Zwar ist ihr Wirkungsgrad wesentlich geringer als jener der körpereigenen Östrogene, trotzdem können Phytoöstrogene zahlreiche Effekte auf die Gesundheit haben.
Phytoöstrogene sind nicht-steroidale, phenolische Pflanzenstoffe. Sie haben eine molekulare Gemeinsamkeit mit körpereigenen Östrogenen: In der Molekülstruktur finden sich zwei Hydroxygruppen, die an den „entgegengesetzten“ Enden des Moleküls und in bestimmtem Abstand stehen (siehe Kurzinfo Östradiol).
Die verschiedenen Phytoöstrogene weisen variierende Affinitäten zu den Östrogenrezeptoren ERα, ERβ und GPER1 auf. ERα wird primär im weiblichen Reproduktionsgewebe wie Uterus und Eierstöcken exprimiert, aber auch in der Brust sowie in Knochen, weißem Fettgewebe, Nieren und Leber. ERβ hingegen wird hingegen in den männlichen Reproduktionsorganen exprimiert, aber auch im zentralen Nervensystem, im kardiovaskulären System und in Lunge, Darm und Niere. GPER1 ist weiter verbreitet, u. a. in Skelettmuskeln, Neuronen, vaskulärem Endothel oder Immunzellen.
Die Wirkweise von Phytoöstrogenen ist außerordentlich komplex, da sie je nach Affinität, Zelltyp, Gewebetyp und Rezeptor unterschiedlich ausfällt und zudem auch die Dosis-Wirkung-Beziehung nicht linear verläuft. Tatsächlich können Phytoöstrogene sowohl agonistisch als auch antagonistisch auf Östrogenrezeptoren wirken. Isoflavone können beispielsweise sowohl bei Östrogenmangel als auch bei Östrogenüberschuss helfen. Bei Mangel imitieren sie die Funktion der Östrogene, wenn auch mit viel geringerer Effizienz, während sie bei Überschuss die Rezeptoren blockieren, sodass das hochpotente körpereigene Östrogen nicht binden kann. Die Wirkung von Isoflavonen wird auf ein Hundertstel bis ein Tausendstel von körpereigenem Östrogen geschätzt.
Breites therapeutisches Potenzial
Da Östrogenrezeptoren in so vielen Gewebetypen und Organen in variierendem Ausmaß exprimiert werden und Phytoöstrogene unterschiedliche Affinitäten aufweisen, stehen für die Forschung zu Phytoöstrogenen viele Ansatzpunkte zur Verfügung. Es wurden positive Effekte nicht nur auf zahlreiche Krebsarten, sondern auch auf Arthritis, affektive Störungen, Immunsystem, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Parkinson untersucht. Das große Potenzial von Phytoöstrogenen für die menschliche Gesundheit steht außer Frage, jedoch hat die Forschung – wie so oft – auch hier noch einen weiten Weg vor sich.
Isoflavone aus Soja sind die am häufigsten untersuchten Phytoöstrogene. Sie haben die höchste Bioverfügbarkeit und können bei zahlreichen Beschwerden helfen. Unabhängig von ihrer hormonellen Wirkung haben Isoflavone auch ein starkes antioxidatives Potenzial. Den höchsten Stellenwert haben Isoflavone in der Frauenheilkunde, wo Phytoöstrogene vor allem bei menopausalen Symptomen und in der Brustkrebstherapie eingesetzt werden. Nahrungsergänzungsmittel werden oft bei postmenopausalen Beschwerden eingenommen; ihr positiver Effekt auf Hitzewallungen wurde in Studien belegt. Generell sind Studienergebnisse zu Hitzewallungen jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da diese oft subjektiv bewertet werden und somit der Placeboeffekt eine große Rolle spielen kann.
Isoflavone werden außerdem in Bezug auf die Knochendichte erforscht, die in der Menopause starken Veränderungen unterliegt. Die Wirkung von Isoflavonen auf östrogensensitive Gewebe wie Gebärmutterschleimhaut oder Milchdrüsen wird von zahlreichen Studien bestätigt. Auch positive Effekte bei Endometriose, polyzystischem Ovarialsyndrom und prämenstruellem Syndrom sowie bei Prostatakrebs und Schilddrüsenproblemen werden vermutet.
Das Mykotoxin Zearalenon wird von einem Fusarium-Schimmelpilz produziert. Es ist in 15 % des in Europa konsumierten Getreides enthalten und u. a. schädlich für das reproduktive System und die Gene.
Coumestrol wird ebenfalls als schädigend angesehen und hat von allen Phytoöstrogenen die stärkste östrogene Wirkung. Es ist z. B. in Rotklee und Alfalfa enthalten, jedoch ist die verzehrte Menge in der menschlichen Ernährung vernachlässigbar gering.
Ein Östradiol-ähnlicher Effekt von 8-Prenylnaringenin, das v. a. in Hopfen enthalten ist, ist aufgrund dessen geringer Bioverfügbarkeit erst bei sehr hohem Bierkonsum zu erwarten.
