Die Gewährleistung einer sicheren, effizienten und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung stellt in Pflegeeinrichtungen eine zentrale Herausforderung dar. Multimorbidität und Polypharmazie sind in dieser Patientengruppe weit verbreitet und erhöhen das Risiko für Medikationsfehler, Interaktionen und Adhärenzprobleme erheblich. Die Verblisterung von Arzneimitteln, also die patientenindividuelle, maschinelle Neuverpackung fester oraler Darreichungsformen in Einzeldosen entsprechend des ärztlichen Medikationsplans, hat sich in den letzten Jahren als praxisnahe Lösung etabliert, mit der Medikationsfehler signifikant reduziert werden können.1 Daher wurde im Jahr 2023 beschlossen, die Landespflegeklinik (LPK) Hall in Tirol mit neuverblisterten Arzneimitteln zu beliefern.
Krankenhausapotheker:innen sollten dazu beitragen, das Risiko des Auftretens von Medikationsfehlern zu verringern, indem sie den Einsatz evidenzbasierter Methoden zur Fehlervermeidung, einschließlich elektronischer Entscheidungssysteme fördern.
An der Landespflegeklinik Tirol werden Patient:innen aufgenommen, die eine umfassende pflegerische und kontinuierliche ärztliche Betreuung benötigen und aktuell nicht in anderen Einrichtungen bzw. im familiären Verband betreut werden können. Zum Teil werden die Klient:innen viele Jahre ihres Lebens in der Pflegeeinrichtung versorgt.
Erste Schritte
Zu Projektbeginn galt es, die Zuständigkeiten der einzelnen Arbeitsschritte aufzuteilen. Die Projektleitung übernahm die kaufmännische Direktion der Landespflegeklinik, die auch mit einem kontinuierlich geführten Projektplan die zeitlichen Ziele absteckte. Für die apothekenseitige Etablierung der Verblisterung war das Team des Arzneimittelinformationsdienstes der Krankenhausapotheke in Innsbruck zuständig. Da die Krankenhausapotheke in Innsbruck selbst keinen Automaten zur Verblisterung besitzt, wurde eine Kooperation mit den Kolleg:innen der Barmherzigen Brüder in Linz aufgenommen, welche zukünftig für die Herstellung der neuverblisterten Arzneimittel verantwortlich war. Auch eine Modellstation wurde bestimmt, in der sämtliche Neuerungen mehrere Wochen auf Herz und Nieren geprüft wurden, bevor sie auf andere Stationen ausgerollt wurden. Zusätzlich unterstützte uns die IT-Abteilung des Landeskrankenhauses Hall bei sämtlichen IT-relevanten Punkten.
Ein besonders großer Schritt war die Etablierung einer elektronischen Fieberkurve, da nur mit einer solchen eine Verblisterung in diesem Maßstab umsetzbar ist. Solch eine Software unterliegt dem Medizinproduktegesetz, daher mussten alle Anwender:innen, sowohl von ärztlicher als auch von pflegerischer Seite, intensiv darauf eingeschult werden. Weiters musste für die Apotheken in Linz und Innsbruck ein Fernzugriff auf die elektronische Fieberkurve der LPK geschaffen werden, um die Medikationsdaten der Klient:innen einsehen zu können. Die entsprechende Fieberkurve wurde im Landeskrankenhaus Hall bereits längere Zeit im Routinebetrieb eingesetzt, weshalb die IT-Abteilung viel Erfahrung mit diesem System hatte. Nachdem die Medikation aller Klient:innen der Teststation durch den Stationsarzt in die elektronische Fieberkurve eingetragen wurde, wurde diese durch die Pharmazeut:innen der Krankenhausapotheke Innsbruck auf Verblisterbarkeit untersucht. Arzneimittel wie Antibiotika, Virostatika, orale Zytostatika etc. können aufgrund der Galenik bzw. der Gefahr von Kreuzkontaminationen nicht verblistert werden. Außerdem wurde die Medikation auf eine möglichst effiziente Verblisterbarkeit optimiert (Firmenanpassungen/-vereinheitlichungen). Halbe Tabletten wurden, wo möglich, auf ganze Tabletten mit der halben Dosierung ausgetauscht (siehe auch Anforderungen der Neuverblisterungsbetriebsordnung).
