Depressive Verstimmung

Unterstützung durch pflanzliche Wirkstoffe

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Da die Ursache von depressiven Verstimmungen auch in einer Überforderung liegen kann, kann der Einsatz von adaptogenen Heilpflanzen wie Ginseng zur Vorbeugung sinnvoll sein. © Shutterstock

Depressionen und depressive Verstimmungen sind weit verbreitet und gehören zu den häufigsten psychischen Beschwerdebildern. Etwa 16 bis 20 % der Menschen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression.1 Die Ausprägung kann sehr stark variieren und von einer leichten depressiven Verstimmung bis zu einer schweren Depression reichen. Leichte Symptome sind sehr gut mit Heilpflanzen wie Johanniskraut beeinflussbar. Bei schweren Ausprägungen sind Phytopharmaka dagegen nicht geeignet. 

Zum einen ist eine schwere Depression ein gravierendes Krankheitsbild, das mitunter in Suizid enden kann; zum anderen ist die Wirkung von Heilpflanzen und daraus hergestellten Phytopharmaka bei schweren Depressionen nicht belegt.

Johanniskraut – Mittel der Wahl

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Johanniskraut zählt zu den am besten untersuchten Heilpflanzen und gilt auch im Sinne einer evidenzbasierten Medizin als nachweislich wirksam. Als Wirksubstanzen gelten Hypericin, Hyperforin, Xanthone und Flavonoide. Johanniskraut steigert die Konzentration verschiedener Neurotransmitter wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin in den Synapsen und wirkt dadurch stimmungsaufhellend. Zusätzlich wird vermehrt Melatonin ausgeschüttet. Seit Jahrzehnten wird Johanniskraut intensiv erforscht und gilt als wirksames Heilmittel bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen. Eine der aktuellsten Untersuchungen ist ein systemischer Review aus 35 Studien mit insgesamt 6.993 Patienten. Bei milden bis moderaten Symptomen einer Depression war Johanniskraut nicht nur Placebo signifikant überlegen, sondern in der Wirksamkeit – bei einer gleichzeitig deutlich besseren Verträglichkeit – auch mit gängigen Antidepressiva vergleichbar.2 Aufgrund der überzeugenden Studienlage findet sich Johanniskraut auch in Leitlinien als Option bei leichten bis mittelschweren Depressionen wieder (u. a. in ÖGPB – Österreichische Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie).

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Bezüglich der nachgesagten Phototoxizität von Johanniskraut
gibt es mittlerweile Zweifel an der Relevanz dieses Warnhinweises.

Johanniskraut ist gut verträglich, Nebenwirkungen sind selten und mild. Die Pflanze wirkt allerdings durch das enthaltene Hyperforin auf das Cytochrom P450-Enzym (3A4) und das P-Glycoprotein als Induktor. Durch den nachfolgenden verstärkten Metabolismus in der Leber verringert es deshalb den Plasmaspiegel von zahlreichen Wirkstoffen wie Cyclosporin, Digoxin, Indinavir, Irinotecan, Warfarin, Phenprocoumon, oralen Kontrazeptiva, Simvastatin, Alprazolam und Dextromethorphan. Im Hinblick auf die nachgesagte Phototoxizität von Johanniskraut gibt es mittlerweile Zweifel an der Relevanz dieses Warnhinweises. Bisher konnten ausgeprägte Effekte nur bei Weidetieren nach-gewiesen werden. In einer Studie zur möglichen Photosensibilisierung konnte zudem keine signifikante Änderung des Erythemrisikos festgestellt werden.3 Weitere Untersuchungen sind hierzu aber noch nötig.

Die Anwendung sollte laut HMPC am besten in Form eines Trockenextraktes (DEV: 3−7:1, Methanol 80 % oder DEV: 3−6:1, Ethanol 80 %) erfolgen. Die empfohlene Tagesdosierung liegt zwischen 300 und 600 mg.

Rosenwurz, Ginseng und Taigawurzel

Da die Ursache von depressiven Verstimmungen auch in einer Überforderung liegen kann, können vorbeugend eingenommen auch sogenannte adaptogene Heilpflanzen einen Nutzen bringen. Rosenwurz, Ginseng und Taigawurzel steigern die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress und lindern auf diese Weise deren negative Folgen.

Besonders die Rosenwurz hat in der europäischen Heilkunde eine lange Tradition als adaptogene Heilpflanze. In der alpinen Volksheilkunde wird diese z. B. nachweislich bereits im Mittelalter gegen Erschöpfung und als Aphrodisiakum verwendet. Auch in Skandinavien und Russland ist Rosenwurz bereits seit Langem in Verwendung und wurde im 20. Jahrhundert ausgiebig erforscht. 

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Phytopharmaka eignen sich sehr gut für den Einsatz bei leichter depressiver Symptomatik. © Shutterstock

Für die Wirkung der Rosenwurz dürften maßgeblich die enthaltenen Phenylethanoide (u. a. Salidrosid), Zimtalkoholderivate (u. a. Rosavin, Rosin und Rosarin), Benzylalkoholderivate, Flavonoide, Monoterpene sowie das ätherische Öl (0,05 %) verantwortlich sein. 

