Coxarthrose

Brennpunkt Hüftgelenk

Mag. pharm. Sieglinde  PLASONIG
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Mit fortschreitender Erkrankung folgt der typische Hüftgelenksschmerz. Dieser ist in der Leiste oder zwischen Leiste und seitlicher Hüftregion lokalisiert und kann an der Innenseite des Oberschenkels bis zum Knie ausstrahlen. © Shutterstock

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Der Begriff der Hüftgelenksarthrose (Coxarthrosis deformans) bezeichnet alle degenerativen Erkrankungen des Hüftgelenks, die zu einer progressiven Zerstörung des Gelenksknorpels führen, wobei andere Gelenkstrukturen ebenfalls betroffen sind, etwa der Knochen, die Gelenkskapsel und die Muskulatur um das Gelenk.² Die resultierenden Schmerzen sowie Einschränkungen der Geh- und Erwerbsfähigkeit mindern nicht nur die Lebensqualität von Hüftpatienten, sondern verursachen auch enorme volkswirtschaftliche Kosten. So gab es im Jahr 2015 in Deutschland fast drei Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Coxarthrosen.¹ Die überwiegende Zahl der rund 15.000 künstlichen Hüftgelenke, die in Österreich jährlich implantiert werden, wird aufgrund von Coxarthrosen benötigt.³ Die Abnützung des Hüftgelenks zählt zu den besonders häufigen degenerativen Gelenkserkrankungen, lediglich Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und des Knies kommen noch öfter vor. An der Tara begegnet man Coxarthrosepatienten zumeist als Schmerzpatienten oder aber postoperativ nach der Implantation einer Endoprothese.

Wodurch entsteht eine Coxarthrose?

Während bei der primären (idiopathischen) Coxarthrose keine Ursache für die degenerativen Veränderungen feststeht, entstehen sekundäre Formen auf der Basis verschiedener Vorerkrankungen. So kann das Hüftgelenk bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in Mitleidenschaft gezogen werden (etwa bei der Rheumatoiden Arthritis, Psoriasisarthritis oder dem Morbus Bechterew) oder im Rahmen von bakteriellen Hüftgelenksentzündungen Schaden nehmen. Aseptische Knochennekrosen des Hüftkopfs (Morbus Perthes) oder eine Hüftkopfablösung im Jugendalter (Epiphysiolysis capitis femoris) stellen weitere Ursachen dar. Wie bei allen Gelenken können Verletzungen eine posttraumatische Arthrose auslösen. Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder Hyperurikämie erhöhen das Risiko ebenfalls, des Weiteren starke körperliche Belastungen im Beruf (regelmäßiges Anheben von Lasten über 25 kg). Angeborene Fehlformen des Hüftgelenks (Hüftdysplasien) können bereits im frühen Erwachsenenalter Arthrosen erzeugen. Seit 1992 gibt es daher in Österreich die verpflichtende sonografische Hüftuntersuchung für Neugeborene.

Symptomatik der Coxarthrose 

Im Anfangsstadium der Coxarthrose hat der Patient kaum Beschwerden. Allenfalls können bei stundenlangen Belastungen leichtere Schmerzen, eine Ermüdungshinken oder das Gefühl der Kraftlosigkeit und muskuläre Verspannungen im Bein auftreten.² Mit fortschreitender Erkrankung berichtet der Betroffene dann vom typischen Hüftgelenksschmerz: Dieser ist in der Leiste oder zwischen Leiste und seitlicher Hüftregion lokalisiert und kann an der Innenseite des Oberschenkels bis zum Knie ausstrahlen.² Beim Übergang vom Sitzen oder Liegen zum Stehen oder Gehen zeigen sich Anlaufschmerzen, die sich durch Auslockern des Beins wieder bessern. Bei längeren Gehstrecken entstehen Belastungsschmerzen und ein Schonhinken, wodurch der Patient immer öfter und immer früher Entlastungsphasen braucht.² 

Das veränderte Gangbild, die Bewegungseinschränkung des Gelenks und muskuläre Dysbalancen begünstigen zusätzlich Schmerzen im Bereich der LWS und des Iliosacralgelenks. Bei schwerwiegenden Gelenkstörungen entstehen schließlich Dauerschmerzen (Ruhe- und Nachtschmerzen), das Hüftgelenk kann schubweise entzündet sein (aktivierte Arthrose). Kann dieser hohe Leidensdruck durch leitliniengerechte konservative Maßnahmen über mindestens drei Monate nicht mehr ausreichend gelindert werden⁴, so ist der künstliche Gelenksersatz indiziert. Er wird zumeist als Totalendoprothese (TEP) ausgeführt, bei der sowohl Hüftkopf als auch Hüftpfanne ausgetauscht werden. 

