leich mehrere Innovationen erweiterten 2025 das therapeutische Spektrum in Bereichen, die bisher nur unzureichend behandelbar waren oder ausschließlich symptomatische Ansätze boten. Besonders hervorzuheben sind neue Therapieoptionen bei kardialer Amyloidose, die aus einer nicht behandelbaren Erkrankung eine gut beherrschbare Kondition machen. Bei pulmonaler Hypertonie ermöglicht erstmals ein kausaler Behandlungsansatz eine drastische Reduktion von Mortalität und Hospitalisierungen. Auch in der Alzheimer-Therapie gelingt mit den ersten zugelassenen Anti-Amyloid-Antikörpern ein Paradigmenwechsel. Weitere Neuerungen betreffen die gezielte Juckreizbehandlung bei Hauterkrankungen und die Therapie der Reizblase. Im Folgenden ein Überblick.
Transthyretin Acoramidis (Beyonttra®) & Vutrisiran (Amvuttra®)
Kardiale Amyloidose-Erkrankungen werden immer besser therapierbar
Amyloidosen entstehen durch Ablagerungen fehlgefalteter Proteine. Während die Leichtketten-Amyloidose eine hämatoonkologische Erkrankung darstellt, betrifft die Transthyretin-Amyloid-Kardiomyopathie (ATTR-CM) überwiegend ältere Männer. Man bezeichnet diese Form auch als Wildtyp-ATTR. Die Ursache liegt in Fehlfaltungen des Thyroxintransporters Transthyretin. Die dadurch ausgelöste Instabilität führt zu einer Dissoziation der monomeren Bausteine, die in der Folge im Herzmuskel deponiert werden und zu Verdickung und Versteifung führen. Dadurch kann die linke Herzkammer nur unzureichend gefüllt werden und nicht mehr ausreichend Blut durch den Körper pumpen.
Acoramidis (Beyonttra®) wirkt als TTR-Stabilizer indem es die Bindungsstellen von Thyroxin besetzt und dadurch die Dissoziation des Transthyretins in die Monomeren verhindert. In Studien zeigte Acoramidis über einen Zeitraum von 42 Monaten eine Halbierung der Krankenhausaufenthalte und damit einen hohen Gewinn an Lebensqualität. Die Mortalität konnte um ein Drittel gesenkt werden.
Vutrisiran (Amvuttra®) ist ein small-interfering RNA Oligonukleotid, das ursprünglich gegen hereditäre Transthyretin-Neuropathien eingesetzt wurde und kürzlich eine Zulassungserweiterung für die Anwendung bei kardialer Amyloidose erhielt. Vutrisiran verhindert in der Leber die Transthyretin-Biosynthese, indem es den Abbau der mRNA auslöst. Vutrisiran reduziert die Mortalität um 35 %.
Die kardiale Amyloidose wurde somit von einer nichtbehandelbaren Erkrankung mit schlechter Prognose zu einer gut beherrschbaren Erkrankung. Optimal ist ein möglichst früher Behandlungsbeginn.
Interleukin-31 Nemolizumab (Nemluvio®)
Der Juckreiz im Fokus bei atopischer Dermatitis und Prurigo nodularis
Juckreiz gehört bei entzündlichen Hauterkrankungen zu den unangenehmsten Begleitsymptomen, die einen massiven Einfluss auf die Lebensqualität haben. Das dadurch ausgelöste Kratzen fördert wiederum Läsionen und Entzündungen und hält dadurch einen Teufelskreis aufrecht. Nemolizumab (Nemluvio®) ist der erste monoklonale Antikörper, der speziell gegen Interleukin-31 gerichtet ist. IL-31 gilt auch als „Juckreiz“-Interleukin und spielt bei atopischer Dermatitis und Prurigo nodularis eine Schlüsselrolle.
Bei atopischer Dermatitis reicht nach einer Initialphase alle 8 Wochen eine subkutane Erhaltungsdosis von 30 mg. Prägnant ist die Reduktion der Juckreizempfindung um ca. 42 % und mehr als ein Drittel erreicht nach 16 Wochen eine erscheinungsfreie oder fast erscheinungsfreie Haut. Im Vergleich zu den Januskinase-Inhibitoren und Biologika stellt die erstmals mögliche selektive Blockade von IL-31 eine interessante Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten dar.
Die Hautknoten bei Prurigo nodularis stellen für die Patient:innen eine große Herausforderung dar, da der durch sie ausgelöste extreme Juckreiz auch keine erholsame Nachtruhe ermöglicht. Nemolizumab bewirkt auch hier durch Blockade von IL-31 eine gravierende Verbesserung.
