
In den letzten Jahren tat sich im Bereich der Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe viel Neues: Erst im Dezember 2021 wurde von der EMA der 15-valente Pneumokokkenimpfstoff Vaxneuvance® der Firma MSD zugelassen, der 20-valente Impfstoff Prevenar® 20 (vormals Apexxnar®) von Pfizer folgte wenige Monate später im Februar 2022. Im März 2025 wurde ein weiteres Vakzin mit einer noch breiteren Serogruppenabdeckung zugelassen: der 21-valente Pneumokokken-Polysaccharid-Konjugatimpfstoff Capvaxive® von MSD, der seit Juli auch in Österreich erhältlich ist.
21-valenter Pneumokokkenimpfstoff
Capvaxive® enthält je 4 Mikrogramm Polysaccharide aus den Bakterienkapseln der verschiedenen Pneumokokken-Typen 3, 6A, 7F, 8, 9N, 10A, 11A, 12F, 15A, 15B, 16F, 17F, 19A, 20A, 22F, 23A, 23B, 24F, 31, 33F und 35B. Jedes Polysaccharid ist an das Trägerprotein CRM197 gebunden. Das Trägerprotein ist eine nicht toxische Mutante des Diphtherie-Toxins. Es wird als Adjuvans zur Verstärkung der Immunreaktion auf die Antigene eingesetzt. Weitere Bestandteile sind Natriumchlorid, Histidin, Polysorbat 20 (E 432) und Salzsäure zur pH-Einstellung.
Nur für Erwachsene
Capvaxive® ist indiziert zur aktiven Immunisierung von Personen ab 18 Jahren zum Schutz vor invasiven Erkrankungen und Pneumonien, die durch Streptococcus pneumoniae verursacht werden. Die zusätzlichen Serotypen, die in dem 21-valenten Impfstoff enthalten sind, nicht jedoch im 15- oder 20-valenten Impfstoff, sind für Kinder und Jugendliche kaum, aber für Erwachsene relevant.
Der Impfstoff kommt als Fertigspritze mit einer farblosen, klaren bis opaleszierenden Injektionslösung in den Handel. Das Vakzin wird intramuskulär injiziert, bevorzugt in den Deltamuskel des Oberarms. Eine Dosis ist zur Immunisierung ausreichend. Der Impfstoff ist kühlkettenpflichtig und muss bei 2 bis 8 °C gelagert werden. In Fällen, in denen Capvaxive® sich vorübergehend außerhalb der Kühlung befindet, ist der Impfstoff bei Temperaturen bis 25 °C für 96 Stunden stabil. Am Ende dieses Zeitraums muss er entweder verwendet oder verworfen werden. Die Haltbarkeit beträgt zwei Jahre.
Zulassungsstudie
Die EU-Zulassung von Capvaxive® beruht auf sechs klinischen Phase-III-Studien mit insgesamt 8.369 Erwachsenen, von denen 5.450 den Impfstoff erhielten. Von den geimpften Teilnehmer:innen hatten 14 % zuvor andere Pneumokokken-Impfstoffe erhalten, 33 % hatten Risikofaktoren für eine Pneumokokken-Erkrankung (z. B. Alkoholismus, chronische Herzerkrankung, chronische Lebererkrankung, chronische Lungenerkrankung einschließlich Asthma, Diabetes, Rauchen) und annähernd 4 % waren mit HIV infizierte Erwachsene, was ebenfalls mit einem hohen Risiko für eine Pneumokokken-Erkrankung verbunden ist. In jeder der Studien wurde die Immunogenität anhand der Serotyp-spezifischen Immunantworten einen Monat nach der Impfung beurteilt. Dabei wurden IgG-Konzentrationen und die sogenannte opsonophagozytische Aktivität (OPA) bestimmt. Letztere zeigt, wie gut funktionale Antikörper in der Lage sind, Pneumokokken-Kapselpolysaccharide zu markieren, um sie zerstören zu lassen. Vergleichsstudien wurden durchgeführt mit Prevenar® 20, das 10 der 21 Arten von S. pneumoniae mit Capvaxive® teilt, und mit Pneumovax® 23, das 12 der 21 Arten von S. pneumoniae in Capvaxive® enthält. In den Studien zeigte sich eine Nicht-Unterlegenheit der durch Capvaxive® ausgelösten Antikörperspiegel für alle 21 Polysaccharide.
