Rhinitis medicamentosa

Die versteckte Gefahr hinter Nasensprays

Mag. pharm.

Tina

Graßer

,

BSc.

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Nasenspray © shutterstock
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Die Rhinitis medicamentosa, auch bekannt als Rhinopathia medicamentosa oder Privinismus, ist eine Erkrankung, die folgendermaßen entsteht: Ein scheinbar harmloses Nasenspray schafft zunächst bei infektiös bedingtem Schnupfen Abhilfe, schädigt jedoch bei längerer Anwendung die Nasenschleimhaut, wodurch das ursprüngliche Problem verstärkt wird. 

Die Bezeichnung Rhinitis medicamentosa wird oft auch für nasale Beschwerden, die durch andere Medikamente wie β-Blocker, PDE-5-Hemmer, Antipsychotika, orale Kontrazeptiva und Antihypertensiva verursacht werden, verwendet. Da die dahinterstehenden Mechanismen zwischen topischen Nasensprays und oralen Medikamenten jedoch gänzlich unterschiedlich sind, wird empfohlen, bei oralen Medikamenten den Begriff „medikamenteninduzierte Rhinitis“ zu verwenden.

Ein unsichtbarer Teufelskreis

Was als Erleichterung beginnt, endet oft in einem Teufelskreis, bei dem das Nasenspray immer häufiger benötigt wird, ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen. Die Ursache dieser paradoxen Reaktion liegt in den vasokonstriktiven Wirkstoffen, die in Nasensprays enthalten sind. Sympathomimetika wie Xylometazolin, Oxymetazolin, Naphazolin oder Phenylephrin bewirken durch Aktivierung der α-Rezeptoren eine Verengung der Blutgefäße in der Nasenschleimhaut. Die Schwellung wird verringert und die Nasenatmung verbessert. Bei übermäßiger Anwendung kann jedoch ein Rebound-Effekt auftreten, bei dem die Schleimhaut nach dem Abklingen der Wirkung reflektorisch noch stärker anschwillt. So entsteht ein Teufelskreis aus wiederholter Anwendung und wachsender Abhängigkeit.

anhaltende Nasenverstopfung © shutterstock
Eine anhaltende Nasenverstopfung zwingt Betroffene dazu, immer häufiger zum Nasenspray zu greifen. Neben körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen und Mundtrockenheit kann auch eine psychische Abhängigkeit entstehen. © shutterstock

Unbemerkter Wandel in der Nase

Die dauerhafte Anwendung abschwellender Nasensprays führt zu einer Desensibilisierung der adrenergen Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind dafür zuständig, die Blutgefäße zu verengen. Sympathomimetika sind Agonisten an den α-Adrenozeptoren der Blutgefäße, wirken also gefäßverengend und vermindern die Durchblutung. Durch die ständige Stimulation werden sie jedoch zunehmend unempfindlich gegenüber vasokonstriktiven Signalen. Sympathomimetika sind zudem auch milde β-Rezeptor-Agonisten und verursachen eine Rebound-Vasodilatation, nachdem die α-Wirkung nachgelassen hat.

Die Folge: Die Blutgefäße bleiben permanent dilatiert, die Schleimhaut schwillt an und die Nasenverstopfung wird chronisch. Zusätzlich zur Desensibilisierung der adrenergen Rezeptoren kommt es durch einen negativen Feedback-Mechanismus auch zu einer Reduktion der endogenen Noradrenalinproduktion. Hinzu kommt, dass die Schleimhaut durch die ständige Vasokonstriktion geschädigt wird – sie verdickt sich, produziert vermehrt Schleim und die mukoziliäre Clearance wird gestört. Die Anzahl der Becherzellen, die für die Schleimproduktion verantwortlich sind, nimmt zu, was die Symptome der Nasenverstopfung weiter verschlimmert.

