Rheuma im Kindes- & Jugendalter

Ach du dickes Knie!

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Die Oligoarthritis ist die häufigste Form der JIA und befällt asymmetrisch bis zu vier Gelenke, darunter fast immer das Kniegelenk. © iStock
Die Oligoarthritis ist die häufigste Form der JIA und befällt asymmetrisch bis zu vier Gelenke, darunter fast immer das Kniegelenk. © iStock

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist eine entzündliche Gelenkserkrankung unbekannter Ursache im Kindes- und Jugendalter. JIA ist dabei ein Oberbegriff, der sämtliche rheumatische Erkrankungen zusammenfasst, die vor dem 16. Lebensjahr beginnen und seit mindestens sechs Wochen bestehen. Die International League of Associations for Rheumatology (ILAR) unterteilt JIA in sieben Subformen, deren Verlauf und Behandlung sich voneinander unterscheiden.

Kategorien der JIA

Die häufigste dieser Subformen ist die Oligoarthritis mit asymmetrischen Befall von bis zu vier Gelenken. Im Zuge dessen ist fast immer das Kniegelenk betroffen, gefolgt von Sprung- und Ellenbogengelenk. Rheumatolog:innen sprechen von persistierender Oligoarthritis, wenn weniger als vier Gelenke, und von erweiterter Oligoarthritis, wenn mehr als vier Gelenke in den Entzündungsprozess einbezogen sind. Mädchen erkranken öfter als Jungen. Bei ungefähr der Hälfte der Kinder ist der vordere Augenabschnitt mitentzündet (anteriore Uveitis), sodass regelmäßige augenärztliche Untersuchungen notwendig sind, um einen bleibenden Visusverlust zu vermeiden. 

Die systemische Polyarthritis (Morbus Still) geht mit hohem Fieber und multiplen Gelenksentzündungen einher. Sie ist gewissermaßen das juvenile Gegenstück zur rheumatoiden Arthritis im Erwachsenenalter. Andere Subformen sind:

  • Polyarthritis, Rheumafaktor positiv (ca. 10 %, aggressiv, symmetrischer Befall, v. a. kleine Fingergelenke)
  • Polyarthritis, Rheumafaktor negativ (ca. 30 % symmetrisch oder asymmetrisch, große und kleine Gelenke, oft chronische anteriore Uveitis)
  • Enthesitis-assoziierte Arthritis (ca. 10 %, asymmetrisch, assoziiert mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und axialer Spondylarthritis, HLA-B27 bei rund 80 % positiv)
  • Psoriasis-Arthritis (ca. 10 %, asymmetrisch, chronische anteriore Uveitis, Nagelbefall, Hautbeteiligung)
  • andere Arthritiden (erfüllen keine oder mehrere der genannten Kriterien)

Typische Symptome bei Erstvorstellung

Erstes Zeichen einer JIA ist meist ein geschwollenes, schmerzhaftes Gelenk, das die Kinder in ihrem normalen Spielverhalten beeinträchtigt und sie weniger aktiv bzw. vorsichtiger werden lässt. Das Allgemeinempfinden kann reduziert sein. Morgensteifigkeit und Schonhaltung stehen weniger im Vordergrund, da Kinder und Jugendliche in dieser Hinsicht anpassungsfähiger sind und die Beschwerden besser kompensieren können. Um die JIA von anderen entzündlichen Erkrankungen des Kindesalters (z. B. „Hüftschnupfen“, Zöliakie) abzugrenzen, ist es wichtig, nach der Dauer des Verlaufs (akut/chronisch) zu fragen. Bei Verdacht empfiehlt sich eine rheumatologische Abklärung innerhalb von sechs Wochen nach Symptombeginn. An eine JIA sollte man an der Tara auch denken, wenn vermeintliche Banal-Traumata (umgeknickt, an Stuhl angeschlagen, gestolpert etc.) für die Arthritis verantwortlich gemacht werden. Hier ist es notwendig, den Eltern zu erklären, dass derartige Alltagstraumata im Kleinkindesalter nicht zu geschwollenen Gelenken führen und eine andere Ursache dahinterstecken muss. 

Übergeordnete Ziele der Therapie

Die Behandlung der JIA zielt auf eine rasche und effektive Entzündungskontrolle mit Remissionsinduktion/-erhalt, die Vermeidung von krankheits- und therapiebedingten Folgeschäden sowie die Gewährleistung einer möglichst störungsfreien Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen ab (Treat to Target). Eine frühe Diagnose und Therapie sind prognosebestimmend und verhindern strukturelle Gelenksschäden. Die Prognose verschlechtert sich, wenn die Behandlung verzögert einsetzt oder im Krankheitsverlauf eine Oligoarthritis in eine Polyarthritis übergeht. Ohne Therapie sind einseitige Wachstumsvorsprünge, Achsenfehlstellungen und Muskelschwund unvermeidlich, was eine gestörte motorische Entwicklung nach sich ziehen kann. 