Capvaxive®
Wirkstoff
21-valenter Pneumokokken-Polysaccharid-
Konjugatimpfstoff
Darreichungsform
Injektionslösung in einer Fertigspritze
Indikation
Erwachsene ab 18 Jahren, zur aktiven Immunisierung zur Prävention von invasiven Erkrankungen und
Pneumonien durch Streptococcus pneumoniae
Dosierung und Art der Anwendung
Eine Impfdosis (0,5 ml) intramuskulär,
keine Daten an Kindern und Jugendlichen
Warnhinweise
Bei schweren akuten fieberhaften Infekten
Impfung verschieben, Vorsicht bei Personen mit Gerinnungs-störungen bzw. unter antikoagulativer
Therapie, Allergie auf Polysorbate
Gegenanzeigen
Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe,
einschließlich Diphtherie-Toxoid
Schwangerschaft und Stillzeit
Nutzen/Risiko-Abwägung in der Schwangerschaft, keine klare Aussage zur Stillzeit
Nebenwirkungen
Fatigue, Kopfschmerzen, Myalgie, Lymph-
aden-opathie, Magen/Darm, Schüttelfrost,
lokale Reaktionen (Schmerzen, Erythem)
Verträglichkeit
Die häufigsten Nebenwirkungen nach einer Impfung mit Capvaxive® waren Schmerzen an der Injektionsstelle (53 %), Ermüdung/Fatigue (25 %), Kopfschmerzen (18 %) und Myalgie (10 %). Die Nebenwirkungen waren mehrheitlich leicht oder mäßig ausgeprägt und von kurzer Dauer (≤ drei Tage). Schwere Nebenwirkungen, die den normalen Alltag beeinträchtigen oder mit einer starken Rötung von mehr als 10 cm an der Einstichstelle einhergehen, traten bei weniger als 1 % der geimpften Personen auf.
Zur Anwendung von Capvaxive® in der Schwangerschaft liegen keine Daten vor; tierexperimentelle Daten lassen aber keine schädlichen Effekte vermuten. Eine Impfung von Schwangeren sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn der Nutzen die potenziellen Risiken für Mutter und Kind übersteigt. Ob der Impfstoff in die Muttermilch übergeht, ist nicht untersucht. Auch die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen wurde bislang nicht geprüft.
Neue Empfehlung für Capvaxive®
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat am 5. Juni 2025 eine neue Impfempfehlung für die Pneumokokkenimpfung publiziert und eine Empfehlung für den Einsatz von Capvaxive® ausgesprochen. So ist laut Impfplan 2025 eine einmalige Dosis Capvaxive® für alle Menschen ab 60 Jahren und für chronisch kranke Personen ab 18 Jahren anzuraten. Es ist keine sequenzielle Impfung mehr nötig. Personen ab 60, die zuvor mit einem anderen Pneumokokken-Impfstoff geimpft wurden, sollten zur breiteren Serotypen-Abdeckung nach ungefähr einem Jahr einmalig Capvaxive® erhalten. Nur bei spezieller Indikation ist eine Impfung mit Capvaxive® bereits nach frühestens acht Wochen möglich. Ob und wann eine Auffrischung nötig ist, ist derzeit noch nicht bekannt.
Die gleichzeitige Verabreichung von Capvaxive® und Influenza-Impfstoffen ist möglich. Zur gleichzeitigen Anwendung des neuen Pneumokokkenimpfstoffs mit anderen Vakzinen als Influenza-Impfstoffen liegen keine Daten vor.