Auch Konservierungsmittel wie beispielsweise Benzalkoniumchlorid wirken sich negativ auf die Nasenzilien aus und können das Risiko für die Entstehung der Rhinitis medicamentosa noch verstärken. Deshalb sollten generell abschwellende Nasensprays in einer konservierungsmittelfreien Formulierung empfohlen werden.

Wenn das Nasenspray nicht mehr hilft

Das Hauptsymptom der Rhinitis medicamentosa ist eine persistierende Nasenverstopfung, die auf die übliche Dosis des Nasensprays nicht mehr anspricht. Patient:innen berichten häufig über eine zunehmende Notwendigkeit, das Nasenspray häufiger anzuwenden, um Erleichterung zu erfahren. Zusätzlich verkürzen sich die Abstände zwischen den Anwendungen mit der Zeit. Oftmals treten zusätzlich Symptome wie eine trockene und juckende Nase, Kopfschmerzen oder ein unangenehmes Druckgefühl im Nasenbereich auf.

Durch die gereizte Nasenschleimhaut erhöht sich auch die Gefahr für Nasenbluten. Häufig führt die dauerhafte Verstopfung zu Mundatmung, was weitere Probleme wie Mundtrockenheit, Mundgeruch, Halsentzündungen und Schlafstörungen nach sich zieht. Neben den körperlichen Symptomen kommt es auf Dauer auch zu einer psychischen Abhängigkeit, die von Kopfschmerzen, Unruhe und Angst begleitet sein kann. Deshalb wird die Rhinitis medicamentosa teilweise sogar als Sucht betitelt.1 Da die klinische Manifestation unspezifisch ist und auch durch andere Ursachen ausgelöst werden kann, wird die Diagnose meist anhand der Patientenanamnese gestellt.

Der Weg aus der Abhängigkeit

Die gute Nachricht: Es gibt wirksame Behandlungsstrategien, um den gesunden Zustand der Nase wieder herzustellen. Die Therapie der Rhinitis medicamentosa zielt auf die Entwöhnung abschwellender Nasensprays und die Wiederherstellung der normalen Funktion der Nasenschleimhaut ab. Es stehen verschiedene therapeutische Optionen zur Verfügung, die je nach Schwere der Erkrankung und Patientenprä-ferenz individuell angepasst werden können.

Abruptes Absetzen der Dekongestiva

Der erste Schritt in der Behandlung besteht oft im sofortigen und vollständigen Absetzen der abschwellenden Nasensprays. Dies kann besonders in den ersten Tagen unangenehm sein, da die Nasenverstopfung zunächst deutlich zunimmt. Dennoch ist diese Methode für viele Patient:innen effektiv, da sie den Kreislauf der Medikamentenabhängigkeit durchbricht. Innerhalb von ein bis zwei Wochen normalisiert sich in der Regel die Funktion der Nasenschleimhaut und die Symptome der Verstopfung gehen zurück.

Schrittweises Absetzen

Alternativ kann das schrittweise Reduzieren der Anwendung ein sanfterer Weg sein. Diese Methode wird bevorzugt, wenn das sofortige Absetzen als zu belastend empfunden wird. Hierbei wird die Häufigkeit der Nasenspray-Anwendung nach und nach verringert oder nur noch ein Nasenloch behandelt, bis die Abhängigkeit überwunden ist. Auch kann es helfen, auf ein für Kinder zugelassenes Spray mit einer niedrigeren Konzentration zurückzugreifen. Alternativ kann ein magistral hergestelltes Nasenspray, in dem die Dekongestiva mit Meersalz verdünnt werden, beim schrittweisen Entwöhnen helfen. Generell können Salzlösungen in Form von Nasensprays oder Nasenspülungen helfen, die Symptome zu lindern. Sie befeuchten die Nasenschleimhaut, verflüssigen Schleim und verbessern die mukoziliäre Clearance. Zudem tragen sie zur Regeneration der Schleimhaut bei.