Inwiefern Kinder und Jugendliche auf die Therapie ansprechen, lässt sich mithilfe validierter und standardisierter Messinstrumente bestimmen. Mithilfe des JADAS (Juvenile Arthritis Disease Activity Score) kann man z. B. die globale Krankheitsaktivität beurteilen. Gemessen wird auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10, wobei 0 keiner Aktivität und 10 einer maximalen Krankheitsaktivität entspricht. Eine inaktive Erkrankung oder Remission wird ebenfalls anhand des JADAS und/oder der Wallace-Kriterien definiert. Die regelmäßige Evaluation im Abstand von mindestens drei Monaten erlaubt eine rechtzeitige Anpassung der zielorientierten Therapie.

Medikamentöse Therapie der JIA

Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach dem jeweiligen Subtyp der JIA und reicht von klassischen nicht-steroidalen antiinflammatorischen Arzneistoffen (NSAID) und intraartikulären Corticosteroiden bis hin zu niedermolekularen bzw. biologischen krankheitsmodifizierenden Arzneistoffen (DMARD, vgl. Tab. 1). Auch wenn sich der Trend in Richtung einer möglichst zeitnahen Gabe von DMARD bewegt, haben NSAID im Kindes- und Jugendalter, speziell bei Oligoarthritis und Enthesitis-assoziierter Arthritis nach wie vor ihren Stellenwert. Obwohl der Krankheitsverlauf dadurch unbeeinflusst bleibt, werden NSAID bei allen Subtypen der JIA zur Symptomverbesserung einer aktiven Arthritis als initiale oder begleitende Therapie eingesetzt. Organtoxische Nebenwirkungen sind – anders als bei erwachsenen Patient:innen – weniger oft therapielimitierend.

Tabelle 1, Fachinformation der jeweiligen Präparate. eOA: extended Oligoarthritis, pJIA: polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis, 
EAA: Enthesitis-assoziierte Arthritis, sJIA: systemische juvenile idiopathische Arthritis, PsA: Psoriasis Arthritis
Medikamentenübersicht bei JIA
Arzneistoffübliche DosisApplikationsartBemerkung
nicht-steroidale Antirheumatika
Ibuprofen20–40 mg/kg/TagTbl., Saft, Zäpfchen, topisch-
Naproxen10–15 mg/kg/TagTbl., Saft-
Diclofenac2–3 mg/kg/TagTbl., topisch-
Indometacin1–3 mg/kg/TagTbl.-
Meloxicam0,25 mg/kg/TagTbl.-
COX-2-Hemmer-Tbl.selten
Steroide
Prednison-Äquivalentniedrig dosiert:
0,1–0,2 mg/kg/Tag
moderat dosiert:
0,5–2,0 mg/kg/Tag
Pulstherapie:
10–20 mg/kg/Tag
Tbl., Saft, Zäpfchen, 
intraartikulär, okulär
vermeide systemische Gabe 
DMARD
Methotrexat10–20 mg/m2/WocheTbl., subkutanab 2 Jahren: pJIA
Kontrolle Blutbild und Leberwerte
Sulfasalazin30–50 mg/kg/TagTbl.ab 6 Jahren:
v. a. nicht-axiale EAA
(OH)-Chloroquin6 mg/kg/TagTbl.ab 6 Jahren,
Augenkontrolle
TofacitinibgewichtsadaptiertSaftab 2 Jahren: eOA, pJIA
JAK-Hemmer
LeflunomidgewichtsadaptiertTbl.off-label-use, Kontrazeption
Biologika
Etanercept0,8 mg/kg/Wochesubkutanab 2 Jahren: eOA, pJIA
ab 12 Jahren: PsA, EAA
Adalimumabgewichtsadaptiert, max. 40 mg/Dosis alle 2 Wochensubkutanab 2 Jahren: pJIA, Uveitis
ab 6 Jahren: EAA
Golimumab< 40 kg: 30 mg/m2
> 40 kg: 50 mg
alle 4 Wochen
subkutanab 2 Jahren: pJIA
Tocilizumab< 30 kg: 12 mg/kg
> 30 kg: 8 mg/kg
alle 2–4 Wochen
intravenös
subkutan (ab 1 Jahr)
 ab 2 Jahren: pJIA, sJIA
Canakinumab4 mg/kg
alle 4 Wochen
subkutanab 2 Jahren: sJIA 
AbataceptIntravenös:
< 75 kg: 10 mg/kg
> 75 kg: 750 mg
alle 4 Wochen
intravenös, subkutani.v. ab 6 Jahren: sJIA
s.c. ab 2 Jahren: sJIA
Subkutan:
10–25 kg: 50 mg
25–50 kg: 87,5 mg
> 50 kg: 125 mg
einmal pro Woche
Anakinra1–2 mg/kg/Tagsubkutanab 8 Monaten: sJIA