Nach Durchsicht der Medikation der Klient:innen wurde die erste Bestellung aufgegeben und es hatte sich rasch eine Routine im Umgang mit der verblisterten Medikation auf der Teststation etabliert. Dabei wurden viele Erkenntnisse gewonnen, die bei der Ausrollung des Projektes auf die restlichen Stationen berücksichtigt wurden. So konnten wir nach einigen Prozessoptimierungen jede Woche eine neue Station mit in die Verblisterung einschließen.
Ablauf im Routinebetrieb
Mittlerweile werden pro Woche ca. 10.000 Tabletten an die Landespflegeklinik Hall in Tirol geliefert. Aufgrund der stabilen Medikation der Klient:innen hat sich eine einmalige Lieferung der Blisterrationen für eine ganze Woche als der effizienteste Bestellmodus herausgestellt. So wird jeden Montag die Medikation der Klient:innen auf Neuerungen geprüft und eventuell angepasst. Auch die Kolleg:innen der Barmherzigen Brüder Linz kontrollieren am Montag die Anordnungen und machen auf eventuelle Nichtlieferbarkeiten oder nicht verblisterbare Präparate aufmerksam. Wurden alle eventuell aufgetretenen Probleme gelöst, wird die Bestellung des Wochenbedarfs (immer von Donnerstag bis Mittwoch) mithilfe der IT durch die Krankenhausapotheke erstellt und zu den Kolleg:innen der Barmherzigen Brüder nach Linz geschickt. Dort wird der Auftrag bearbeitet. Die neuverblisterten Arzneimittel werden von qualifizierten Lieferanten abgeholt und nach Innsbruck transportiert, von wo sie am Mittwoch in die Landespflegeklinik überstellt werden. Am Mittwochnachmittag werden die Blisterpackungen als große Rolle auf die jeweiligen Stationen geliefert. Die Pflege überprüft mithilfe der elektronischen Fieberkurve die einzelnen Blister auf Vollständigkeit und eventuelle Fehler. Sollte ein Arzneimittel fehlen, wird es händisch dem Blistersäckchen ergänzt. Nicht verblisterbare Arzneimittel werden in eigenen Medikamentendispensern bereitgestellt. So ist bereits am Mittwochnachmittag die gesamte Medikation – mit Ausnahme von Liquida, neu angesetzten Arzneimitteln oder spontanen Änderungen – für die nächste Woche bereitgestellt.
Fazit
Nach mehreren Monaten im „go live“ haben sich die meisten anfänglichen Schwierigkeiten in Wohlgefallen aufgelöst und es macht sich eine spürbare Zeitersparnis bei den Pflegekräften bemerkbar. Aufgetretene Fehler werden im Sinne einer modernen Fehlerkultur dokumentiert und rückgemeldet. Die Fehlerquote liegt bei wenigen Tausendstel Prozenten und konnte durch aktive Kommunikation sowohl mit den Kolleg:innen der Pflege als auch mit den Kolleg:innen der Barmherzigen Brüder in Linz optimiert werden. Auch wenn es einige Hürden zu überwinden galt, ist das Projekt ein voller Erfolg – sowohl für die Klient:innen, die von einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit profitieren, als auch für die Pflegekräfte, die wesentlich weniger Zeit für die Bereitstellung der Arzneimittel aufwenden müssen. Auch für uns als Apotheker:innen war es eine lehrreiche Zeit, in der wir viel über Projektmanagement, die Herausforderungen bei der Implementierung einer elektronischen Fieberkurve, aber auch generell über das Thema „Neuverblisterung“ lernen durften.
Der direkte Kontakt zum Arbeitskreis Krankenhauspharmazie der ÖAZ per E-Mail:
arbeitskreis.oeaz@krankenhausapotheke.at. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Themenvorschläge.