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Spätes Essen beeinflusst den Glukosestoffwechsel negativ

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Essen am Abend © Shutterstock
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Viele Stoffwechselprozesse sind am Morgen aktiver als am Abend. Spätes Essen wird daher mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Wie genau die Uhrzeit der Nahrungsaufnahme den Glukosestoffwechsel beeinflusst und welche Rolle genetische Einflüsse dabei spielen, ist jedoch noch nicht umfassend erforscht. Ein Forschungsteam um Prof. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) hat diesen Zusammenhang nun in einer Zwillingsstudie näher untersucht.

Der Stoffwechsel richtet sich nach der inneren Uhr

Das sogenannte zirkadiane System steuert unseren Tagesrhythmus und damit auch zahlreiche Stoffwechselvorgänge. Eine zentrale Uhr im Gehirn sowie weitere Uhren in Organen wie Leber und Bauchspeicheldrüse koordinieren diese Prozesse im 24-Stunden-Takt. Deshalb wird dieselbe Mahlzeit zu unterschiedlichen Tageszeiten verschieden verarbeitet – mit Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel und die Hormonfreisetzung. Die Zeitpunkte der Nahrungsaufnahme wirken dabei als wichtige Taktgeber für diese inneren Uhren. Kommt es zu einer Entkopplung vom natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus, etwa durch Nachtarbeit, kann dies den biologischen Rhythmus und den Stoffwechsel stören.

Welche Risiken birgt spätes Essen?

Frühere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Mahlzeiten zu später Stunde mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen. Doch wie genau der Zeitpunkt des Essens in Kombination mit dem individuellen zirkadianen Rhythmus den Glukosestoffwechsel und das Risiko für Diabetes beeinflusst, ist bislang unklar. Auch die Mechanismen, die unser Essverhalten bestimmen – etwa kulturelle, persönliche, physiologische oder genetische Faktoren – sind noch nicht ausreichend erforscht.

Vor diesem Hintergrund untersuchte Prof. Olga Ramich, Heisenberg-Professorin an der Charité und Wissenschaftlerin am DIfE sowie am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme, dem Glukosestoffwechsel und der Insulinempfindlichkeit. Zusätzlich analysierte ihr Team den Einfluss genetischer und umweltbedingter Faktoren auf individuelle Essgewohnheiten.

Zwillingsstudie liefert neue Erkenntnisse

Die Analyse stützte sich auf Daten der NUGAT-Studie („NUtriGenomics Analysis in Twins“), an der 46 Zwillingspaare – sowohl eineiige als auch zweieiige – ohne Diabetes teilnahmen. Die Teilnehmenden führten fünf Tage lang ein Ernährungstagebuch, in dem sie Zeiten und Mengen ihrer Mahlzeiten dokumentierten. Darüber hinaus bestimmten die Forschenden den jeweiligen Chronotyp, also den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus, und führten verschiedene Tests zum Stoffwechsel durch, darunter auch einen Blutzuckerbelastungstest. Der Fokus lag auf dem sogenannten zirkadianen Timing der Nahrungsaufnahme – also dem Essen in Relation zum biologischen Tagesrhythmus, nicht zur Uhrzeit.

Frühzeitige Kalorienaufnahme unterstützt den Stoffwechsel

Ein zentraler Messwert der Studie war der sogenannte zirkadiane kalorische Mittelpunkt (CCM), der angibt, zu welchem Zeitpunkt im Tagesverlauf rechnerisch die Hälfte der Tageskalorien aufgenommen wurde – angepasst an den individuellen Chronotyp. Ein später CCM deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Kalorien erst spät am Tag konsumiert wurde.

„Teilnehmende, die ihre Hauptkalorien früher am Tag zu sich nahmen, wiesen eine bessere Insulinempfindlichkeit auf“, erklärt Ramich, Leiterin der Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung am DIfE. Im Gegensatz dazu hatten Personen mit später Kalorienaufnahme eine schlechtere Insulinempfindlichkeit – ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Zudem zeigten sie einen höheren Body-Mass-Index und einen größeren Taillenumfang.

Genetische Veranlagung beeinflusst Essenszeiten

Um die Rolle genetischer Einflüsse auf Essenszeiten zu bewerten, verglichen die Forschenden das Essverhalten eineiiger Zwillinge, die nahezu identische Gene teilen, mit dem von zweieiigen Zwillingen, die sich genetisch nur zu etwa 50 Prozent gleichen. Mithilfe spezieller mathematischer Modelle wurde ermittelt, inwieweit genetische Faktoren, gemeinsames Umfeld und individuelle Erfahrungen das Essverhalten beeinflussen.

Die Ergebnisse zeigen, dass bis zu 60 Prozent der täglichen Essenszeitmuster genetisch bedingt sein können.

Fazit: Neue Wege für personalisierte Ernährung nötig

Eine frühere zeitliche Verlagerung der Kalorienaufnahme könnte helfen, den Glukosestoffwechsel zu verbessern und das Risiko für Typ-2-Diabetes sowie Übergewicht zu senken. „Da Essgewohnheiten teilweise genetisch bedingt sind, fällt es manchen Menschen möglicherweise schwer, ihr Verhalten zu ändern“, so Ramich. Um die Wirksamkeit zeitbasierter Ernährungsinterventionen besser beurteilen zu können, seien weitere klinische Studien erforderlich.

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