Korrekt anwenden

Transdermale Opioidpflaster

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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TTS werden auf nicht gereizte, nur mit Wasser gereinigte, flache und narbenfreie Hautpartien geklebt.  © Shutterstock
TTS werden auf nicht gereizte, nur mit Wasser gereinigte, flache und narbenfreie Hautpartien geklebt. © Shutterstock

Kaum ein anderes Gesundheitsproblem belastet mehr als der Schmerz, insbesondere wenn es sich dabei um chronische Schmerzen handelt. Allein in Österreich sind fast zwei Millionen Menschen betroffen. Körperliche Funktionseinschränkungen und Verlust an Lebensqualität, aber auch Krankschreibungen und damit einhergehender Produktivitätsverlust machen chronische Schmerzen zu einem schwerwiegenden Gesundheitsproblem. Ein individualisiertes und vor allem leicht zugäng­liches Pain-Management ist deswegen von großer Bedeutung.

Dieses inkludiert im Idealfall sowohl nicht-medikamentöse (z. B. physikalische, psychotherapeutische, komplementäre) als auch pharmakologische Ansätze, welche in einem multimodalen Gesamtkonzept mit den Patientinnen und Patienten besprochen und bei Bedarf modifiziert werden. Bei schweren chronischen Schmerzen ist die medikamentöse Therapie mit Opioiden Teil dieses Gesamtkonzeptes. Ihr Einsatz setzt eine detaillierte Schmerzdiagnose und ständige Reevaluierung voraus. Realistische Behandlungsziele umfassen eine Schmerzreduktion um 30–50 % sowie eine objektivierbare Verbesserung der alltäglichen Funktionalität, Schlaf- und Lebensqualität anhand etablierter Skalen und Fragebögen.

Die Haut als Resorptionsorgan

Die bevorzugte Darreichungsform für Opioide sind langwirksame Retardpräparate, die den Wirkstoff über mehrere Stunden gleichmäßig freisetzen. Neben retardierten Kapseln und Tabletten sind in Österreich seit geraumer Zeit auch transdermale therapeutische Systeme (TTS) erhältlich, bei denen der Arzneistoff über die Haut in die Blutbahn gelangt. Damit dies funktioniert, gilt es zuallererst die Hautbarriere zu überwinden. Vor allem das zur Epidermis gehörende Stratum corneum verhindert ein effektives Diffundieren topisch applizierter Substanzen. Zurzeit erfüllen lediglich zwei Opioide die geeigneten Voraussetzungen, um für eine transdermale Applikation infrage zu kommen: Fentanyl und Buprenorphin.

Durchbruchschmerz
Kurzwirksame Opioide

Kurzwirksame Opioide (Rapid-Onset Opioids; ROO) haben in der Behandlung von nicht-tumorbedingten Schmerzen keinen Platz. Ihre Verordnung ist auf Durchbruchschmerzen bei Krebs beschränkt. ROO in Medikationsplänen von nicht an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten sind deshalb stets abklärungsbedürftig!

Kasten 1


Fentanyl vs. Buprenorphin

Pharmakologisch betrachtet ist Fentanyl ein reiner µ-Opioidrezeptor-Agonist. Seine analgetische Potenz ist ca. 75–100 x größer als jene von Morphin, weshalb sich das Opioid gut bei nozizeptiv getriggerten Schmerzen eignet. Die Wirkung beginnt ungefähr zwölf Stunden nach dem Kleben des ersten Fentanylpflasters. Relevant ist dies im Zuge der Ersteinstellung oder beim Wechsel von einer peroralen auf eine transdermale Therapie. Einerseits um das Wiederauftreten von Schmerzen zu verhindern, andererseits um vermehrte Nebenwirkungen aufgrund einer Überdosierung hintanzuhalten. Während Leberinsuffizienz in der Praxis kein wesentliches Problem darstellt, erfordern Nierenfunktionsstörungen oder die gleichzeitige Gabe von CYP3A4-Inhibitoren/Induktoren womöglich eine Anpassung der Dosis.

