Maskuline Formel

Testosteron macht den Mann!

Mag. pharm. Dr.  Alfred  KLEMENT
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Bereits ab dem 35. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel  um rund 1 % pro Jahr. © Shutterstock
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Testosteron bzw. sein Abkömmling 5α-Dihydrotestosteron (DHT) sind an der Entwicklung von Muskulatur, Knochen, Kehlkopf und am Talgdrüsenwachstum beteiligt sowie für die Libido verantwortlich. Weniger bekannt ist, dass Testosteron auch für die Stimulation der Erythropoese von Bedeutung ist. Dieser anabole Effekt hat das „Männerhormon“ für die Dopingszene interessant gemacht. Über das Internet wird die Nachfrage geweckt, während das Inkasso und die Lieferung über den Versandhandel erfolgen. Als Arzneimittel führt Testosteron hingegen ein Schattendasein: Nur drei zugelassene Testosteronpräparate sind laut Austria-Codex in Österreich erhältlich:
• Nebido® als Injektion sowie
• Testavan® und Testogel® als transdermales Gel

Verschiedene Darreichungsformen

Ein Gel lässt sich zwar leicht auf die Haut auftragen, ist aber nur grob dosierbar, während Tabletten zwar in der Dosierung exakter wären, aber wegen des massiven First-pass-Effektes in der Leber auf kinetische Vorbehalte stoßen. Pflaster zur transdermalen Applikation haben sich weniger gut bewährt, weil sie auf die Haut des Hodensacks geklebt werden müssen, um eine adäquate Resorption zu erzielen. Zunehmende Beliebtheit findet die intramuskuläre Injektion von Testosteron alle drei Monate. Die Depotspritze hat den Vorteil, dass der Patient nicht täglich mit der Substitutionstherapie befasst ist; sie ist jedoch ungeeignet, wenn der Patient eine Spritzenphobie aufweist.

Tipp
Wegen des hohen Missbrauchspotenzials werden Testosteronpräparate eher selten verschrieben. Ein Testosteronmangel muss zuvor jedenfalls labormedizinisch bestätigt werden.

Indikationen für Testosterongabe

Die erwähnten Präparate sind als Testosteronersatztherapie ausschließlich bei Hypogonadismus zugelassen und für diese Indikation aus der „Gelben Box“ des Erstattungskodex verschreibbar. Die Zulassungen der erwähnten Spezialitäten schließt ausdrücklich die Behebung der männlichen Sterilität oder Impotenz aus. Damit fallen die am häufigsten nachgefragten Indikationen weg. Wegen des hohen Missbrauchspotenzials von Testosteron verschreiben Ärzte es eher selten. Ein Testosteronmangel muss zuvor labormedizinisch bestätigt werden. Vor der Einleitung einer Hormonsubstitution sollte versucht werden, per PSA-Bestimmung und digitaler Untersuchung ein Prostatakarzinom möglichst auszuschließen.

Testosteron wird in den Leydig- Zellen der Hoden und in der Nebenniere über Vorstufen aus Cholesterol gebildet. Auch Frauen produzieren geringe Mengen an Testosteron –  und zwar sowohl in den Nebennieren als auch in den Ovarien. © Apoverlag
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Doping mit androgenen anabolen Steroiden

Zu Dopingzwecken kommen synthetische Derivate des männlichen Sexualhormons Testosteron zum Einsatz. Testosteron selbst wird im Körper bekanntlich über Vorstufen aus Cholesterol gebildet. Produktionsorte sind die Leydig-Zellen der Hoden und die Nebennieren. Frauen produzieren geringe Mengen an Testosteron sowohl in den Nebennieren als auch in den Ovarien. Bei der missbräuchlichen Anwendung als Dopingmittel wird teilweise um bis zum Hundertfachen überdosiert! Testosteron und androgene Steroide entwickeln bei dieser Dosierung enorme Effekte und steigern die Muskelkraft und Muskelmasse, allerdings um den Preis teils drastischer Nebenwirkungen.