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Der künstliche Gelenksersatz wird zumeist als Totalendoprothese (TEP) ausgeführt, bei der sowohl Hüftkopf als auch Hüftpfanne ausgetauscht werden. © Shutterstock

Therapieansätze bei Coxarthrose 

Die Therapie der Coxarthrose umfasst drei Bereiche: 

  • die konservative nicht-medikamentöse Therapie 
  • die konservative medikamentöse Therapie 
  • die operative Therapie 

Konservative, nichtmedikamentöse Therapie

Die konservative, nicht-medikamentöse Therapie dient dazu, Schmerz und Bewegungseinschränkungen zu lindern, um die Funktion des Gelenks im Alltag und beim Sport möglichst lang zu erhalten. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie¹ zählen dazu vor allem: 

• Diätetik und Gewichtsabnahme

Die Leitlinie weist darauf hin, dass Übergewicht ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung von Hüftarthrosen ist, obwohl es wenig Literatur gibt, die den Effekt der Gewichtsreduktion auf die Coxarthrose beschreibt.¹ Das Hüftgelenk ist ein zentrales gewichttragendes Gelenk, der Abbau von Übergewicht ist daher eine wichtige Maßnahme zur Entlastung. 

• Physiotherapie

Die vielfältigen physiotherapeutischen Möglichkeiten bei Coxarthrose werden auf das Erkrankungsstadium, Alter, Schmerzen und Komorbiditäten abgestimmt. Sie umfassen etwa individuelle Kräftigungs- und Dehnungsübungen, spezifische manualtherapeutische Techniken zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenksbeweglichkeit, die Steigerung der allgemeinen körperlichen Belastungsfähigkeit, Gangschulung, Beratung zum gelenkfreundlichen Verhalten in Beruf, Alltag und Sport, Schulung im Umgang mit Gehhilfen und Techniken zum Umgang mit Schmerz und Entspannung. 

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Die physiotherapeutischen Möglichkeiten bei Coxarthrose werden auf Erkrankungsstadium, Alter, Schmerzen und Komorbiditäten abgestimmt. © Shutterstock

• physikalische Maßnahmen

Dazu zählen etwa Elektrotherapie, Ultraschalltherapie, verschiedene Massageformen, Wärme- und Kälteapplikation oder Bädertherapien. Bei der Bewegungstherapie im Wasser (Bewegungsbad) wird das Gelenk durch den Wasserauftrieb entlastet und lässt sich besonders gut beüben. 

• Gehhilfenversorgung (Krücken, Stock, Rollator)

Können in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung nötig sein, um Schmerzen zu lindern, das Gelenk zu entlasten und ein unvorteilhaftes Gangbild zu vermeiden, das die Wirbelsäule schädigen würde. 

• Akupunktur 

Medikamentöse Therapie

Arzneimittel wie NSAR oder Coxibe sollen laut Leitlinie¹ dann zum Einsatz kommen, wenn durch andere Therapiemaßnahmen keine adäquate Schmerzlinderung erzielt werden kann. Sie wirken nicht nur analgetisch, sondern auch antiphlogistisch und sind daher besonders wirksam bei entzündungsbedingten Arthroseschmerzen. Eine Dauerbehandlung ist nicht anzustreben, sondern ein befristeter Einsatz während Schmerzperioden bis zum Abklingen der Entzündung (niedrigste effektive Dosis für den kürzest möglichen Zeitraum). 

Tipp

Eine Dauerbehandlung mit NSAR ist nicht anzustreben, stattdessen
wird ein befristeter Einsatz während Schmerzperioden bis zum Abklingen der Entzündung empfohlen.

Laut Leitlinie¹ wurde die Wirksamkeit von NSAR und Coxiben hinsichtlich Analgesie und Funktionsverbesserung bei Coxarthrose in mehreren placebokontrollierten Studien festgestellt. Die Studien waren aber auf maximal 13 Wochen beschränkt, sodass sie für längere Therapien nicht aussagekräftig sind. Qualitativ gute Studien existieren zu Naproxen, Diclofenac und Celecoxib (Ansprechrate zwischen 30 und 67 %). Trotz fehlender Daten wird davon ausgegangen, dass andere Substanzen aus den genannten Gruppen eine vergleichbare Wirksamkeit zeigen.¹

Bei Gegenanzeigen für NSAR oder Coxibe nennt die Leitlinie Metamizol als Alternative. Zurückhaltung gilt beim Einsatz von Opioiden wie Tramadol: Sie kommen nur dann in Betracht, wenn Stufe 1 Analgetika unwirksam oder kontraindiziert sind, und auch nur kurzfristig und in der niedrigsten wirksamen Dosis. Außerdem sind sie eine Option, um nicht operable Patienten zu behandeln, oder um bei starken Schmerzen die Wartezeit bis zum Operationstermin zu überbrücken. 

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Tipp

Viele Patienten empfinden Phytotherapeutika als hilfreich, eine generelle Empfehlung gibt es in den Leitlinien dafür jedoch noch nicht.