In den letzten Jahrzehnten wurde Rosenwurz ausgiebig untersucht. In In-vitro-Studien und Tierversuchen zeigten sich neuroprotektive, antidepressive, stressreduzierende und lebensverlängernde Effekte bei unterschiedlichen Spezies. Der antidepressive Effekt kann durch eine hemmende Wirkung auf MAO-A und MAO-B erklärt werden. Die aktivste Komponente ist hierbei Rosiridin, welche die Aktivität von MAO-B zu 80 % reduziert.4 Neuere Studien belegen auch für andere enthaltene Flavonoide wie Rhodiosin und Rhodionin inhibierende Effekte auf die Monoaminooxidase.5 Zusätzlich scheinen antioxidativ wirkende Inhaltsstoffe langfristig schützende Effekte auf die Nervenzellen im Gehirn auszuüben. Die bereits in Tierversuchen erbrachten antidepressiven Effekte zeigten sich auch in bisher durchgeführten kleineren Studien. So zeigte Mao et al. (2015), dass ein Rosenwurz-extrakt zwar nicht gleichwertig wie die Sertralindosis wirkte, allerdings dem Placebo signifikant überlegen war.Als empfohlene Tagesdosierung gilt 400 bis 600 mg eines standardisierten Extraktes.

Taigawurzel und Ginseng entfalten ähnliche Wirkungen wie die Rosenwurz. Taigawurzel wirkt zusätzlich auch immunstimulierend. Allerdings entfalten nur Rosenwurz und Ginseng auch konzentrationsfördernde Wirkungen.

Eine Anwendung adaptogener Heilpflanzen ist allerdings nur kurzfristig sinnvoll. Denn einerseits sollte der Fokus in der Vermeidung von Stress liegen, andererseits eignen sich adaptogene Heilpflanzen meist nicht zur langfristigen Einnahme. Ginseng sollte beispielsweise maximal drei Monate lang eingenommen werden. 

Da insbesondere Rosenwurz auch aufputschend wirkt und deshalb die Schlafqualität beeinflussen kann, sollte die Einnahme des jeweils gewählten Präparates unbedingt in der ersten Tageshälfte erfolgen. Während Ginsengwurzel auch als Tee zubereitet werden kann, sollten Rosenwurz und Taigawurzel nur in Fertigarzneimitteln eingenommen werden.

Schlafbeere (Ashwagandha) 

Die Wurzel der Schlafbeere (Withania somnifera) ist ein sehr beliebtes Heilmittel im Ayurveda und der TCM und hat in diesen traditionellen Heilsystemen eine entsprechend lange Tradition.

Da die Schlafbeere ähnlich wie Ginseng die Stressresistenz erhöht, nennt man sie auch Indischer Ginseng. Doch anders als Ginseng wirkt die Schlafbeere nicht nur adaptogen, sondern auch beruhigend. Man kann diese deshalb auch bei Schlaflosigkeit, Angsterkrankungen und Unruhe einsetzen. Außerdem sagt man dieser Pflanze antidepressive Effekte und eine ausgleichende Wirkung auf Emotionen und Gefühle nach. Dadurch eignet sich diese auch bei leichter depressiver Verstimmung. 

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Da die Schlafbeere ähnlich wie Ginseng die Stressresistenz erhöht, nennt man sie auch Indischer Ginseng.

Bei den Wirksubstanzen dürfte es sich um die in der Wurzel enthaltenen Steroide, den sogenannten Withanoliden, sowie Alkaloide handeln. Es gibt auch mehrere klinische Studien zu
Ashwagandha. In einer kleinen Studie wurden beispielsweise sowohl Muskelmasse als auch die allgemeine körperliche Stärke bei den Probanden nach einer achtwöchigen Einnahme von 2 x täglich 300 mg eines Extraktes verbessert.7

Die Anwendung kann als Dekokt sowie als Tinktur oder Trockenextrakt erfolgen. Wegen der enthaltenen Alkaloide sollte die empfohlene Tagesmenge von 3 bis 6 g getrocknete Wurzel bzw. 300 bis 500 mg des Extraktes nicht überschritten werden, da es in höheren Dosen zu Übelkeit und Durchfall kommen kann.

Bei Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes sowie in Schwangerschaft und Stillzeit gilt diese Pflanze auch aufgrund noch fehlender Sicherheitsdaten als kontraindiziert.

Quellen

1   www.gesundheitsinformation.de

2   Apaydin, et al.: A systematic review of St. John's wort for major depressive disorder. Syst Rev. 2016; 5(1):148.

3   Schempp, et al.: Effect of oral administration of Hypericum perforatum extract on skin erythema and pigmentation induced by UVB, UVA, visible light and solar simulated radiation. Phytotherapy Research 2003; 17:141–146

4   Van Diermen, et al.: Monoamine oxidase inhibition by Rhodiola rosea L. roots. J Ethnopharmacol. 2009; Mar 18;122(2):397–401

5   Vogel, et al.: Flavonoide aus Rhodiola rosea mit moderaten MAO-inhibierenden Eigenschaften. Z Phytother 2017; 38(S 01): S1–S44

Weitere Literatur auf Anfrage

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