Apotheken im Zeichen der Nachhaltigkeit

Pharmacists for Future

MAG. PHARM.  René  GERSTBAUER
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Nachhaltige Apotheken © Shutterstock
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ie Initiative „Pharmacists for Future“ wurde im Jahr 2019 in Deutschland unter dem Dach des Vereins Demokratischer Pharmazeut:innen ins Leben gerufen. Ihr Anliegen ist es, die Transformation der Pharmazie hin zu einem ökologisch verantwortungsvollen und klimaresilienten Berufsstand zu fördern. In interprofessionellen Netzwerken engagieren sich seither Apotheker:innen, Wissenschaftler:innen sowie Industrie- und Krankenhausapotheker:innen für evidenzbasierte Nachhaltigkeitsstrategien. Die Gründung der Schwesterinitiative „Pharmacists for Future Österreich“ erfolgte als Reaktion auf den Wunsch nach einem spezifisch auf die österreichische Versorgungsrealität zugeschnittenen Zugang zur Thematik. Zwar steht die neue Initiative im engen Austausch mit der deutschen Bewegung, jedoch verfolgt sie einen explizit praxisorientierten, auf den Apothekenalltag fokussierten Ansatz. 

Vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Klimakrise und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken kommt öffentlichen Apotheken genauso wie Krankenhausapotheken eine zentrale Rolle als niedrigschwellige Anlaufstelle für umweltmedizinische Beratung und gesundheitspräventive Aufklärung zu. Zugleich darf die durch Arzneimittel verursachte Umweltbelastung – insbesondere über aquatische Kompartimente – nicht länger ausgeblendet werden. Hier setzt der heimische Verein an: mit dem Ziel, ökologisches Denken in der pharmazeutischen Praxis systematisch zu etablieren.

Umweltbelastung durch Arzneistoffe: Die Lage in Österreich

Arzneimittel haben unbestritten eine essenzielle Bedeutung für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit. Gleichzeitig sind sie jedoch als anthropogene Mikroschadstoffe in der Umwelt zunehmend relevant. Studien zufolge sind global mehr als 900 pharmazeutische Wirkstoffe in Umweltkompartimenten nachweisbar. Im österreichischen Kontext wurden im Rahmen von Messkampagnen in kommunalen Kläranlagen bereits rund 70 unterschiedliche Arzneistoffe und deren Metabolite detektiert, darunter synthetische Estrogene, Lipidsenker, Antibiotika und Analgetika. 

Probe © Shutterstock
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Ein österreichweites Monitoringprogramm aus dem Jahr 2023 analysierte 25 Kläranlagen und fand in sämtlichen untersuchten Abwasserproben relevante Konzentrationen von insgesamt 39 pharmazeutischen Wirkstoffen – darunter Diclofenac, Carbamazepin und Makrolidantibiotika. Die gemessenen Konzentrationen von Diclofenac im Ablaufbereich der Kläranlagen bewegten sich im Bereich von 1 bis 100 µg/l – und liegen damit signifikant über den von der Europäischen Umweltagentur empfohlenen PNEC-Grenzwerten für aquatische Lebensräume. Besonders alarmierend ist der Nachweis hormonaktiver Substanzen in jeder einzelnen Probe.

Emissionspfade und ökotoxikologische Auswirkungen

Die primären Emissionspfade pharmazeutischer Substanzen in die Umwelt bestehen in der Exkretion nach oraler oder parenteraler Applikation sowie in der unsachgemäßen Entsorgung nicht konsumierter Arzneimittel. Infolge unvollständiger Eliminationsleistungen konventioneller Klärverfahren persistieren viele Wirkstoffe in Fließgewässern. Dies kann bereits in subtherapeutischen Konzentrationen zu erheblichen ökotoxikologischen Effekten führen: Beispielsweise induzieren hormonaktive Wirkstoffe wie Ethinylestradiol Verweiblichungseffekte und Reproduktionseinbußen bei aquatischen Organismen. NSAR wie Diclofenac zeigen hepato- und nephrotoxische Effekte bei Fischen. Der unsachgemäße Einsatz von Diclofenac in der Veterinärmedizin hatte in Asien weitreichende ökologische Konsequenzen: In Indien und Pakistan kam es infolgedessen zu einem dramatischen Rückgang der Geierpopulationen. Antibiotika wiederum entfalten neben ihrer ökotoxikologischen Wirkung ein erhebliches umweltmedizinisches Risiko durch die Förderung antimikrobieller Resistenzentwicklung. Selbst im Nanogrammbereich nachgewiesene Konzentrationen können zur Selektion resistenter Stämme beitragen. Die gesamtgesellschaftliche Relevanz dieser Problematik ist evident.

Handlungsspielräume in der Offizinpharmazie 

Angesichts der ökologischen Persistenz und potenziellen Toxizität zahlreicher Wirkstoffe liegt es im professionellen Selbstverständnis der Apotheker:innen, im Rahmen ihrer pharmazeutischen Verantwortung zur Reduktion der Umweltbelastung beizutragen. Auch wenn infrastrukturelle Faktoren wie Abwasseraufbereitung und Produktionsbedingungen der Industrie nur bedingt beeinflusst werden können, bestehen im Apothekenbetrieb konkrete Ansatzpunkte für ein nachhaltiges Wirkstoffmanagement.

Umweltbewusste Beratung

Durch strukturierte patientenzentrierte Gespräche kann ein rationaler Arzneimittelgebrauch gefördert werden. Dabei stehen Adhärenzförderung, Indikationsprüfung und das Vermeiden von Medikationsduplikaten im Vordergrund. Bei topischen Applikationen umweltrelevanter Substanzen wie Diclofenac ist auf spezielle Applikationsempfehlungen hinzuweisen, etwa auf das Abwischen der Hände mit einem saugfähigen Tuch vor dem Händewaschen. Auch die Empfehlung passender Packungsgrößen unter Berücksichtigung der Therapiedauer ist ein relevanter Aspekt im Sinne der Abfallvermeidung.

