
Das anaplastische großzellige Lymphom (ALCL) gehört zur Untergruppe der Non-Hodgkin-Lymphome und stellt eine seltene, jedoch aggressive Form eines T-Zell-Lymphoms dar, das zumeist bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt. Forschungsteams der Medizinischen Universität Wien am Comprehensive Cancer Center von MedUni Wien und AKH Wien konnten nun in Zusammenarbeit unter anderen mit dem European Institute of Oncology (Turin, IT), dem Boston Children's Hospital and Harvard Medical School (US) und der University of Cambridge (UK) die Funktion epigenetischer Veränderungen bei der Entstehung dieser Krebserkrankung belegen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Leukemia erschienen.
Epigenetische Prozesse, wie zum Beispiel Veränderungen der DNA- Methylierung oder der Chromatin-Struktur, sind maßgeblich an der Entstehung unterschiedlicher Krebserkrankungen beteiligt, und Mutationen epigenetischer Faktoren zählen zu den häufigsten genetischen Veränderungen in Tumoren. Inhibitoren, die auf epigenetische Enzyme abzielen, sind bereits in der klinischen Anwendung und zeigen speziell bei Lymphomerkrankungen eine vielversprechende Wirkung.
Blockade verzögert Lymphomentwicklung
In der aktuellen Studie konnten die Forschungsteams unter der Leitung von Gerda Egger und Erstautorin Maša Zrimšek, beide Klinisches Institut für Pathologie, die Rolle von Histondeazetylasen (HDACs) bei der ALCL-Lymphomentstehung entschlüsseln. HDACs sind Enzyme, die die Genaktivität regulieren und als Zielstruktur für moderne Krebstherapien gelten. Im Mausmodell wurde der Einfluss des Wirkstoffs Entinostat untersucht, ein sogenannter HDAC-Hemmer, der derzeit in klinischer Erprobung ist. Die pharmakologische Blockade der HDAC-Aktivität konnte die Lymphomentwicklung stark verzögern oder in manchen Fällen sogar ganz verhindern. Auch bei Lymphomzellen von drei Patient:innen, die gegen frühere Therapien resistent waren, zeigte Entinostat eine effektive Wirkung.
Enzym zeigt schützende Funktion
Überraschenderweise beschleunigte hingegen die gezielte genetische Ausschaltung von HDAC1 in T-Zellen das Tumorwachstum im Mausmodell deutlich – ein Hinweis auf eine bislang unterschätzte schützende Funktion des Enzyms in bestimmten Krankheitsstadien.
Molekulare Analysen zeigten, dass der Verlust von HDAC1 die Verpackung des Erbguts und die Genaktivität in T-Zellen tiefgreifend verändert und insbesondere Signalwege wie PDGFRB-STAT5 oder T-Zell- Rezeptor-assoziierte Mechanismen verstärkt. Diese Veränderungen stehen im Verdacht, die Entstehung und Ausbreitung der Lymphome zu fördern.
„Obwohl die Heilungschancen beim ALK-positiven ALCL aufgrund spezifischer Behandlungen sehr gut sind, kommt es häufig zu Therapieresistenzen und zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten sind daher dringend notwendig. Die vorliegenden Ergebnisse geben Hoffnung für den Einsatz von HDAC-Hemmern als zusätzliche Therapieoption in der nahen Zukunft“, so Studienleiterin Gerda Egger von der Medizinischen Universität Wien.
Die Ergebnisse entstanden unter Zusammenarbeit mit Teams der MedUni Wien (Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie; Zentrum für Anatomie und Zellbiologie), dem European Institute of Oncology (Turin, IT), dem Boston Children's Hospital and Harvard Medical School (US) und der University of Cambridge (UK).
Hintergrund
Anaplastische großzellige Lymphome sind seltene, aber aggressive T-Zell-Lymphome. Etwa 60–80 % der Fälle tragen eine Genfusion des ALK -Gens, die das Tumorwachstum antreibt. Histon-Deacetylasen (HDACs) sind Enzyme, die die Genaktivität regulieren und als Zielstruktur für moderne Krebstherapien gelten.
OTS/APA