Burn-out-Syndrom

Wenn die innere Flamme erlischt

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Für Burn-out-Erkrankte scheint es kein Licht am Ende des Tunnels zu geben. © Shutterstock
Für Burn-out-Erkrankte scheint es kein Licht am Ende des Tunnels zu geben. © Shutterstock

Viele Menschen klagen über anhaltende Müdigkeit und andauernde Erschöpfung. Diese Symptome treten jedoch bei etlichen Krankheiten sowie Mangelerscheinungen auf und sind ohne weitere Kenntnis der Ursache schwer zu therapieren. Hört man beim Gespräch mit Kundinnen und Kunden genauer hin, lässt sich möglicherweise der Ursprung dieser Symptome ausfindig machen. Oft ist chronischer Stress der Übeltäter. Wohldosierter „Eustress“ wirkt sich positiv auf unseren Organismus aus, wohingegen nicht kompensierbarer „Disstress“ – dauerhaft negativer Stress – zu körperlichen Symptomen und Leistungseinbußen bis hin zum Burn-out führen kann. Dieses „Ausgebranntsein“ ist ein Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung.

Keine eigenständige Krankheit

Laut WHO ist Burn-out in der ICD-11 (11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen) als ein berufsbedingtes Phänomen aufgeführt. Es wird nicht als medizinische Erkrankung klassifiziert, sondern der Untergruppe „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen“ zugeordnet und daher nur als Neben- oder Zusatzdiagnose gestellt. Burn-out ist ein Syndrom, das durch chronischen Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt wird, entstehen kann. Burn-out bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden. Es ist durch drei Dimensionen gekennzeichnet:

  • Gefühl der Energielosigkeit oder Erschöpfung
  • zunehmende mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die eigene Arbeit
  • verminderte berufliche Effizienz

Eine Abgrenzung zu anderen (psychischen) Erkrankungen ist schwierig. Als eines der Messinstrumente dient der MBI (Maslach Burnout Inventory). Hierbei handelt es sich um einen standardisierten Fragebogen, der 22 Fragen zu den drei Dimensionen von Burn-out umfasst. Zur ersten Selbsteinschätzung kann man diesen auch online ausfüllen und auswerten. Allerdings kann dies keine Konsultation einer medizinischen Fachkraft ersetzen. Beim Verdacht eines Burn-outs sollte zur gründlichen Differenzialdiagnose immer ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Die Prävalenzraten reichen von 10 % bis 50 %, je nach Beruf, Bewertungsinstrumenten und Bevölkerungsgruppen, Tendenz steigend. Im Allgemeinen sind Frauen und Männer gleichermaßen von Burn-out betroffen. 

Die Symptome sind nicht einheitlich beschrieben und überschneiden sich mit denen verschiedener anderer Störungen z. B. mit einer Depression. Im Unterschied zum Burn-out betrifft eine Depression allerdings alle Lebensbereiche und geht mit einem Verlust der allgemeinen Lebensfreude und des Selbstwertgefühls einher. Zu den häufigen vorkommenden Symptomen bei einem Burn-out zählen:

  • Persönliche Negativität
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Spannungskopfschmerzen
  • Veränderungen des Appetits
  • Erschöpfung und Müdigkeit, die sich durch Ruhe nicht bessern
  • Schlafstörungen
  • Substanzabusus (z. B. mit Freizeitdrogen, Zigaretten, Alkohol)
  • Binge Eating oder Comfort Eating
  • Interessensverlust, Apathie, Gefühle der Entfremdung am Arbeitsplatz
  • Starker Wunsch, die Arbeitsstelle und/oder den Beruf zu verlassen
  • Depressionen, Selbstmordgedanken

Dem Burn-out Syndrom werden nach dem Psychologen Herbert Freudenberger zwölf Phasen zugeschrieben, welche jedoch nicht zwingend chronologisch ablaufen müssen. Manche Phasen können demnach parallel auftreten, andere wiederum übersprungen werden. Der Name Burn-out-Syndrom passt wie die Faust aufs Auge, wenn man sich vorstellt, dass Betroffene anfangs mit Leidenschaft wie ein Feuer für ihre Arbeit brennen (Phase 1–2). Ist man in der Abwärtsspirale Burn-out angekommen und entzieht den lodernden Flammen mit der Zeit die brennbaren Stoffe, bleibt letztendlich nur die triste Asche über – man ist in Phase 12 angekommen: der völligen Erschöpfung.


Balance ist der Schlüssel

Derzeit gibt es keine einheitliche Empfehlung zur Therapie des Burn-out-Syndroms. Wichtig ist Stressreduktion. Ist man sich seiner äußeren sowie inneren Stressoren bewusst, gilt es, diese unbedingt zu meiden. 

