Gestörte Nachtruhe

Schlafprobleme in den Griff bekommen

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Schwierigkeiten mit dem Ein- und/oder Durchschlafen sind weit verbreitet. Wiederholte Lockdowns, unregelmäßige Tagesabläufe und Stress … All diese Dinge können sich negativ auf unser Schlafverhalten auswirken. Schon vor der Pandemie berichteten einem Online-Survey zufolge fast die Hälfte der befragten ÖsterreicherInnen über Schlafprobleme. Bei unglaublichen 86 % dauerten die Schlafprobleme bereits länger als sechs Monate an, und lediglich 31 % bezeichneten sich selbst als „gute SchläferInnen“. Für Menschen über 65 Jahre gehören manifeste Schlafstörungen sogar zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Dass sich diese Situation zurzeit nicht verbessert, sondern eher verschlimmert, hat wohl die wenigsten überrascht. Existenzängste, Furcht vor einer Ansteckung und massive Veränderungen im Privat- oder Berufsleben ... COVID-19 liefert mehr als genug Gründe, die uns den Schlaf rauben können.

Formen und Ursachen

Insomnie wird diagnostiziert, wenn die Dauer oder Qualität des Schlafes an zumindest drei Tagen pro Woche unzureichend ist und zu Müdigkeit oder Leistungsdefiziten am Folgetag führt. Für primäre Schlafstörungen werden keine pathologischen körperlichen oder psychischen Korrelate gefunden. Den sekundären Schlafstörungen hingegen liegen somatische oder neurologisch-psychiatrische Erkrankungen zugrunde, die sich negativ auf die Schlafarchitektur bzw. die zirkadiane Rhythmik auswirken.

Nicht-organische Ursachen für Schlafprobleme sind u. a. ein inaktiver Lebensstil, Schichtarbeit, übermäßiger Koffeinkonsum und Mittagsschlaf; aber auch Lärm, Licht und eine ungeeignete Zimmertemperatur kommen als Auslöser infrage. Zudem sollte bei neu aufgetretenen Schlafproblemen immer auch die Möglichkeit einer Medikamenten-induzierten Insomnie in Betracht gezogen werden. Dies gilt im Besonderen für ältere Menschen unter Polymedikation. Hier kann ein Blick in den Medikationsplan − mit Fokus auf kürzlich zurückliegende Erstverordnungen – den Verdacht schnell erhärten oder entkräften. Arzneistoffe, die zu Schlafstörungen beitragen oder sie sogar verursachen, sind häufig antriebssteigernde Antidepressiva, Schilddrüsenhormone und Diuretika (siehe Tabelle).

ausgewählte Arzneistoffe mit Einfluss auf das Schlafverhalten1
SSRI SSNRI  SNDRI SNRI StimulanzienHormone  Diuretika Betablocker
CitalopramDuloxetinBupropionReboxetinCoffeinT4HCTBisoprolol
EscitalopramVenlafaxinSolriamfetolAtomoxetinMethylphenidatT3XipamidMetoprolol
SertralinMilnacipranLisdexamfetaminSteroideIndapamidPropranolol
ParoxetinAmphetaminFurosemidNebivolol
FluoxetinModafinilTorasemid
FluvoxaminBumetanid
SSRI: Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSNRI: Selektive-Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNDRI: Selektive-Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI: Selektive-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, T4: Levothyroxin, T3: Thyroxin, HCT: Hydrochlorothiazid1; ohne Anspruch auf Vollständigkeit


Bedeutung von ausreichendem Schlaf

Generell nimmt die Gesamtschlafdauer im Laufe des Lebens ab. Während bspw. zehnjährige Kinder ca. zehn Stunden Schlaf benötigen, sind es bei Erwachsenen nur noch rund sieben Stunden. Für Frauen spielen darüber hinaus Hormonschwankungen eine wichtige Rolle, da Östrogen und Progesteron nicht nur stimmungs-, sondern auch schlafregulierend wirken. In der Peri- und Postmenopause können sich überdies vasomotorische Symptome wie Hitzewallungen und Nachtschweiß hinzugesellen und zu Schlafunterbrechungen beitragen.

TIPPS:
SCHLAFHYGIENE

Einfache Maßnahmen für eine bessere Nachtruhe: 

  • Temperatur im Schlafzimmer 18–20 °C
  • vor dem Schlafen lüften
  • Störfaktoren wie Licht, Geräusche, elektrische Geräte etc. entfernen
  • regelmäßige Schlafzeiten
  • keine koffeinhaltigen Getränke nach 16 Uhr
  • keine allzu reichhaltigen Speisen und Getränke nach 18 Uhr
  • mäßiger Alkoholkonsum
  • Bett nur zum Schlafen verwenden
  • Einschlafritual


Schlechter Schlaf hat vielfach negative Auswirkungen auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, das soziale Umfeld, schulischen und beruflichen Erfolg sowie die Lebensqualität im Allgemeinen. Studien belegen ferner ein erhöhtes Risiko für affektive Störungen wie Depressionen und kardiovaskuläre Ereignisse als direkte Folge von fragmentiertem Schlaf. Einer australischen Metastudie zufolge haben Frauen mit einem Anteil von mehr als 6,5 % sog. „sleep-arousal-burden“ („Aufwachbelastung“) am Gesamtschlaf ein doppelt so hohes Risiko, an einem kardiovaskulären (CV) Ereignis zu versterben, als gleichaltrige Frauen mit normalem Schlafverhalten. Für Männer mit derselben Belastung war das CV-Risiko um ein Drittel erhöht.