Buprenorphin wird angesichts seines Rezeptorbindungsprofils (partieller µ-Opioidrezeptor-Agonist, κ-Opioid-rezeptor-Antagonist, Blockade spannungsgesteuerter Natriumionenkanäle) gerne bei nozizeptiven Schmerzen mit viszeraler oder neuropathischer Komponente eingesetzt. Spürbare Analgesie stellt sich rund 21 Stunden nach dem erstmaligen Aufkleben des Pflasters ein. Dosisreduktionen sind mit Buprenorphin generell seltener notwendig, bei starken CYP3A4-Inhibitoren wie Clarithromycin oder Itraconazol jedoch in Betracht zu ziehen. Ein weiterer praxisrelevanter Aspekt ist die variable Tragedauer diverser Buprenorphin-TTS. Diese beträgt je nach Präparat drei, vier oder sieben Tage. Bei der Umstellung von einem Pflaster auf ein anderes ist also Vorsicht geboten.

Membran- vs. Matrixpflaster

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von TTS: Membran- und Matrixpflaster. Erstere werden auch Reservoir-Pflaster genannt, weil der Wirkstoff in einer Flüssigkeit oder einem Hydrogel (dem Reservoir) gelöst vorliegt. Für eine ­möglichst gleichmäßige Freisetzung ist eine Kontrollmembran verantwortlich. Wird diese verletzt, ist eine schlagartige Arzneistoffabgabe die Folge, mit der Gefahr einer lebensbedrohlichen Überdosierung (sog. Sturzentleerung). Membranpflaster dürfen daher unter keinen Umständen zerschnitten werden.

Matrixpflaster sind demgegenüber deutlich dünner. Sie bestehen aus einer wasserundurchlässigen Rückseitenfolie und einer hochviskosen wirkstoffhaltigen Klebeschicht (der Matrix). Diese gelförmige Matrix übt simultan die Aufgaben des Reservoirs, des Kontrollelements und des Haftklebers aus. Das Opioid ist darin homogen dispergiert. Matrixpflaster lassen sich ohne Sturzentleerung zerschneiden, auch wenn dies vom Hersteller nicht vorgesehen ist und einem Off-Label-Use entspricht.

Aufkleben von opioidhaltigen TTS

Für die korrekte und komplikationslose Anwendung ist der richtige Umgang mit TTS essenziell. Ähnlich den Asthma/COPD-Inhalatoren sollte dieser in regelmäßigen Abständen kontrolliert und ggf. optimiert werden. Manche Hersteller bieten zu diesem Zweck wirkstofffreie Placebopflaster an.

Im Großen und Ganzen werden TTS nach dem Abziehen der Schutz­folie wie herkömmliche Pflaster auf die Haut geklebt. Dies sollte allerdings auf nicht gereizten, gereinigten, flachen und narbenfreien Hautpartien und erst nach der Abnahme des alten TTS geschehen. Vorzugsweise erfolgt die Applikation am Oberkörper, dem oberen Rücken oder unterhalb des Schlüsselbeins auf der Brust. Die vorgesehene Applikationsstelle wird mit klarem Wasser ohne Zusätze gereinigt. Seifen, Lotionen oder Öle können die Haut reizen und/oder die Haftfähigkeit des Klebers beeinflussen. Der Gebrauch von Tensiden, alkoholischen Lösungen oder organischen Lösungsmitteln verstärkt die transkutane Permeation lipophiler Arzneistoffe und ist ebenfalls zu vermeiden.

Tabelle 1
Vor- und Nachteile opioidhaltiger TTS
VorteileNachteile
Kontinuierliche WirkstoffabgabeLangsames An- und Abfluten der Wirkstoffe
Keine PlasmaspitzenspiegelKein Einsatz bei Akutschmerzen
Lange DosierungsintervalleFehler bei der Handhabung
GI-unabhängige ResorptionFehler bei der Verordnung
Hohe Patient:innenzufriedenheitAllergische Reaktion auf Pflasterbestandeile
Tendenz zu weniger GI-Nebenwirkungen



Auf keinen Fall darf vor dem Aufkleben das gewählte Areal mit einer Klinge rasiert werden. Die mechanische Reizung begünstigt unvorhersehbare Wirkspiegelschwankungen. Besser ist es, die Haare kurz über der Hautoberfläche behutsam mit einer Schwere abzuschneiden. Das Pflaster wird nach dem Aufbringen mit der flachen Hand 30 Sekunden fest auf die jeweilige Hautstelle gepresst. Wurde bereits ein TTS geklebt, ist es ratsam, dieselbe Stelle frühestens nach einer Woche wiederzuverwenden.