Der Testosteronhaushalt

Bereits ab dem 35. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel um rund 1 % pro Jahr. Im Gegensatz zur rasch einsetzenden Menopause erfolgt beim Mann der Übergang in die Andropause in der Regel unbemerkt. Bei zahlreichen Männern resultiert erst im Laufe der Jahre ein zunehmendes Androgendefizit, das sich mit folgenden klinischen Symptomen manifestiert:
• Rückgang der geistigen und körperlichen Leistungs-
fähigkeit
• zunehmende Antriebsschwäche
• nachlassende Libido
• depressive Verstimmung
• Abbau der Muskelmasse bei gleichzeitiger Zunahme der Fettmasse im Körper (insbesondere des Bauchfetts) 
• Rückgang der Knochendichte 

Die Andropause mit abfallenden Hormonspiegeln setzt 15 bis 20 Jahre später ein, als die weibliche Menopause. Sie verläuft variabler und weniger markant. Die Studienlage zur Androgensubstitution mit Testosteron, Dehydroepiandrosteron (DHEA, Vorläufer für Testosteron und Estrogen) und Dihydrotestosteron ist widersprüchlich; eine klare Indikation für Testosteron ergibt sich nur beim Hypogonadismus. Anzeichen dafür sind neben dem Libidoverlust die Abnahme von Muskelmasse und -kraft und ein „verweiblichter“ adipöser Habitus. Zur Behandlung von Sexualstörungen muss man einschränkend feststellen, dass sie sich oft nicht einfach durch Testosteron beheben lassen.

Testosteron-Spiegeluntersuchungen

Manche Männer geben die Schuld am Vitalitätsverlust den Testosteronwerten. Ob diese tatsächlich zu niedrig sind oder andere Ursachen infrage kommen, ist durch eine Spiegelbestimmung nur teilweise zu erfassen.
Denn bei 20- bis 29-Jährigen gilt ein breiter Bereich von 3,1–8,3 ng/ml und beim 50- bis 59-Jährigen von 2,4–6,3 ng/ml als normal. Hat ein Mann in jungen Jahren einen hohen Testosteronspiegel, so kann 20 bis 30 Jahre später durchaus ein Wert am unteren Ende der normalen Spannbreite bereits einen pathologisch erniedrigten Testosteronwert signalisieren und Symptome hervorrufen. Urologen klassifizieren daher nur grob zwischen einem eindeutig normalen und einem pathologischen Bereich – sowie einem Graubereich dazwischen. Der im Labor ermittelte Testosteronwert muss stets auch in Relation zum Bauchumfang des Patienten gesehen werden, da Testosteron im viszeralen Fettgewebe metabolisiert wird.

Im Austria-Codex finden sich nur drei  zugelassene Testosteronpräparate:  eine Injektion und zwei transdermale Gele. © Shutterstock
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Testosteron für Frauen?

Bei 80−90 % der Frauen mit Osteoporose handelt es sich um eine primäre Osteoporose, bei Männern hingegen ist mehr als die Hälfte aller Fälle sekundär, d. h., sie werden durch andere Krankheiten oder medikamentöse Therapien ausgelöst. Bei älteren Männern sollte eine progrediente Abnahme der Körpergröße immer diagnostisch abgeklärt werden! In der Therapie kommen Calcium, Vitamin D und Bisphosphonate wie bei den Frauen zum Einsatz. Eine Hormonbehandlung analog jener von Frauen ist hingegen nicht etabliert.

Wie potent sind Potenzmittel?

Über das Internet kommen Patienten mit einschlägigen Mitteln in Kontakt. Sie erscheinen dann mit einem konkreten Präparatewunsch in der Apotheke und wollen die Wirkung bestätigt haben. Wie kann man seriös beraten, wenn die entsprechende Literatur fehlt?
Die hohe Placeborate und die häufigen psychischen Ursachen der Erektilen Dysfunktion rechtfertigen eine probeweise Anwendung pflanzlicher Mittel, auch wenn die in der Werbung beschriebene Wirksamkeit fachlich fraglich erscheint. Drei Beispiele dazu:
• Sogenannte Testosteron-Booster mit Steroidsaponinen (z. B. aus Tribulus terrestris, Erdsternchen) sollen sowohl für Muskelzuwachs sorgen als auch die Libido und Potenz steigern. Das enthaltene Protodioscin dient als eine natürliche Vorstufe von Testosteron. Allerdings fehlen Humanstudien, die eine klinische Wirksamkeit belegen würden.
• Der Spargel enthält Asparaginsäure und steht in Diskussion, die Potenz zu verbessern. Der Inhaltsstoff mag zwar an der Testosteronsynthese beteiligt sein, ein Mangel kann aber nicht eintreten, weil diese Aminosäure ausreichend selbst produziert werden kann. Dasselbe gilt für L-Arginin. Man kann eventuell einwenden, dass es ohne Arginin kein Stickstoffoxid (NO) gäbe, ohne dem es wiederum keine Erektion gibt. Bei normaler Ernährung besteht aber an den beiden Aminosäuren kein Mangel.
• In deutschen Medien wurde seinerzeit heftig „Penisso forte“ und der enthaltene „Power-Mix“ beworben. Die Maca-Pflanze (Lepidium meyenii Walp.) gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse und stammt aus Höhenlagen der peruanischen Anden. Eine Studie aus dem Jahr 2000 wurde vorgelegt, um zu beweisen, dass sich Maca als Potenzmittel eignet: Man habe zeigen können, dass sich die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs drei Stunden nach der Mahlzeit von 16-mal unter Placebo auf 67-mal unter Maca steigern ließ. Die Ergebnisse stammten allerdings von Mäusen, und die Studie wurde vor 21 Jahren durchgeführt.2