Auf topische medikamentöse Therapien (z. B. topische NSAR) geht die Coxarthrose-Leitlinie der DGOOC nicht ein. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKDAE) hat 2020 eine umfangreiche Betrachtung zur „Wirksamkeit und Sicherheit topisch applizierter NSAR bei Arthrose“⁵ veröffentlicht. Sie zieht hier den Schluss, dass topisch applizierte NSAR den Schmerz und die Funktion bei Patienten mit einer Arthrose oberflächennaher Gelenke verbessern, z. B. am Knie oder Handgelenk. Hüftschmerzen werden auch hier nicht erwähnt. Dies mag damit zusammenhängen, dass das Hüftgelenk in der Tiefe liegt und die Strukturen daher einer Anreicherung von topisch applizierten NSAR schwer zugänglich sind. 

Dennoch sind topische NSAR, Rubefazienzien etc. bei Hüftpatienten sehr beliebt. Zu bedenken ist, dass bei einer Hüftarthrose auch andere, oberflächlicher gelegene Strukturen der Lenden-Becken-Hüftregion schmerzhaft werden können. Dazu zählt etwa der Bereich rund um den großen Rollhügel (Trochanter major) seitlich an der Hüfte, an dem viele Hüft- und Gesäßmuskeln ansetzen, das Iliosacralgelenk und die Lendenwirbelsäule. Laut AKDAE kann auch ein physiotherapeutischer und psychologischer Effekt beim Einreiben eine Rolle spielen.⁵

Glucosamin, Chondroitin & Phytos 

Die bei Patienten sehr beliebten „symptomatic slow acting drugs in osteoarthritis“, Glucosamin und Chondroitin, können laut Leitlinie in Erwägung gezogen werden, wenn NSAR unverträglich oder kontraindiziert sind oder der Patient sich eine nebenwirkungsarme Therapie wünscht. Der Erfolg ist nach drei Monaten beurteilbar. Studien und Metaanalysen zur analgetischen und funktionsverbessernden Wirkung der Substanzen sind laut Leitlinie widersprüchlich, genau wie die diesbezüglichen Empfehlungen in anderen Leitlinien. Die chondroprotektive Wirkung kann nach wie vor nicht als sicher belegt gelten. Entsprechende Untersuchungen wurden meist an Patienten mit Kniearthrosen durchgeführt und Rückschlüsse auf Hüftarthrosen gezogen. Auch für phytotherapeutische Optionen wie Weidenrindenextrakt, Teufelskralle, Kurkuma, Weihrauch oder Cannabis wird aufgrund nicht ausreichender Studienlage noch keine generelle Empfehlung zur Therapie der Hüftarthrose abgegeben.¹

Vielfältige Beratungstipps bei Coxarthrose

  • Beim Vorliegen von Übergewicht/Adipositas: Normalgewicht anstreben, Ernährungsumstellung. Als gelenkfreundlich gilt generell eine gesunde Vollwerternährung, die reich an Obst und Gemüse und basischen Lebensmitteln sowie arm an entzündungsfördernden tierischen Fetten ist.
  • Physiotherapeutische Behandlung, ein individuelles Übungsprogramm für zu Hause erstellen lassen, physikalische Therapieprinzipien nutzen (Wärme/Kälte, Massagen, Elektrotherapie etc.)
  • Sportarten mit Impuls- oder Stoßbelastung und Extrembewegungen sowie das Heben schwerer Lasten meiden
  • Gelenksfreundliche Sportarten haben vor allem in frühen Stadien positive Effekte auf die Gelenksdurchblutung und Knorpelernährung, kräftigen die Muskulatur und beugen einer Einsteifung vor. In Absprache mit dem Arzt sind empfehlenswert: Aquagymnastik, Radfahren (bei bereits eingeschränkter Hüftbeugung den Fahrradsattel höher stellen) oder Rückenschwimmen, evtl. auch Walking, Nordic Walking, leichtes Wandern und Laufen mit dämpfendem Schuhwerk auf weichen Böden, Schilanglauf.
  • Unterstützende Anwendung gelenksunterstützender Mikro­nährstoffkombinationen wie z.B. Glucosamin, Chondroitin, Hyaluronsäure, MSM, Kollagen, Mangan, Antioxidanzien.
  • Insbesondere bei entzündlich aktivierter
    Arthrose: Anwendung entzündungshemmender Naturstoffe wie Weihrauch, Curcuma, eventuell Enzympräparate etc.

QuelleN

1   S2k-Leitlinie Koxarthrose der DGOOC AWMF-Registernummer: 033-001 

2   Reichel H.: Hüftgelenksarthrosen, Prävention, Diagnostik und Therapie, Georg Thieme Verlag

3   www.rudolfinerhaus.at/blog/hueft-und-knieprothesen/ 

4   S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU), Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese bei Coxarthrose 

5   Wirksamkeit und Sicherheit topisch applizierter NSAR bei Arthrose, www.akdae.de


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