Wie Gene die Hitzetoleranz beeinflussen

Hitzestress

Mag. pharm.

LARISSA

WALCH

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Menschen reagieren unterschiedlich auf Hitze, auch die genetische Ausstattung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. © iStock
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Der menschliche Körper nutzt ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Systeme, um seine Kerntemperatur innerhalb eines engen physiologischen Bereichs stabil zu halten. Zu den wichtigsten Mechanismen zählen die Schweißproduktion, die durch Verdunstungskälte zur Abkühlung beiträgt, sowie die Vasodilatation der Hautgefäße, durch die vermehrt Wärme über die Körperoberfläche abgegeben wird. Jedoch sinkt durch die Erweiterung der Blutgefäße der Blutdruck und das Herz-Kreislauf-System wird stärker gefordert. Auch die gesteigerte Atemfrequenz (Hyperventilation) trägt zur Wärmeabgabe bei. Daneben stellen verhaltensbezogene Anpassungen, etwa das Aufsuchen von Schatten, der Wechsel in klimatisierte Räume oder die vermehrte Flüssigkeitsaufnahme wichtige Präventivmaßnahmen dar. Diese Regulationsmechanismen stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn die Umgebungstemperatur über längere Zeit sehr hoch bleibt oder von zusätzlicher Luftfeuchtigkeit begleitet wird. Überschreitet die thermische Belastung die individuelle Fähigkeit zur Thermoregulation, kann der Körper die überschüssige Wärme nicht mehr ausreichend abgeben – ein Ungleichgewicht zwischen Wärmeaufnahme und -abgabe entsteht.

Physiologischer Stress bei Hitze

Bereits ab Außentemperaturen von etwa 32 bis 35 °C kann es bei körperlicher Aktivität oder fehlender Abkühlung zu ersten Anzeichen von Hitzebelastung kommen. Steigen die Werte auf über 37 °C an, geraten die körpereigenen Kühlmechanismen zunehmend an ihre Grenzen, besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit, die die Verdunstung von Schweiß und damit die wichtigste Form der Wärmeabgabe stark einschränkt. Ab etwa 40 °C Außentemperatur wird es auch für gesunde Menschen im Ruhezustand kritisch. Bei über 50 °C ist eine effektive Wärmeregulation kaum mehr möglich, der Körper ist einer so massiven thermischen Belastung ausgesetzt, dass in der Folge die Körperkerntemperatur gefährlich ansteigt. 

Bereits die Erhöhung um wenige Grade kann schwerwiegende Auswirkungen haben: Zelluläre Proteine denaturieren, die Funktion lebenswichtiger Enzyme wird gestört und es kann zur Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems kommen. Gleichzeitig fördern thermische Reize die Freisetzung entzündungsfördernder Mediatoren, was systemische Entzündungsreaktionen begünstigen kann. Besonders vulnerabel sind Kinder, deren Schweißdrüsen noch nicht voll funktionsfähig sind, sowie ältere Menschen, bei denen die thermoregulatorische Kapazität altersbedingt eingeschränkt ist. Bei älteren Personen setzt das Schwitzen später ein und ist geringer ausgeprägt, da die Anzahl der Schweißdrüsen im Alter abnimmt, ebenso wie die Durchblutung der Haut. Auch Schwangere und Patient:innen mit chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen weisen eine verminderte Anpassungsfähigkeit auf.

Kind trinkt © Shutterstock
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Genetische Unterschiede

Nicht jeder Mensch reagiert gleich auf Hitze. Während einige bei sommerlichen Temperaturen bereits mit Kreislaufproblemen oder Kopfschmerzen zu kämpfen haben, bleiben andere selbst bei brütender Hitze erstaunlich stabil. Solche Unterschiede lassen sich nicht allein durch Alter, Gesundheitszustand oder äußere Umstände erklären, auch die genetische Ausstattung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Genetische Unterschiede beeinflussen, wie gut der Körper mit Temperaturbelastung umgehen kann: angefangen bei der Fähigkeit zu schwitzen über die Stressverarbeitung in den Zellen bis hin zur Regulierung des Blutdrucks. Variationen in Genen, die diese Prozesse steuern, können die Effektivität dieser Mechanismen beeinflussen.

Der TRPV1 (Transient Rezeptor-Potential Vanilloid 1) ist ein Kationenkanal und fungiert als Temperatur- und Schmerzrezeptor, der die Wärmeempfindlichkeit steuert. Wer hier bestimmte genetische Varianten trägt, empfindet Hitze schneller als unangenehm, was erklären könnte, warum manche Menschen schon bei 30 °C über Hitzestress klagen, während andere die gleiche Temperatur als angenehm empfinden. Auch das Transmembranprotein Aquaporin-1 (AQP1) ist bei der Körperreaktion auf Hitze essenziell. AQP1 bildet Wasserkanäle, über die Flüssigkeit durch Zellmembranen transportiert wird. Wer vor allem im Nierengewebe genetisch bedingt weniger effiziente Aquaporine hat, verliert bei Hitze schneller Flüssigkeit und hat damit ein höheres Risiko für Dehydratation und Elektrolytstörungen.