Wechsel von opioidhaltigen TTS

Fentanyl- und buprenorphinhaltige TTS dürfen je nach Präparat zwischen drei und sieben Tagen auf der Haut verbleiben. Der Pflasterwechsel sollte optimalerweise immer zur gleichen Zeit erfolgen. Hier hat sich das Eintragen des Wechseltermins im Medikationsplan, dem Kalender bzw. die gut ­sichtbare Anbringung eines farblichen Aufklebers mit Datum und Uhrzeit (z. B. Pflegepersonal, nahe Angehörige) bewährt. Weil die Wirkstoffabgabe mit konstanter Geschwindigkeit erfolgt, kann ein Wechsel prinzipiell auch schon vor dem Ende des Dosierungsintervalls stattfinden. Etwaige Pflasterreste auf der Haut sind mit Wasser oder Seife und nicht mit organischen Lösungsmitteln wie Wundbenzin zu entfernen, damit kein zusätzlicher Wirkstoff freigesetzt wird. Studien zufolge beträgt der Wirkstoffgehalt in gebrauchten TTS zwischen 30 und 98 %. Dieser Umstand birgt gerade bei opioidhaltigen Pflastern ein hohes Missbrauchspotenzial. Einmal getragene TTS sind aus diesem Grund mit den Klebeflächen aneinander in einem geschlossenen Behälter – manche Präparate enthalten eigene Entsorgungsbeutel – im Hausmüll zu entsorgen. Will man auf Nummer sicher gehen, empfiehlt sich die zusätzliche Verpackung in unauffälligen neutralen Verpackungsmaterialien wie Packpapier oder Zeitungen.

Auswahl
Zu beachtende Einflussfaktoren
  • Hohe Temperaturschwankungen (Sauna, Therme, Solarium, Sonnenstrahlung etc.)
  • Mechanische Einwirkung (z. B. Duschen, Sport)
  • Fieber
  • MRT-Untersuchungen (falls metallische Komponenten enthalten)
  • Pergamenthaut (v. a. ältere, speziell kachektische, Patientinnen und Patienten)
  • Seifen, Öle, Waschlotionen und organische Lösungsmittel
  • Applikationsareal (u. a. anatomisch ungünstig, behaart, vernarbt)
  • Irritation der Haut (z. B. Rasierer, erkrankte Haut)

Kasten 2


Begleitmedikation und Opioid-Rotation

Die Begleitmedikation transdermaler Opioide unterscheidet sich nicht von anderen Darreichungsformen. Der Obstipation, einer opioidinduzierten Störung der Darmfunktion, gegen die sich keine Toleranz entwickelt, ist mit der prophylaktischen Gabe von Laxanzien wie Macrogol zu begegnen. Für die ein- bis zweiwöchige antiemetische Prophylaxe haben sich in erster Linie Dopaminantagonisten wie Metoclopramid bewährt. Persistierende Übelkeit mit/ohne Erbrechen erfordert mitunter eine vorübergehende Kombination aus Metoclopramid, Dexamethason und Ondansetron. Wenn trotz adäquater antiemetischer Medikation Übelkeit und Erbrechen nicht beherrschbar sind, ist eine Opioid-Rotation unvermeidbar.

Wichtig ist es dann, die Äquivalenzdosis des neuen Opioids entsprechend zu wählen. Beim Wechsel von Tabletten oder Kapseln auf TTS wird die orale Basistherapie in der Regel für zwölf Stunden beibehalten. Umgekehrt sollte mit der ersten Einnahme peroraler Arzneiformen 12–24 Stunden nach dem Entfernen des Pflasters gewartet werden. Bei jeder Opioid-Rotation ist eine neuerliche antiemetische Prophylaxe nötig.

Quellen

1 Beubler E, Kompendium der medikamentösen Schmerztherapie. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, 7. Auflage, 2020.
2 Fachinformation in Österreich erhältlicher opioidhaltiger TTS-Präparate.
3 Fahr A, Voigt Pharmazeutische Technologie. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 12. Auflage, 2015.
4 Häuser W, 2. Aktualisierung der S3 Leitlinie Langzeitanwendungen von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). Der Schmerz 2020; 34:204-244.
5 Likar R et al., Praxis der transdermalen Schmerztherapie, Uni-Med Verlag AG, 3. Auflage, 2012.
6 Prausnitz MR, Langer R, Transdermal drug delivery. Nat Biotechnol. 2008; 26(11):1261-8

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