Rezeptur

Im Kontext der Individualherstellung gilt es, den Herstellungsprozess ressourcenschonend zu gestalten. Dazu zählt die exakte Mengenbemessung zur Reduktion von Überhängen ebenso wie die Wahl umweltverträglicher Hilfsstoffe und Grundlagen. Wo therapeutisch vertretbar, sollten polymere Hilfsstoffe mit Mikroplastikcharakter oder schwer abbaubare Lösungsmittel durch ökologische Alternativen substituiert werden.

Lagerhaltung

Die Implementierung eines stringenten Lager- und Warenwirtschaftssystems (z. B. FEFO-Prinzip) minimiert das Risiko der Verfallsdatenüberschreitung und damit verbundenen Sondermüllfraktionen. Regelmäßige Inventurzyklen und Schulungen des Apothekenteams sind hierbei ebenso entscheidend wie ein bedarfsgerechtes Bestellverhalten.

Entsorgungsberatung

Die Apotheke als niedrigschwellige Gesundheitsinstitution eignet sich in besonderer Weise für die Aufklärung über umweltgerechte Arzneimittelentsorgung. Kund:innen sollten explizit darauf hingewiesen werden, dass Altmedikamente weder über die Kanalisation noch über den Hausmüll entsorgt werden dürfen. Stattdessen stehen öffentliche Apotheken und kommunale Problemstoffsammelstellen als legale und sichere Entsorgungsorte zur Verfügung. Dieser niederschwellige Service leistet einen unmittelbaren Beitrag zum Schutz aquatischer Ökosysteme und unterstreicht die umweltmedizinische Verantwortung der Offizin

Institutionelle Rahmenbedingungen

Damit Nachhaltigkeitsinitiativen erfolgreich sind, braucht es auch institutionelle Unterstützung und gute Rahmenbedingungen. In Österreich bekennt sich die Apothekerkammer inzwischen klar zu Klimaschutzzielen. Unter Federführung der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wurde ein Pilotprojekt gestartet, um Gesundheitseinrichtungen – inklusive Apotheken – auf dem Weg zur Klimaneutralität zu begleiten. Apothekenteams entwickelten dabei individuelle Klima-Aktionspläne mit Maßnahmen von erneuerbarer Energie über Abfallreduktion bis hin zu lokaler Arzneimittelproduktion. Besonders gelungene Umsetzungen wurden 2023 mit „Best Practice Awards“ ausgezeichnet.

Praxisbeispiel
gelebte Nachhaltigkeit

Die Apotheke an der Wien in Hietzing zeigt, wie Nachhaltigkeit im Apothekenalltag erfolgreich umgesetzt werden kann. Inhaberin Mag. pharm. Caroline Frauendorfer (im Übrigen Mutter eines der Gründungsmitglieder von Pharmacists for Future Österreich) und ihr Team haben ihre Offizin in allen Bereichen nachhaltiger gestaltet und dafür einen Klimaschutz-Preis vom ehemaligen Gesundheitsminister Johannes Rauch erhalten. 

Bei Geschäftspartner:innen wird hinter die Kulissen geschaut: Wie wird produziert? Woher kommen die Bestandteile? Lieferketten und Produktionsbedingungen werden kritisch geprüft. Im Apothekenalltag setzt das Team auf umweltfreundliche Alternativen, vom 
Recycling-Papier bis zur biologisch abbau-baren Tragetasche, und bietet den Kund:innen explizit „nachhaltige Beratungen“ an. Das Feedback der Kundschaft ist äußerst positiv, viele sind dankbar für die Extra-Tipps. 

Das Beispiel zeigt: Auch einzelne Apotheken können viel bewegen und als Best Practice dienen. Denn wirklich jede und jeder im Apothekenwesen kann einen Beitrag leisten.

Fazit

Die Verankerung nachhaltiger Prinzipien in der Offizinpharmazie ist ein zentraler Schritt zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks des Arzneimittelsektors. Die Initiative „Pharmacists for Future Österreich“ versteht sich als Impulsgeberin für diesen Paradigmenwechsel. Durch wissenschaftsbasierte Aufklärung, praxisrelevante Handlungsoptionen und interprofessionellen Austausch kann es gelingen, Umwelt- und Gesundheitsschutz synergetisch zu verbinden – im Sinne einer zukunftsfähigen pharmazeutischen Versorgung. Die Apotheke als Ort für nachhaltige Gesundheitskommunikation kann damit nicht nur eine fachliche, sondern auch eine gesellschaftspolitische Vorbildfunktion übernehmen.


Quellen

  • Altenburger R, et al.: Future water quality monitoring-adapting tools to deal with mixtures of pollut ants in water resource management. Sci Total Environ 2015; 512513: 540551
  • Alygizakis NA, et al.:  Characterization of wastewater effluents in the Danube River Basin with chemical screening, in vitro bioassays and antibiotic resistant genes analysis. Environment International 2019; 127: 420-429
  • AGES Arzneimittelspezialitätenregister, abgerufen am 06.04.2025
  • AGES Antibiotika & Resistenzen, abgerufen am 06.04.2025
  • ARCEM Austrian Research Cooperation on endocrine modulators. Hormonwirksame Stoffe in Österreichs Gewässer – Ein Risiko? Umweltbundesamt GmbH, Wien, 2003.
  • BMNT Arzneimittelwirkstoffe und Hormone in Fließgewässern. GZ.V Sondermessprogramm 2017/2018. Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Wien

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