APOkongress 2025: Exazerbationen verhindern

COPD-Management in der Apotheke

Prim. Priv.-doz. Dr. 

Marie-Kathrin

Meyer

,

Phd

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Prim. Priv.-doz. Dr.  marie-Kathrin Breyer, Phd Vorständin der Abteilung für  Atemwegs- und Lungenkrankheiten,  Klinik Penzing, Wien © beigestellt
Prim. Priv.-doz. Dr. marie-Kathrin Breyer, Phd Vorständin der Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten, Klinik Penzing, Wien © beigestellt

Epidemiologie und Risikofaktoren: Mehr als nur Rauchen

In Österreich sind rund 5 bis 8 % der Bevölkerung von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) betroffen, wobei die Prävalenz mit dem Alter deutlich ansteigt. Besonders alarmierend sei die hohe Dunkelziffer, betonte Breyer. Frauen werden häufig unterdiagnostiziert, da ihre Symptome oft atypisch verlaufen und zunächst als psychische Belastung oder kardiale Probleme fehlinterpretiert werden. Die biologisch bedingt höhere Empfindlichkeit gegenüber Schadstoffen sowie zusätzliche Belastungen durch Biomasse-Exposition verstärken das Risiko weiblicher Patientinnen zusätzlich.

Während Tabakrauch nach wie vor der Hauptrisikofaktor bleibt, verdeutlichte die Referentin, dass COPD durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren entsteht. Neben genetischer Prädisposition spielen frühe Lebensereignisse wie niedriges Geburtsgewicht, intrauterine Wachstumsretardierung und Frühgeburtlichkeit eine wesentliche Rolle. Infektionen in der Kindheit, berufliche Schadstoffexpositionen sowie Luftverschmutzung tragen zur Krankheitsentstehung bei und beeinflussen den Verlauf über verschiedene Lebensphasen hinweg.

Diagnose und Klassifikation: ABE-Schema als Therapieleitfaden

Die Diagnosestellung erfolgt durch Spirometrie, wobei eine persistierende Obstruktion mit einem FEV1/FVC-Verhältnis unter 0,7 nach Bronchodilatation beweisend ist. Die GOLD-Klassifikation stuft den Schweregrad anhand der Lungenfunktion ein, doch für die Therapieentscheidung ist das ABE-Schema mittlerweile maßgeblich. Dieses berücksichtigt neben der Lungenfunktion sowohl die Symptomatik mittels validierter Fragebögen (mMRC-Dyspnoe-Skala, CAT-Score) als auch die Exazerbationshistorie. Patient:innen werden entsprechend in die Gruppen A, B oder E eingeteilt, woraus sich die individuell passende medikamentöse Therapie ableitet.

Exazerbationen stellen das zentrale Kernproblem dar, da sie die Mortalität massiv erhöhen und die Lungenfunktion beschleunigt verschlechtern. Nach einer schweren Exazerbation mit Krankenhausaufenthalt bleibt das Sterberisiko für ein ganzes Jahr um das Zwanzigfache erhöht, nach moderaten Exazerbationen immerhin um das Zweieinhalbfache über sechs Monate.

Pharmakologische Therapie: Individualisierung und Inhalationstechnik

Die medikamentöse Basistherapie besteht aus langwirksamen Bronchodilatatoren. Patient:innen der Gruppe A mit geringer Symptomatik erhalten entweder einen langwirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) oder ein langwirksames Beta-2-Sympathomimetikum (LABA). Bei höherer Symptomlast (Gruppe B) wird die duale Bronchodilatation mit LAMA plus LABA empfohlen. Entscheidend ist, dass ein Monopräparat oft ausreicht und die Therapietreue fördert.