Entspannungsmethoden wie Yoga, Meditation, progressive Muskelentspannung etc. können dabei hilfreich sein. Sport, seinen Hobbys nachzugehen und soziale Kontakte zu pflegen ist wichtig für die psychische Gesundheit und trägt zu einer guten Work-Life-Balance bei. Persönliche Verhaltensmuster wie Perfektionismus sollten hinterfragt und abgelegt bzw. zurückgeschraubt werden.

Bei einem Burn-out-Syndrom ist eine medikamentöse Behandlung nicht erstrangig. Je nach Symptomkomplex können Arzneimittel aber unterstützend oder notwendig sein – beispielsweise bei Schlafstörungen, Angststörungen oder Depressionen. Adaptogene können zusätzlich eingesetzt werden, um die Belastungs- und Stressresistenz zu erhöhen. Allerdings ist hier meist eine längere Anwendungsdauer nötig, bis ein Effekt bemerkbar ist. Erwähnenswert sind hier pflanzliche Präparate mit Rhodiola rosea, Panax ginseng oder Eleutherococcus senticosus. 

Tabelle 1
Differenzialdiagnosen zum Burn-out-Syndrom 
(nach Korczak D et al., 2010)
UrsachenKrankheiten/Störungen
Somatisch Anämien, Eisenmangel
Hypothyreose, Diabetes, Nebenniereninsuffizienz 
Herzinsuffizienz, COPD
Niereninsuffizienz
Borreliose, HIV, Tuberkulose
Malignome, Lymphome, Leukämien
Entzündliche Systemerkrankungen
Degenerative Erkrankungen des ZNS
Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, 
Restless-Legs-Syndrom 
Medikamentennebenwirkungen 
Psychosomatisch/Psychiatrisch Chronic-Fatigue-Syndrom
Dyssomnien
Neurasthenie
Somatisierungsstörungen 
Depressive Störungen 
Generalisierte Angsterkrankung 
Posttraumatische Belastungsstörung 
Essstörung
Substanzmissbrauch (Alkohol, Tranquillizer)


Stimulanzien wie Koffein, Guaraná oder Nikotin mildern hingegen nur kurzfristig Erschöpfungssymptome. Hinzu kommen eine mögliche Toleranzentwicklung und ein gewisses Abhängigkeitspotenzial.

Generell soll man Betroffene unterstützen und ermutigen, ein Coaching, psychologische Betreuung oder ärztliche Hilfe durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie in Anspruch zu nehmen. Ein Burn-out-Syndrom kann jeden und jede treffen und erfordert neben interdisziplinärer Behandlung starken Rückhalt durch das soziale Umfeld.

Das Burn-out-Syndrom ist in der heutigen leistungsorientierten Gesellschaft ein häufiger Grund für Krankschreibungen und damit ein wichtiges Thema für das Gesundheitssystem. Es besteht jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf, um die Kriterien für die Diagnose und Klassifizierung sowie ihre Behandlung zu ermitteln. Die WHO wird in naher Zukunft mit der Etablierung von evidenzbasierten Leitlinien zum psychischen Wohlbefinden am Arbeitsplatz beginnen. 



Risikofaktoren
Burn-Out-Syndrom

Innere Faktoren

  • Perfektionismus
  • geringes Selbstwertgefühl
  • nicht „Nein“ sagen können
  • keine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit
  • hohes Engagement
  • geringe Frustrationstoleranz

Äußere Faktoren

  • hohes Ausmaß an Anforderungen
  • niedriges Ausmaß an Kontrolle (wenig Einfluss auf Arbeitsablauf)
    Zeitdruck
  • wenig Entscheidungsfreiheit
  • Hierarchieprobleme
  • schlechtes Arbeitsklima
  • fehlendes Mitspracherecht
  • fehlende soziale Unterstützung 
  • ständige Erreichbarkeit

Kasten 1


Text: Mag. pharm. Melanie Schoß, BSc

Quellen

• Burisch M (2013) Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung. Heidelberg: Springer; 4. Aufl
• Kaschka W et al. (2011) Modediagnose Burn-out Dtsch Ärztebl Int 
• Korczak D et al. (2010) Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms, Schriftenreihe Health Technology Assessment in der Bundesrepublik Deutschland 
• Brand S et al. Das Burnout Syndrom – eine Übersicht Therapeutische Umschau Jahrgang 67 • Heft 11 • 2010
• World Health Organization (2019) https://www.who.int/news/item/28-05-2019-burn-out-an-occupational-phenomenon-international-classification-of-diseases. Abgerufen im April 2023

Weitere Literatur auf Anfrage

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