Intranasale Corticosteroide

Um den Entzündungsprozess in der Nasenschleimhaut zu kontrollieren und die Schleimhautschwellung zu reduzieren, werden häufig topische Corticosteroide wie beispielsweise Mometason, Fluticason, Budesonid oder Beclometason in Form von Nasensprays verschrieben. Diese wirken entzündungshemmend und reduzieren die Schleimhautschwellung, ohne die Nebenwirkungen von abschwellenden Nasensprays zu verursachen.

Die Anwendung sollte für mindestens vier bis sechs Wochen erfolgen, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen. Es ist zu betonen, dass die volle Wirkung erst verzögert eintritt. Bei stärkerer Symptomatik können auch systemische Glucocorticoide zur Anwendung kommen.3 Es gibt auch Überlegungen, Sympathomimetika als Kombination mit nasalen Glucocorticoiden schon vorab bei der Therapie einer Rhinitis einzusetzen, um so das Risiko eines Gewöhnungseffektes zu verhindern.

Antihistaminika

In einigen Fällen, insbesondere wenn die Rhinitis medicamentosa mit allergischen Reaktionen einhergeht, können orale oder topische Antihistaminika wie Cetirizin oder Azelastin angewendet werden, um die Symptomatik zu lindern. Auch nasal applizierte Cromoglicinsäure kann als Mastzellstabilisator hilfreich sein.

Lasertherapie und Chirurgie

In schwereren Fällen oder wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, können eine Lasertherapie oder chirurgische Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Ziel dieser Verfahren ist es, die Nasenschleimhaut zu reduzieren und die Nasengänge zu erweitern, um die Atmung zu erleichtern. Dies ist jedoch nur bei fortgeschrittener therapieresistenter Rhinitis medicamentosa indiziert.

Nasendusche © shutterstock
Nasenduschen helfen, die Schleimhäute zu befeuchten und stellen eine schonende Alternative bzw. Ergänzung zu Dekongestiva dar. © shutterstock

Prävention: Weniger ist mehr

Damit es gar nicht erst so weit kommt, ist die richtige Anwendung von abschwellenden Nasensprays entscheidend. Diese sollten möglichst niedrig dosiert und so kurz wie möglich angewendet werden. Es gibt unterschiedliche Studienergebnisse zur genauen Anwendungsdauer von maximal drei bis maximal zehn Tagen als Empfehlung. Auch sollten Warnhinweise auf den Verpackungen ersichtlich sein.6 Wichtig ist auch die Abgrenzung zur allergischen Rhinitis, um in diesem Fall nasale oder systemische Antihistaminika anbieten zu können.

Patient:innen sollten zudem gezielt auf konservierungsmittelfreie Formulierungen hingewiesen werden, um die Schleimhäute nicht unnötig zu belasten. Das aktive Anbieten von Nasenduschen bzw. von Meerwasser-Nasensprays kann hilfreich sein, um diese im Wechsel mit Dekongestiva zu verwenden. Auch pflanzliche Arzneimittel mit schleimhautabschwellender und schleimlösender Wirkung sind eine gute Alternative oder Ergänzung. Zu den nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Linderung von Nasenverstopfungen zählen das Anheben des Kopfes beim Schlafen sowie das Vermeiden trockener Luft.

Quellen

  • Ramey JT, et al.: Rhinitis medicamentosa. J Investig Allergol Clin Immunol 2006;16(3):148-155.
  • Knipping S, et al.: Rhinitis medicamentosa: electron microscopic changes of human nasal mucosa. Otolaryngol Head Neck Surg 2007;136(1):57-61.
  • Graf P: Rhinitis medicamentosa: a review of causes and treatment. Treat Respir Med 2005;4(1):21-29.
  • Deckx L, et al.: Nasal decongestants in monotherapy for the common cold. Cochrane 
    Database Syst Rev 2016;10(10):Cd009612.
  • Settipane RA, et al.: Nonallergic rhinitis. Am J Rhinol Allergy 2013;27 Suppl 1:48-51.

Weitere Literatur auf Anfrage

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