Für Betroffene mit häufigen Exazerbationen (Gruppe E) kommt zusätzlich ein inhalatives Corticosteroid (ICS) zum Einsatz, insbesondere bei erhöhten Bluteosinophilen (≥ 300 Zellen/µl). Eine Kombination aus LABA und ICS ohne LAMA sollte vermieden werden. Eine ergänzende orale Therapie mit Azithromycin kann bei Ex-Raucher:innen in speziellen Fällen erwogen werden, wobei die Studienlage gemischt ist. Dupilumab zeigt vielversprechende Ergebnisse bei Patient:innen mit chronischer Bronchitis und häufigen Exazerbationen und wurde 2024 als erstes Biologikum in der EU bei unkontrollierter COPD zugelassen.

Ein kritischer Erfolgsfaktor jeder inhalativen Therapie ist die korrekte Anwendungstechnik. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Patient:innen Fehler bei der Inhalation macht, was die Wirksamkeit erheblich mindert. Die Wahl des geeigneten Inhalationssystems muss individuell erfolgen und richtet sich nach Lungenfunktion, kognitiven Fähigkeiten und persönlichen Präferenzen. Pulverinhalatoren erfordern ausreichenden inspiratorischen Fluss, Dosieraerosole eine gute Hand-Lungen-Koordination. Der Einsatz von Spacern kann die Deposition deutlich verbessern und sollte bei Koordinationsschwierigkeiten empfohlen werden.

Nicht-pharmakologische Maßnahmen und Exazerbationsprävention

Der Rauchstopp bleibt die wichtigste Einzelmaßnahme mit dem größten Einfluss auf Krankheitsprogression und Überleben. Pneumologische Rehabilitation, bestehend aus strukturiertem Training und Patientenschulung, verbessert Belastbarkeit, Lebensqualität und reduziert Exazerbationen nachweislich. Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken, COVID-19, Pertussis, RSV und Herpes zoster senken das Risiko schwerer Atemwegsinfektionen erheblich und sollten konsequent empfohlen werden.

Bei chronischer Hypoxämie ist eine Langzeit-Sauerstofftherapie indiziert, die nachweislich das Überleben verlängert. Nicht-invasive Beatmung kommt bei persistierender Hyperkapnie zum Einsatz und entlastet die Atemmuskulatur. Ein weiterer oft unterschätzter Aspekt ist das Management der zahlreichen Begleiterkrankungen: Etwa 40 % der COPD-Patient:innen leiden an koronarer Herzkrankheit, fast die Hälfte an Hypertonie, jede/r Fünfte an Herzinsuffizienz. Etwa die Hälfte der Patient:innen leidet zusätzlich an Diabetes, ebenso viele an Depression oder Osteoporose.

Die Apotheke als zentrale Anlaufstelle

Apotheker:innen übernehmen eine Schlüsselrolle im COPD-Management. Die Schulung der Inhalationstechnik sollte bei jeder Neuverordnung erfolgen und bei Folgekontakten regelmäßig überprüft werden, idealerweise durch praktische Demonstration. Das Erkennen von Anwendungsfehlern und das frühzeitige Gegensteuern sind essenziell, bevor eine Therapie als unzureichend bewertet und intensiviert wird.

Das Medikationsmanagement umfasst die Prüfung auf Interaktionen und Mehrfachtherapien sowie die Unterstützung der Therapietreue durch strukturierte Erinnerungssysteme. Bei der Rauchstopp-Beratung können Apotheken durch die Auswahl und Dosierung von Nikotinersatzprodukten sowie Verweise auf Entwöhnungsprogramme wertvolle Hilfe leisten. Die Beratung zu Impfungen, die Früherkennung von Atemwegsinfekten und die Information über die korrekte Handhabung von Hilfsmitteln wie Inhalationskammern runden das Leistungsspektrum ab. Besonders wichtig ist das Monitoring auf Nebenwirkungen, etwa Mundsoor nach ICS-Anwendung, und die entsprechende Beratung zur richtigen Mundspülung. Auch die Unterstützung bei Ernährungsfragen, sei es Kachexie oder Übergewicht, sowie Bewegungsempfehlungen gehören zur ganzheitlichen Betreuung.

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