Heilpflanzen: Alternative zu Hypnotika

Im Apothekenalltag besitzt die Traditionelle Europäische Medizin (TEM) zur sanften Behandlung von akuten Schlafproblemen einen großen Stellenwert. Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse haben sich allein oder in Kombination seit Längerem bewährt und bestechen v. a. durch ihr positives Nebenwirkungsprofil. Ihr sedierender Effekt setzt nicht sofort, sondern erst nach mehreren Tagen ein. Das Wirkoptimum ist in der Regel nach zwei bis vier Wochen regelmäßiger Anwendung erreicht, weshalb sich generell eine längerfristige Einnahme empfiehlt. 

Ein wesentlicher Vorteil – verglichen mit synthetischen Hypnotika – ist ihr fehlendes Abhängigkeitspotenzial. Des Weiteren ist weder ein Hang-over-Effekt am Folgetag noch eine Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens zu befürchten. Baldrian und Hopfen verfügen über eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung. Passionsblume und Melisse leisten einen Beitrag bei nervös bedingten Unruhezuständen und Einschlafstörungen. 

Mittel zur Entspannung

In diese heterogene Gruppe fallen Präparate mit chemisch sehr unterschiedlichen Inhaltsstoffen, die in erster Linie stressreduzierend, angstlösend und adaptogen wirken. Ähnlich den Heilpflanzen setzt ihre Wirkung erst nach kontinuierlicher Einnahme über einen längeren Zeitraum ein. Linalool und Linalylacetat – beides Bestandteile des ätherischen Lavendelöls – eignen sich aufgrund ihres entspannenden Effekts sehr gut bei Unruhezuständen mit ängstlicher Verstimmung. Die im Rosenwurzwurzelstock u. a. enthaltenen Glykoside, Flavonoide und Terpene steigern die Stresstoleranz des Körpers gegenüber exogenen Noxen. Studien geben außerdem Hinweise auf leicht angstlösende, antidepressive und antioxidative Eigenschaften. Extrakte der Pflanze bieten sich demnach gut zur Linderung körperlicher und geistiger Symptome bei Stress und Überarbeitung an.

Die Taigawurzel mit ihren Eleutherosiden zeichnet neben einer adaptogenen Wirkung ihre immunstimulierende und antivirale Aktivität aus. Zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeit, Schwäche und in der Rekonvaleszenz ist sie also ein Mittel der ersten Wahl. Zu guter Letzt sollte auch Johanniskraut Erwähnung finden. Der Extrakt dieser Heilpflanze enthält Anthranoide (Hypericin), Phloroglucinderivate (Hyperforin), ätherisches Öl und Flavonoide, die in Summe einen stimmungsaufhellenden Effekt vermitteln. PatientInnen ohne Begleitmedikation (Cave: CYP3A4-Interaktion) kann auf diese Weise bei gedrückter Stimmung und Spannungszuständen sowie damit einhergehenden Ein- und Durchschlafstörungen geholfen werden.

5-K-Regeln
Hypnotika
  1. Einsatz nur bei klarer Indikation

  2. Anwendung der kleinsten möglichen Dosis

  3. Anwendung über den kürzesten möglichen Zeitraum

  4. kein abruptes Absetzen

  5. Kontraindikationen sind zu beachten

Quellen
•   Blume C et al.: „How does Austria sleep?“ self-reported sleep habits and complaints in an online survey. Sleep Breath. 2020; 24(2):735–741
•   Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), 
Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen, 2020
•   Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen, 2017
•   Eichling PS, Sahni J.: Menopause related sleep disorders. J Clin Sleep Med. 2005; 1(3):291–300
•   Morin CM et al.: Insomnia, anxiety, and depression during the COVID-19 pandemic: an international collaborative study. Sleep Med. 2021; 87:38–45
•   Shahrbabaki SS et al.: Sleep arousal burden is associated with long-term all-cause and cardiovascular mortality in 8001 community-dwelling older men and women. Eur Heart J. 2021; 42(21):2088–2099
•   Antonijevic IA et al.: Modulation of the sleep electroencephalogram by estrogen replacement in postmenopausal women. Am J Obstet Gynecol. 2000; 182(2):277–82

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