Als weitere Option stehen intraartikuläre Injektionen von Depot-Corticosteroiden zur Verfügung (z. B. Triamcinolonhexacetonid). Systemische Darreichungsformen sind lediglich bei hoher Krankheitsaktivität und systemischen Verlaufsformen indiziert. Ein langfristiger Einsatz soll wegen des hohen Risikos unerwünschter Wirkungen nicht erfolgen.

Das im Praxisalltag am häufigsten verordnete DMARD bei JIA ist Methotrexat. Der rechtzeitige Therapiebeginn ist in Studien mit einem besseren Ansprechen verbunden – die Wahrscheinlichkeit, eine klinisch inaktive Erkrankung zu erreichen, steigt. In den meisten Fällen ist eine Fortführung der Behandlung über das Jugendalter hinaus erforderlich. Für die Eltern ist es wichtig zu wissen, dass der Effekt nicht unmittelbar, sondern erst nach bis zu zwölf Wochen eintritt. Aus diesem Grund überbrücken Rheumatolog:innen die ersten Wochen gerne mit NSAID und/oder intraartikulären Corticosteroiden (sogenanntes Bridging).

Ist Methotrexat unzureichend wirksam oder vertragen die Kinder das DMARD nicht, ist der Einsatz von Biologika empfohlen. Moleküle, die zur Behandlung der JIA eingesetzt werden, richten sich gegen proinflammatorische Zytokine oder Zytokinrezeptoren (TNF-α, Rezeptoren von IL-1 und IL-6) oder Lymphozyten kostimulierende Oberflächenproteine (CD80/CD86). Die Wahl des Biologikums orientiert sich an der JIA-Subform und etwaigen extraartikulären Manifestationen. Tabelle 2  bildet das medikamentöse Vorgehen bei JIA ab.

Tabelle 2, modifiziert nach S2k-Leitlinie: Therapie der JIA. Stand: 2019. MTX: Methotrexat, NSAID: nicht-steroidale antiinflammatorische Arzneistoffe
Medikamentöser Algorithmus bei JIA
Oligoarthritispolyartikuläre FormenEnthesitis-
assoziiert

Psoriasis 
Arthritis

Systemische 
Arthritis

1. Stufeintraartikuläre 
Corticoide
MTXNSAIDMTXorale Corticoide oder IL-1-Blocker oder IL-6-Blocker
2. StufeMTXTNF-α-Blocker oder IL-6-Blockernicht-axial:
MTX oder Sulfasalazin
TNF-α-BlockerMTX (v. a. bei poly-
artikulärem Verlauf
axial:
TNF-α-Blocker
3. StufeindividuellAbataceptindividuellindividuellAbatacept
TREAT TO TARGET

Nichtmedikamentöse Therapie stets mit an Bord

Physikalische Maßnahmen wie die Kühlung betroffener Gelenke ergänzen medikamentöse Ansätze. Physio- und Ergotherapie sind im Kindes- und Jugendalter unverzichtbar, um die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Psychologische Unterstützung und private Vereine zum gegenseitigen Austausch vervollständigen das therapeutische Angebot für die Familien.

Quellen

• Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). S2k-Leitlinie: Therapie der Juvenilen Idiopathischen Arthritis, 3. Aufl., 2019.
• Giancane G, Consolaro A, Lanni S et al. Juvenile Idiopathic Arthritis: Diagnosis and Treatment. Rheumatol Ther. 2016; 3(2):187-207.
• Martini A, Lovell DJ, Albani S et al. Juvenile idiopathic arthritis. Nat Rev Dis Primers. 2022; 8(1):5.
• McCurdy D, Parsa MF. Updates in Juvenile Idiopathic Arthritis. Adv Pediatr. 2021; 68:143-170.
• Onel KB, Horton DB, Lovell DJ et al. 2021 American College of Rheumatology Guideline for the Treatment of Juvenile Idiopathic Arthritis: 
Therapeutic Approaches for Oligoarthritis, Temporomandibular Joint Arthritis, and Systemic Juvenile Idiopathic Arthritis. Arthritis Care Res (Hoboken). 2022; 74(4):521-537.

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