Arten von Phytoöstrogenen & wichtige Vertreter
Derzeit werden 20 Arten von Phytoöstrogenen unterschieden, die in verschiedene Klassen unterteilt werden (siehe Abbildung Phytoöstrogene). Flavonoide stellen dabei die größte Gruppe der Phytoöstrogene dar, wobei Isoflavone besonders gut untersucht sind.
Isoflavone
Zu den isoflavonen Phytoöstrogenen zählen Genistein, Daidzein, Glycitein, Formononetin und Biochanin A. Isoflavone sind in vielen Hülsenfrüchten enthalten, die höchsten Konzentrationen finden sich jedoch in Sojabohnen, Rotklee und Alfalfa. Der Isoflavongehalt von Sojabohnen – großteils in Form von Daidzein oder Genistein – liegt bei 1,2 bis 4,2 mg pro Gramm Trockengewicht. Rotklee enthält sogar 10 bis 25 mg/g, Alfalfa jedoch nur 0,05 bis 0,3 mg. Der Gehalt variiert je nach Pflanzenteil, Anbaubedingungen und Lagerung.
In der Ernährung sind Isoflavone aus Sojabohnen die präsentesten Phytoöstrogene, da sojabasierte Lebensmittel wie Tofu, Tempeh, Sojamilch und Sojajoghurt immer populärer werden. Während Menschen in Japan pro Tag 14 bis 75 mg Isoflavone zu sich nehmen, liegt die Zufuhr in westlichen Ländern bei nur wenigen Milligramm. Da einzelne sojabasierte Lebensmittel pro Portion 40 bis 50 mg Isoflavone enthalten, liegt die Aufnahme bei Veganer:innen möglicherweise höher. Ca. 85 % der aufgenommenen Menge wird mit dem Urin wieder ausgeschieden, wobei der genaue Anteil variieren kann und von verschiedenen Faktoren abhängig ist (u. a. konkrete Isoflavon-Verbindung, individuelle metabolische Umsetzung).
Dass Sojaverzehr bei Männern zur Bildung von femininen Brüsten führt, wurde nie wissenschaftlich belegt. Tatsächlich geht aus zahllosen Studien hervor, dass sowohl hoher Sojakonsum als auch die Einnahme von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln keinen nachweislichen Effekt auf den Testosteronspiegel ausübt.
Im menschlichen Körper wird Daidzein zu Equol metabolisiert, das eine noch stärkere östrogene Wirkung und antioxidative Aktivität als Daidzein zeigt. Bei dieser Umwandlung spielt die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle. Nur 40 bis 60 % der Bevölkerung tragen jene Bakterienstämme in sich, die in der Lage sind, Daidzein zu Equol umzuwandeln. Die Existenz von Equol-Non-Producers führt also u. U. zu Verzerrungen von Forschungsergebnissen. Im Mikrobiom des Darms werden auch Lignane wie Secoisolariciresinol, Diglucoside (SDG) oder Matairesinol zu Enterolacton und Enterodiol metabolisiert. SDG ist in Leinsamen enthalten, wird aber bei durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten in zu geringen Dosen aufgenommen, um eine Wirkung zu entfalten.
8-Prenylnaringenin im Hopfen
Hopfenextrakt wird als Nahrungsergänzungsmittel bei menopausalen Symptomen angewendet. Das Prenylflavonoid 8-Prenylnaringenin (8-PN), das v. a. im Hopfen enthalten ist und daher auch „Hopein“ genannt wird, wirkt im Körper ähnlich wie Estradiol, jedoch deutlich schwächer. 8-PN kann auch aus seiner Vorstufe, dem Isoxanthohumol (IX), gebildet werden. Beide Stoffe sind nicht nur in Hopfen, sondern folglich auch in Bier zu finden, wobei der Gehalt zwischen den verschiedenen Biersorten stark variiert.
Ein Liter Bier kann bis zu 240 µg 8-PN und 10- bis 40-mal so viel Isoxanthohumol enthalten. Unter der Annahme des Konsums von 1 Liter Bier mit 8-PN- und IX-Konzentrationen von 69 bzw. 2.100 µg/l wäre eine Person mit effizienter Umwandlungskapazität etwa 1.700 µg 8-PN ausgesetzt. Die Absorptionsrate von 8-PN liegt jedoch nur zwischen 1,2 und 1,6 %. Ein hormoneller Effekt kann also nur bei sehr hohem Bierkonsum auftreten.
Quellen
• Křížová L, et al.: Isoflavones. Molecules 2019; 24(6): 1076
• Chen P, et al.: Role of estrogen receptors in health and disease.
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• Canivenc-Lavier MC, et al.: Phytoestrogens and health effects. Nutrients 2023; 15(2): 317
• Lecomte S, et al.: Phytochemicals targeting estrogen receptors:
beneficial rather than adverse effects? Int J Mol Sci 2017; 18(7): 1381
• Kim SH, et al.: Effects of phytoestrogen on sexual development.
Korean J Pediatr 2012; 55(8): 265-71
Weitere Literatur auf Anfrage