APOkongress 2025

Impfprävention schwerer Atemwegsinfektionen

Prim. Priv.-Doz. Dr.

Arschang

Valipour

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Avlipour © beigestellt/APOVERLAG
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Klinische Realität: Vermeidbare Hospitalisierungen

Anhand eindrücklicher Fallbeispiele machte Valipour deutlich, welche Folgen impfpräventable Atemwegsinfektionen haben können. Ein 68-jähriger Patient mit COPD entwickelte nach initial inadäquater antibiotischer Therapie ein Pleuraempyem durch Pneumokokken, was eine siebenwöchige intensivmedizinische Behandlung erforderlich machte. Eine 46-jährige Patientin mit Adipositas und Diabetes mellitus erlitt durch Influenza A ein akutes Lungenversagen mit septischem Multiorganversagen und einer Mortalitätswahrscheinlichkeit von 65 %. Diese Fälle verdeutlichen: Schwere Atemwegsinfektionen durch Influenza, Pneumokokken, RSV und COVID-19 sind keine Bagatellerkrankungen.

SARI-Surveillance und epidemiologische Daten

Die aktuellen Daten des österreichischen SARI-Dashboards zeigen besorgniserregende Trends. In der Saison 2024/2025 wurden bereits über 1.000 wöchentliche Hospitalisierungen aufgrund schwerer Atemwegsinfektionen verzeichnet, wobei COVID-19 weiterhin eine bedeutende Rolle spielt. Besonders relevant: Die Influenza-assoziierte Übersterblichkeit 2024 erreichte Spitzenwerte von über 1.900 Todesfällen pro Woche. Global betrachtet verursachen Atemwegsinfektionen durch Pneumokokken, Influenza und RSV jährlich hunderttausende Todesfälle, wobei die Mortalität mit zunehmendem Alter exponentiell ansteigt.

Synergistische Effekte viraler und bakterieller Infektionen

Ein wichtiger Aspekt des Vortrags war der Zusammenhang zwischen viralen Infektionen und nachfolgenden bakteriellen Superinfektionen. Virale Atemwegsinfektionen erhöhen das Risiko für Pneumokokkeninfektionen signifikant, wie epidemiologische Daten aus den USA eindrucksvoll belegen. Während der Influenzawellen 2010 bis 2012 folgten Pneumokokkeninfektionen zeitlich versetzt auf die viralen Infektionsgipfel. Valipour betonte, dass diese synergistischen Effekte die Bedeutung einer umfassenden Impfstrategie unterstreichen.

Aktuelle Impfempfehlungen für Österreich

Der österreichische Impfplan 2025/2026 empfiehlt für Erwachsene ab 60 Jahren folgende Impfungen gegen Atemwegsinfektionen: Pertussis-Auffrischung alle fünf Jahre, einmalige Pneumokokkenimpfung mit dem neuen 21-valenten Konjugatimpfstoff PCV21 (Capvaxive), jährliche Influenzaimpfung sowie COVID-19-Auffrischungsimpfungen insbesondere für Risikogruppen. Neu hinzugekommen ist die RSV-Impfung ab 60 Jahren beziehungsweise ab 50 Jahren bei Vorliegen von Risikofaktoren.

Der 21-valente Pneumokokkenimpfstoff erweitert die Serotypenabdeckung um acht zusätzliche Stämme und nutzt den indirekten Schutz durch die Kinderimpfung. Für Personen, die bereits mit anderen Pneumokokkenimpfstoffen geimpft wurden, wird nach etwa einem Jahr eine einmalige Impfung mit PCV21 empfohlen.

Impflücken schließen: Die Rolle der Apotheke

Trotz nachgewiesener Wirksamkeit – die Influenzaimpfung reduziert schwere Verläufe um 40 bis 48 %, die RSV-Impfung sogar um 82 bis 94 % – liegen die Impfraten in Österreich bei lediglich etwa 15 % für Influenza. Im europäischen Vergleich weist Österreich mit 25 % Impfskepsis einen der höchsten Werte auf. Valipour identifizierte mehrere Barrieren: mangelndes Wissen, allgemeine Impfskepsis, falsche Risikoeinschätzung und kulturelle Faktoren.

Als eine der wirksamsten Strategien zur Steigerung der Impfbereitschaft nannte der Referent die persönliche Empfehlung durch medizinisches Fachpersonal. Hier kommt Apotheker:innen eine Schlüsselrolle zu: Als niederschwellige Ansprechpartner:innen können sie aktiv auf Risikopatient:innen zugehen, über Impfungen aufklären und zur Impfung motivieren. Valipour appellierte an die Teilnehmenden, diese Beratungsfunktion proaktiv wahrzunehmen.

Praktische Implikationen für die Apotheke

Für die pharmazeutische Praxis ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen: Patient:innen ab 60 Jahren sowie jüngere Personen mit chronischen Erkrankungen (Asthma, COPD, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz) sollten gezielt auf ihren Impfstatus angesprochen werden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen immunsupprimierte Patient:innen und Personen mit funktioneller oder anatomischer Asplenie. Die Kombination mehrerer Impfungen in einer Sitzung ist möglich und sollte gefördert werden, um die Adhärenz zu verbessern.

Fazit

Impfpräventable schwere Atemwegsinfektionen verursachen erhebliche Morbidität und Mortalität, insbesondere bei älteren und vorerkrankten Personen. Die verfügbaren Impfstoffe bieten wirksamen Schutz, werden jedoch unzureichend genutzt. Apotheker:innen können durch aktive Ansprache und Beratung einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Durchimpfungsraten leisten.

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