Zellulärer Hitzeschutz und Entzündungsreaktionen

Wenn der Körper unter extremer Hitze steht, geraten auch die Zellen unter Druck, allerdings haben sie eigene Schutzstrategien. Im Zentrum dieser zellulären Notfallmaßnahmen stehen die Hitzeschockproteine (HSP), insbesondere jene der HSP70-Familie. Diese wirken wie körpereigene Ersthelfer: Sie stabilisieren empfindliche Eiweiße, bringen falsch gefaltete Proteine wieder in Form und verhindern, dass schädliche Proteinaggregate entstehen. So helfen sie, lebenswichtige Zellfunktionen auch bei thermischer Belastung aufrechtzuerhalten. Wie gut dieser Schutzmechanismus funktioniert, ist allerdings nicht bei allen Menschen gleich. Unterschiede in HSPA1A, HSPA1B und HSPA1L sorgen dafür, dass manche Menschen höhere oder niedrigere Mengen dieser Schutzproteine bilden. Auch der „Schalter“, der die HSP-Produktion auslöst, der Transkriptionsfaktor HSF1, unterliegt genetischer Variation. Wer eine weniger aktive Variante besitzt, hat bei plötzlicher Hitzeeinwirkung einen klaren Nachteil: Die zelluläre Schutzreaktion bleibt schwächer.

Doch die Hitzebelastung endet nicht auf der Zellebene, auch das Immunsystem reagiert. Bei anhaltender Wärme schütten die Immunzellen verstärkt entzündungsfördernde Botenstoffe aus, allen voran TNF-α und IL-6. Diese Zytokine können eine systemische Entzündungsreaktion auslösen, mit teils dramatischen Folgen wie Gewebeschädigung oder Multiorganversagen. Auch hier entscheidet das Erbgut mit: Menschen mit bestimmten Genvarianten zeigen deutlich stärkere Entzündungsantworten auf Hitzestress als andere. Besonders kritisch ist das bei Personen mit chronischen Vorerkrankungen, deren Immun- und Kreislaufsystem ohnehin belastet ist. 

Epigenetik und Risikogruppen

Extreme Hitze hinterlässt nicht nur kurzfristige Spuren wie Erschöpfung oder Kreislaufprobleme, sie wirkt auch auf tieferen biologischen Ebenen. Aktuelle Studien zeigen, dass wiederholte Hitzebelastung epigenetische Veränderungen in der DNA hervorrufen kann, insbesondere in jenen Genen, die an Immunantworten und Stressverarbeitung beteiligt sind. Vor allem eine erhöhte DNA-Methylierung wurde bei Menschen festgestellt, die über längere Zeit häufig hohen Temperaturen ausgesetzt waren. Diese molekularen Schalter beeinflussen, welche Gene aktiv sind. Hinweise aus Tiermodellen stützen diese Annahme: Auch bei Mäusen zeigte sich eine übermäßige Methylierung in hitzebelasteten Muskel- und zellulären Stressgenen wie zum Beispiel bei HSP70. Außerdem hat sich ein Zusammenhang zwischen häufigen Hitzetagen und beschleunigter biologischer Alterung gezeigt. Der genaue Mechanismus hierzu ist jedoch noch nicht erforscht. Damit wird deutlich, dass Hitze nicht nur akute Gesundheitsrisiken birgt, sondern möglicherweise auch langfristige degenerative Prozesse mit anstößt. Besonders gefährdet sind vorbelastete Personen, etwa Menschen mit erblich bedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolischen Störungen wie Typ-2-Diabetes oder neurologischen Dysfunktionen, bei denen die körpereigene Thermoregulation eingeschränkt ist. Auch mitochondriale Varianten, die mit ineffizienter Energienutzung und vermehrter Wärmeproduktion einhergehen, scheinen eine Rolle zu spielen. Beeinflusst wird dies zudem von der geographischen Herkunft, beispielsweise in Abhängigkeit vom Breitengrad der Herkunftspopulation. All das deutet darauf hin, dass manche Menschen von Geburt an ein höheres Risiko für hitzebedingte Schäden mitbringen. 

Prävention essenziell

Städte heizen sich im Hochsommer besonders stark auf. Schnelle und effektive Möglichkeiten zur Abkühlung  werden an immer mehr Plätzen angeboten. © Shutterstock
Städte heizen sich im Hochsommer besonders stark auf. Schnelle und effektive Möglichkeiten zur Abkühlung werden an immer mehr Plätzen angeboten. © Shutterstock

Ein vertieftes Verständnis genetischer und epigenetischer Einflussfaktoren eröffnet neue Wege in der Hitzeprävention und personalisierten Medizin. Durch gezielte genetische Analysen lassen sich Risikopersonen frühzeitig identifizieren. Darüber hinaus rücken innovative therapeutische Ansätze wie Hitzeschockprotein-Induktoren oder epigenetisch aktive Substanzen in den Fokus der Forschung. Insgesamt zeigt sich: Die Fähigkeit des Körpers, mit extremer Hitze umzugehen, ist weit mehr als eine Frage der Außentemperatur, sie ist tief im genetischen Bauplan verankert. Mechanismen wie Hitzeschockproteine und epigenetische Muster bestimmen maßgeblich, wie belastbar ein Mensch unter Hitzestress ist. Ihre Integration in klinische Entscheidungen bietet eine vielversprechende Perspektive, um die medizinische Versorgung im Zeitalter zunehmender Hitzebelastung sicherer, wirksamer und individueller zu gestalten.


Quellen

  • Caterina MJ, et al.: The capsaicin receptor: a heat-activated ion channel in the pain pathway. Nature 1997; 389(6653): 816–824
  • Ledford H: Human body’s ageing ‘clock’ ticks faster after heat stress. Nature 2024; 636(8043): 534
  • Schumacher MA, et al.: TRPV1 splice variants: structure and function. Front Biosci (Landmark Ed) 2010; 15(3): 872–882
  • Yin Y, et al.: Structural basis of cooling agent and lipid sensing by the cold-activated TRPM8 channel. Science 2019; 363(6430): eaav9334 

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