Kritikfähige Kunden kann man bei überzogenen Erwartungen auf die Grenzen der pflanzlichen Potenzmittel aufmerksam machen und die Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5) ins Gespräch bringen. Andererseits gibt es immer wieder Situationen, in welchen bei einem fragwürdigen Präparat durch die hohe Erwartungshaltung ein starker Placeboeffekt ausgelöst wird. 

Häufig stecken psychische Ursachen hinter einer  Erektilen Dysfunktion. Der Placeboeffekt kann daher mitunter sehr stark sein. Dies kann eine probeweise Anwendung von pflanzlichen Potenzmitteln wie Maca rechtfertigen, auch wenn die in der Werbung be­schriebene Wirksamkeit fachlich fraglich erscheint. © Shutterstock
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Testosteron als Antidiabetikum? 

Niedrige Testosteronspiegel bei älteren Männern mit Übergewicht oder Fettsucht können das Erkrankungsrisiko für einen Diabetes mellitus Typ 2 erhöhen. In Studien hatten Männer mit einem Testosteronspiegel von über 15,5 nmol/L ein um 42 % geringeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, als Männer, deren Werte darunter lagen.
In einer multizentrischen randomisierten, placebokontrollierten Phase-IIIb-Doppelblindstudie3 wurde neben einem Lifestyleprogramm geprüft, ob die zusätzliche Gabe von Testosteron Typ-2-Diabetes bei Männern verhindern oder einen bestehenden Diabetes umkehren kann. Die Probanden wurden 1:1 randomisiert und bekamen neben der Diät zusätzlich entweder 1.000 mg Testosteron-Undecanoat oder Placebo intramuskulär zu Beginn, nach sechs Wochen und danach alle drei Monate über zwei Jahre appliziert. Das Ergebnis ist beeindruckend: 21 % der Placebogruppe versus 12 % der Testosterongruppe hatten nach zwei Jahren einen Typ-2-Diabetes entwickelt. Die Testosterongabe war somit signifikant mit einem niedrigeren DM-Typ-2-Risiko verbunden (RR: 0,59; 95 %-KI: 0,43–0,80; p=0,0007). Zusätzlich wurde demonstriert, dass sich die Zwei-Stunden-Glucosewerte in der Placebogruppe um durchschnittlich 17 mg/dl verbesserten, in der Testosterongruppe um 31 mg/dl.

Medikamente als Lustkiller

Noch zu wenig bekannt sind die libidosenkenden Nebenwirkungen so mancher Arzneimittel. Dazu zählen die Dauertherapien mit Glucocorticoiden und Opioiden, Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und Neuroleptika (durch Dopaminblockade und Prolaktinerhöhung). Nicht zu vergessen sind vasokonstriktorische Substanzen wie Noradrenalin, Thiazide und Beta-2-Blocker. Umgekehrt kann der Drogengebrauch von THC (Dronabinol) oder Alkohol eine luststeigernde Wirkung entfalten. Für Alkohol gilt allerdings: In größeren Mengen stimuliert er zwar das Verlangen nach Sex, behindert aber gleichzeitig die Erfüllung.

Quellen:
1   S3 Leitlinie: Peri- und Postmenopause - Diagnostik und Intervention. AWMF-Reg-Nr 015-062 2020
2   BfR: Risikobewertung macahaltiger Nahrungsergänzungsmittel:. Stellungnahme Nr 024/2007 des BfR 2007; 
https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/risikobewertung_macahaltiger_nahrungsergaenzungsmittel.pdf
3   Wittert G. et al.: Testosterone treatment to prevent or revert type 2 diabetes in men enrolled in a lifestyle programme (T4DM): 
a randomised, double-blind, placebo-controlled, 2-year, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2021;9(1): 32−45


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