Aktivin A Sotatercept (Winrevair®)
Sprunginnovation bei pulmonaler Hypertonie
Der kleine Körperkreislauf (Lungenkreislauf) ist ein Niederdrucksystem (20/8 mmHg), bei dem eine dauerhafte Überschreitung ab 25 mmHg bereits als pathologisch bezeichnet wird. Bisherige Behandlungsansätze wirken ausnahmslos symptomatisch, indem eine Gefäßerweiterung angestrebt wurde. Der Grund für die pulmonale arterielle Hypertonie liegt aber in einem proliferativen Remodeling der Blutgefäße. Das bedeutet, dass das Gleichgewicht zwischen Zellneubildung und Apoptose der Endothelzellen deutlich in Richtung Proliferation verschoben ist.
Ein Haupttreiber dieser proliferativen Signale ist Activin A und es wird Schicht um Schicht von Endothelzellen gebildet. Die Folge ist, dass das Lumen immer kleiner wird, der Druck hingegen immer höher und das Herz zunehmend überlastet wird. Sotatercept (Winrevair®) setzt genau hier an. Es ist ein Aktivin-Rezeptor-Fusionsprotein, fungiert als „Ligandenfalle“ für Aktivin A und reduziert dadurch die ausufernde Proliferation der Endothelzellen. Sotatercept wird nach einer Initialphase alle drei Wochen subkutan verabreicht. Nach etwa 1-jähriger Behandlungsdauer konnten Mortalität und Krankenhausaufenthalte um 84 % gesenkt werden.
Beta-3-Agonist Vibegron (Obgemsa®)
Relaxierende Wirkung bei Reizblase
Eine überaktive Blase (Reizblase) liegt dann vor, wenn trotz unvollständiger Füllung ein unaufschiebbarer und unkontrollierbarer Harndrang auftritt. Die Erkrankung entwickelt sich schleichend, bis letztlich die Entleerungsfrequenz keinen normalen Tagesablauf und keinen erholsamen Schlaf mehr ermöglicht. Als Therapie der Wahl gelten zwar nichtmedikamentöse Verfahren wie Blasentraining mit gezieltem Verzögern des Harndrangs und Beckenbodentraining. Oftmals ist aber eine medikamentöse Begleittherapie unumgänglich.
Neben Anticholinergika und Mirabegron stellt Vibegron (Obgemsa®) eine Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten dar. Es wirkt als Beta-3-Rezeptoragonist relaxierend auf die Harnblasenmuskulatur und zeigte in Vergleichsstudien sowohl hinsichtlich der täglichen Inkontinenzepisoden (minus 2) als auch bei der Zahl der täglichen Miktionen (minus 1,8) eine deutliche Wirkung.
Beta-Amyloid Lecanemab (Leqembi®) & Donanemab (Kisunla®)
Erste Fortschritte bei der Therapie von M. Alzheimer.
Lecanemab (Leqembi®) und Donanemab (Kisunla®) wurden von der EMA bei strenger Indikationsprüfung zur Alzheimer-Behandlung zugelassen. Es muss eine klinisch diagnostizierte leichte Alzheimer-Demenz mit bestätigter Beta-Amyloid-Pathologie vorliegen und die Patient:innen dürfen nicht zwei Kopien des Alzheimer-Risikogens Apolipoprotein ApoE4 tragen.
Lecanemab bindet (bevorzugt) an lösliche Beta-Amyloid-Protofibrillen, die Vorstufen der Plaques sind, und aktiviert Immunzellen des Gehirns (Mikroglia) durch eine Antikörper-abhängige Zytotoxizität. Dadurch wird die Bildung von Plaques reduziert, zum Teil auch gebildete Plaques entfernt und der Krankheitsfortschritt gebremst. Lecanemab wird alle zwei Wochen i. v. verabreicht. Die Wirksamkeit spiegelt sich in einer Reduktion des Demenzfortschritts um 31 %.
Donanemab bindet an das N3pG-Protein, eine besonders toxische und aggressive Form des Amyloid-Peptids, das auch eine Katalysatorfunktion bei der Bildung von Amyloid-Plaques hat. Außerdem verstärkt N3pG die neurotoxischen Effekte von Beta-Amyloid und hyperphosphoryliertem Tau. Donanemab reduziert nach 76 Wochen die Amyloid-Last um 76 %, bei 84 % der Patient:innen erreicht man sogar eine Amyloid-Clearance. Die Demenzprogression kann um bis zu 36 % verlangsamt werden. Donanemab muss einmal monatlich i. v. verabreicht werden.
Mit Lecanemab und Donanemab kann zwar keine Heilung erzielt werden, aber es gelingt erstmals, das Voranschreiten der Alzheimer-Demenz nachweisbar zu verlangsamen.