
Es kann – zumindest historisch in der Behandlung der Malaria2 sowie heute noch bei Methämoglobinämie durch Anilin- und Nitritvergiftung.3 Denn wird das Fe2+-Ion des Hämoglobins durch Nitrate, Nitrosegase oder aromatische Nitroverbindungen zu Fe3+ oxidiert, verliert Hämoglobin seine Fähigkeit zum Sauerstofftransport. Intravenös verabreichtes Methylenblau kann die erneute Reduktion zum Fe2+ jedoch beschleunigen.4
Regenerierbares Antioxidans
Dieser Effekt zeigt sich auch im Gehirn. Als lipophiles Molekül ist Methylenblau in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und sich insbesondere in den Mitochondrien des Gehirns anzureichern. Es unterbindet die Entstehung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), indem es Elektronen aufnimmt, und wird dabei selbst reduziert. Durch Abgabe dieser Elektronen auf Cytochrom C wird es wieder zurückoxidiert – Methylenblau ist also ein regenerierbares Antioxidans. In Humanstudien zeigte es Hinweise, dass sich die Gedächtnisleistung nach der Einnahme von Methylenblau verbessern könnte.5 Zweifelsfrei nachgewiesen ist eine gedächtnisstärkende oder energetisierende Wirkung jedoch nicht. Auch die Hoffnung, dass die Substanz den kognitiven Abbau bei Alzheimer verringern könnte, hat sich mittlerweile zerschlagen.6
Achtung vor Wechselwirkungen und Verunreinigungen
Und auch ein blauer Farbstoff ist nicht frei von Neben- oder Wechselwirkungen. Da Methylenblau Monoaminooxidasen und Guanylylcyclasen hemmt, dürfen Personen unter SSRI- oder SNRI-Einnahme die Substanz aufgrund eines dann möglichen Serotonin-Syndroms keinesfalls einnehmen. Darüber hinaus folgt die Substanz einer hormetischen Dosis-Wirkungs-Beziehung: In hohen Dosen kehrt sich ihre Wirkung um und sie wirkt prooxidativ. Ab etwa 2 mg/kg Körpergewicht können unerwünschte
Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Brustschmerzen, Schwindel, Hypotension und hämolytische Anämie auftreten.
Ein weiterer Fallstrick ergibt sich hinsichtlich der Reinheit von Methylenblau. Da der Farbstoff in Pulverform lediglich als Chemikalie zugelassen ist, nicht jedoch als Nahrungsergänzungsmittel oder gar Arzneimittel, bleibt sein Reinheitsgrad unklar.
Ob eine TikTok-fähige blaue Zunge all diese Risiken wert ist?
Quelle
- https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Methylene-Blue, Zugriff am 23.4.2025
- Benson P H et al., Methylene Blue, 2017, Progress in Neurobiology, https://www.sciencedirect.com/topics/neuroscience/methylene-blue#chapters-articles Zugriff am 23.4.2025
1 TikTok-Influencer Iamjanlucca
2 Guttmann P. , Ehrlich P.: Ueber die Wirkung des Methylenblau bei Malaria. Berliner Klinische Wochenschrift: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/institut/veroeffentlichungen-von-paul-ehrlich/1886-1896/1891-wirkung-methylenblau-malaria.pdf, Zugriff am 22.4.2025
3 https://www.pschyrembel.de/Anilinintoxikation/K02EH, Zugriff am 23.4.2025
4 https://flexikon.doccheck.com/de/Methylenblau, Zugriff am 23.4.2025
5 Rodriguez P et al., Multimodal Randomized Functional MR Imaging of the Effects of Methylene Blue in the Human Brain. Radiology. 2016 Nov;281(2):516-526
6 Gauthier S et al., Efficacy and safety of tau-aggregation inhibitor therapy in patients with mild or moderate Alzheimer's disease: a randomised, controlled, doub