generalisierten Form mit Beteiligung von Kau-, Schluck-, Atem- und Extremitätenmuskulatur. In schweren Fällen kann es zu einer myasthenischen Krise mit lebensbedrohlicher Atemmuskelschwäche kommen. Die Prävalenz liegt bei etwa 150–200 Fällen pro 1 Million, betroffen sind alle Altersgruppen – besonders junge Frauen und ältere Männer. Rund 10 % der Fälle treten im Kindesalter auf.


Wie die Erkrankung erkannt wird – und was danach kommt


Die Diagnose ist oft herausfordernd, da die Symptome anderen neurologischen Erkrankungen ähneln. Sie basiert auf Anamnese, Antikörpertests (AChR, MuSK, LRP4), elektrophysiologischen Untersuchungen und ggf. pharmakologischen Tests. Da der Thymus eine zentrale Rolle spielt, sollte stets eine Bildgebung (CT/MRT) erfolgen.
Eine Heilung ist bislang nicht möglich, doch die Therapie hat sich deutlich verbessert. Laut den deutschen S2k-Leitlinien Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome (2024) steht die bestmögliche Kontrolle der Erkrankung bei gleichzeitiger Wiederherstellung der Lebensqualität im Fokus. Die Krankheitsaktivität wird anhand der Symptomschwere, deren Verlauf und möglicher Krisen bewertet.

Innovative Wirkstoffe: Zielgerichtet gegen Autoantikörper 


Die Behandlung richtet sich nach Alter, Antikörperstatus, Thymuspathologie und Krankheitsaktivität. Ein kausaler Ansatz, von dem viele Patient:innen langfristig profitieren, ist die Thymektomie, da der Thymus als Quelle der Autoantikörper gilt. Symptomatisch kommen Acetylcholinesterase-Inhibitoren wie Pyridostigmin zum Einsatz. Glucocorticosteroide sind Mittel der ersten Wahl, Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Mycophenolat-Mofetil dienen als Basistherapie. Bei akuten Verschlechterungen helfen intravenöse Immunglobuline oder Plasmapherese. Auch Rituximab kann in manchen Fällen Mittel der Wahl sein.


In den letzten Jahren wurden nun auch Medikamente zur Eskalationstherapie zugelassen, die spezifisch gegen die häufig vorkommenden Autoantikörper wirken. Dabei handelt es sich zum einen um Komplementinhibitoren, die die Aktivierung des Komplementwegs reduzieren. Eculizumab wurde 2017 als erster C5-Inhibitor zugelassen, ebenfalls auf dem Markt sind Ravulizumab und Zilucoplan. Sie werden als Add-on zur Standardtherapie vorwiegend bei hochaktiver MG eingesetzt. Wichtig zu wissen: MuSK-Ak gehören zur nicht-komplementbindenden IgG4-Subklasse, bei dieser Form der MG sind Komplementinhibitoren vermutlich nicht wirksam. 


Ein weiteres innovatives Therapieziel sind die neonatalen Fc-Rezeptoren (FcRn). Die FcRn-Modulatoren Efgartigimod alfa und Rozanolixizumab sind als Add-on-Therapie zugelassen, sie reduzieren die Konzentration und Lebensdauer der Immunglobulin-G-Antikörper im Blutserum. Nipocalimab wurde im Herbst 2024 zur Zulassung bei der EMA eingereicht. Die verfügbaren Wirkstoffe unterscheiden sich vor allem in Verabreichungsform und -häufigkeit und haben die Therapieoptionen deutlich erweitert. 


Regelmäßige ärztliche Kontrollen mit klinischen Scores (QMG, MG-ADL, MG-QoL15r) sowie die Selbsteinschätzung der Patient:innen sind essenziell, um die passende Therapie zu finden. Die Behandlung von MG entwickelt sich dynamisch weiter – mit dem Ziel, die Erkrankung nicht nur zu kontrollieren, sondern das Leben der Betroffenen spürbar zu verbessern.

Text: Mag. Ruth Maria Streibl, PhD

Quellen


•   www.myasthenia.org, abgerufen am 26.8.2025
•   Dresser L, et al.: Myasthenia Gravis: Epidemiology, pathophysiology and clinical 
manifestations. J Clin Med 2021; 10: 2235. 
•   Wiendl H, et al.: S2k-Leitlinie - Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome (2024)
www.dgn.org/leitlinien, abgerufen am 26.8.2025
•   Schneider-Gold C, et al.: Fortschritte und Herausforderungen in der Behandlung von Myasthenia gravis. Ther Adv Neurol Disord 2021; 14: 17562864211065406
•   Howard JF Jr, et al.: Safety and efficacy of eculizumab in anti-
acetylcholine receptor antibody-positive refractory generalised myasthenia 
gravis (REGAIN). Lancet Neurol 2017; 16(12): 976–986

Weitere Literatur auf Anfrage

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