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Die Rolle der Polyphenole

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AssoC. Prof. Mag. pharm. Corina Madreiter-Sokolowski, PhD Gottfried Schatz Forschungszentrum, Med Uni Graz © Beigestellt
AssoC. Prof. Mag. pharm. Corina Madreiter-Sokolowski, PhD Gottfried Schatz Forschungszentrum, Med Uni Graz © Beigestellt

Dabei handelt es sich um nicht kodierende, einzelsträngige Enden der Chromosomen. Sie verhindern, dass sich die Chromosomen untereinander verbinden oder versehentlich abgebaut werden. Bei jeder Zellteilung werden die Telomere kürzer. Sind sie so kurz, dass sich die Zelle nicht mehr teilen kann, wird die Zelle zu einer sogenannten seneszenten Zelle, die Entzündungsmediatoren abgibt und nicht sterben kann. Die Gesamtheit der von seneszenten Zellen abgegeben Substanzen wird als SASP bezeichnet (Seneszenz-assoziierter sekretorischer Phänotyp). Mit zwei Strategien kann dagegen vorgegangen werden: Senomorphika sollen Zellen davon abhalten, Entzündungsmediatoren zu produzieren. Mit Senolytika sollen hingegen seneszente Zellen gezielt abgetötet werden. 

Längentests für Telomere

Ab einem Alter von 60 Jahren nimmt die Anzahl der seneszenten Zellen exponentiell zu. Telomerlängenbestimmungen, mit denen der Anteil der seneszenten Zellen bestimmt werden soll, steht Madreiter-Sokolowski kritisch gegenüber, denn die Telomerlängen sind interindividuell sehr variabel und die angebotenen Testmethoden zudem nicht standardisiert.

Resveratrol als Potenzielles Senolytikum

Für Polyphenole, zu denen neben Lignanen, Tanninen, Phenolsäuren und Stilbenen wie Resveratrol auch Flavonoide wie Catechine und Quercetin zählen, wurden bisher einzelne positive Effekte gefunden, die entsprechenden Studien sind laut Madreiter-Sokolowski jedoch sehr schwierig zu interpretieren. Oft handelte es sich dabei um kleine Stichproben und die Studienteilnehmer:innen nahmen unterschiedliche Polyphenolmengen ein. Das u. a. in Weintrauben enthaltene Resveratrol scheint sogenannte Langlebigkeitsgene (Sirtuine) zu aktivieren. Außerdem fördert es die Calcium-Aufnahme in die Mitochondrien. Mitochondrien in älteren Zellen enthalten vergleichsweise mehr Calcium als jene in jungen Zellen und verfügen über eine höhere Calciumaufnahmekapazität, sind jedoch auch anfälliger für eine Calcium-Überladung. Bei alten Zellen führt Resveratrol durch die erhöhte Calciumaufnahme daher zum Zelltod, jüngere Zellen sind davon nicht betroffen. Die potenziell senolytische Wirkung tritt bei Resveratrol-Konzentrationen von 100 µM auf. Durch den hohen First-Pass-Effekt sind solche Konzentrationen in der Realität jedoch de facto nicht zu erreichen. Zudem reagiert Resveratrol durch seine chemische Struktur mit vielen weiteren Zielstrukturen. Die tägliche Einnahme von 500 mg Resveratrol dürfte zwar keine gesundheitlichen Schäden verursachen, aber auch keine gesundheitlichen Vorteile bringen. 

Grüntee-Catechine und ROS

Im Fadenwurm (Caenorhabditis elegans) konnte gezeigt werden, dass Grüntee-Catechine wie Epigallocatechingallat (EGCG) zu einer längeren Lebenszeit und vitaleren Tieren führten, die darüber hinaus auch weniger Körperfett aufwiesen. Nach der Catechingabe war der Anteil von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) in den Würmern zunächst zwar erhöht, nahm danach jedoch ab, was auf eine erhöhte Radikalabwehr der Würmer schließen lässt. 

Catechine könnten also nicht nur die körpereigene Abwehr anregen, sondern darüber hinaus auch über eine potenziell senomorphe Wirkung verfügen. Leider ist auch ihre Bioverfügbarkeit mit lediglich 1 % sehr gering. 

Antioxidantien in der Kritik 

An diesem Punkt verwies Madreiter-Sokolowski auf die teilweise paradoxen Effekte von Antioxidantien, die bspw. in den HOPE- und HOPE-TOO-Studien bei Vitamin E dokumentiert wurden. Ein interessantes Ergebnis zeigte sich bei der Insulinsensitivität: Während Proband:innen ohne Supplementierung nach Ausdauersport die erwartete Verbesserung erfuhren, blieb dieser positive Effekt bei jenen aus, die Antioxidantien eingenommen hatten. „Die Einnahme von Antioxidantien ist vielleicht beim älteren Menschen sinnvoll, im mittleren Alter aber eher frag­würdig“, hielt die Vortragende fest. ROS werden auch als Signalling-Moleküle gebraucht. 

Mehr Studien notwendig

Madreiter-Sokolowski resümierte, dass es mehr gute klinische Studien zu Polyphenolen an jungen, gesunden Proband:innen bräuchte. Einzig die positive Wirkung von Grünem Tee und schwarzem Kaffee ist gut untersucht. Allgemein ginge es nicht darum, lediglich die Lebensspanne zu verlängern, sondern die Gesundheitsspanne. „Besonders in den letzten zehn Lebensjahren treten vermehrt chronische Krankheiten auf“, so die Expertin.

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