Pathogenese & Therapie von Fieber

Hyperthermie und ihre Folgen für den Organismus

Mag. pharm. Dr.  Alfred  KLEMENT
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Hyperthermie © Shutterstock
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Der Mensch zählt zur Gruppe der sogenannten gleichwarmen Lebewesen − zum Unterschied von den wechselwarmen Lebensformen. Zahlreiche Tiere – z. B. Fische, Amphibien, Reptilien, Insekten und andere wirbellose Tiere – gehören zu den wechselwarmen Lebewesen. Gleichwarm sind dagegen Vögel und Säugetiere. Charakteristisch für sie ist, dass zwischen Wärmeproduktion und Wärmeabgabe ein Gleichgewicht besteht, das für stabile Verhältnisse sorgt. Die Wärmeabgabe findet dabei über die Haut und Atemwege statt, die Wärmeproduktion erfolgt – in körperlicher Ruhe und bei Indifferenztemperatur – in verschiedenen Organen und Geweben mit folgender anteilsmäßiger Beteiligung:

  • Nieren 7 %
  • Gehirn 16 % 
  • Haut und Muskulatur 25 %
  • restliche Gewebe 17 %

Dieses Regelsystem unterliegt einer ausgeklügelten hypothalamischen Steuerung. Bei muskulärer Beanspruchung kann die Wärmeproduktion um das Zehnfache des Ruhewertes ansteigen und erreicht dann einen bis zu 90%igen Anteil an der gesamten Wärmeerzeugung! Muskelzittern („Frösteln“) ist also ein höchst effektiver Vorgang beim „Auffiebern“.

Physikalisch gibt der Körper ständig Wärmeenergie mittels

  • Strahlung,
  • Wasserverdunstung sowie
  • Wärmeleitung und -konvektion ab 

Wo sollte die Temperaturmessung erfolgen?

Die Messung der Körpertemperatur erfolgte früher bevorzugt in der Achselhöhle, wurde aber wegen der ungenauen Korrelation mit der Körperkerntemperatur durch die Rektal- bzw. Trommelfellmessung ersetzt. Eine Axilliarmessung erfordert übrigens bis zum Erreichen eines stabilen Endwerts eine 30 Minuten dauernde Anlegezeit und ist deshalb unpraktikabel. Bekanntlich liefert die Temperaturmessung am Morgen die niedrigsten Werte und am Abend die höchsten. Die Differenz kann im Mittel rund 1 °C betragen und lässt sich auf eine endogene, zirkadiane Periodik zurückführen. Absolviert man Langstreckenflüge mit Zeitzonensprüngen, so dauert es mehrere Tage bis zur Anpassung des zirkadianen Rhythmus an die neue Ortszeit.

Interessant sind die klimatischen Effekte auf den Organismus. Hohe Temperaturen haben unmittelbare Auswirkungen am gleichen Tag oder am Folgetag, wobei der Hitzeeffekt nach wenigen Tagen stark abnimmt. Kälte dagegen entfaltet ihre Wirkung erst nach einigen Tagen, dafür hält der gesundheitliche Effekt bis zu zwei Wochen an.

Info

Fieber ist keine pathologische Entgleisung der Körpertemperatur, sondern die Neueinstellung der intakten Thermoregulation auf ein höheres Niveau.

Soll Fieber behandelt werden?

Hier teilen sich die Meinungen zwischen ausfiebern lassen oder – bei eingeschränktem Gesundheitszustand – das Fieber zu senken. Unbestritten ist hingegen die Notwendigkeit, bei respiratorischen fieberhaften Infekten viel zu trinken.

Bei starkem Schwitzen und mangelnder Flüssigkeitszufuhr steigt nämlich die Blutviskosität – und damit das Risiko für thromboembolische Ereignisse wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Zusätzlich begünstigt eine Dehydratation die Nierensteinbildung und erhöht somit das Risiko für Nierenkoliken, die durch Steine im Harnleiter ausgelöst werden. Akutes Nierenversagen gilt ebenfalls als eine der Folgen der Dehydratation. Ältere Menschen, die Blutdrucksenker oder Diuretika einnehmen, sind besonders gefährdet. Wenn die Urinausscheidung massiv nachlässt, kommt es zu schweren Intoxikationen und Ödemen an verschiedenen Körperstellen. Bei Lungenödemen kann dies die Atmung beeinträchtigen und sogar lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.

Hohe Körpertemperaturen können auch für Menschen mit Atemwegserkrankungen − z. B. Asthma oder COPD − negative gesundheitliche Folgen haben. Denn der Körper verschafft sich nicht nur durch Schwitzen Kühlung, sondern gibt überschüssige Wärme auch über die Lungen ab, wozu die Atemfrequenz erhöht wird. Personen, die ohnehin unter Atemnot leiden, sind von dieser physiologischen Reaktion häufig überfordert und bekommen kaum noch Luft.

Prozentuale Anteile der drei Wärmetransporteure an der Gesamtwärmeabgab über die Haut und Atemwege


Haut Atemwege
Strahlung 45 % 0 %
Wasserverdunstung 20 % 8 %
Wärmeleitung,
Konvektion
25 % 2 %
Summe 90 % 10 %


Wie Fieber nach heutiger Kenntnis entsteht

Wenn anlässlich eines Infektes Fieber auftritt, sind bakterielle Membran-Lipopolysaccharide und Viren als exogene Pyrogene beteiligt. Sie stimulieren ihrerseits die Makrophagen, die hitzelabile Peptide bilden und als endogene Pyrogene gelten. In dieser Gruppe finden sich gut bekannte Mediatoren des Immunsystems wie Interleukine, Interferone und Tumornekrosefaktoren. Diese besetzen Rezeptoren im Hypothalamus und kurbeln die Arachidonsäure-Kaskade an. Es resultiert ein Anstieg der Prostaglandine, wodurch im thermoregulatorischen System der Temperatursollwert angehoben wird. Fieber ist also keine pathologische Entgleisung der Körpertemperatur, sondern die Neueinstellung der intakten Thermoregulation auf ein höheres Niveau! 

Hyperthermie tritt bei einer Überwärmung von außen oder bei einem inneren Wärmestau auf. Als wesentlicher Unterschied zum Fieber bleibt der eingestellte Sollwert dabei unverändert. Die höchste tolerierbare Körperkerntemperatur liegt zwischen 42 und 43 °C, wobei eine Temperatur ab 39 °C schon zum Kreislaufversagen führen kann.

Erwachsene sind keine kleinen Kinder

In Umkehrung des bekannten Satzes sollte man bei „Hausrezepten“ vorsichtig sein, weil manch erfolgreiche Maßnahme bei Kindern bei ihren Großeltern kontraproduktiv sein kann – so bspw. das Anlegen von kalten Wickeln. Kälte lässt nämlich den Blutdruck ansteigen, weil sich bei Kälteexposition die oberflächlichen Arterien zusammenziehen und sich das Blut vermehrt im Körperinneren ansammelt (venöses Pooling). Dadurch kann der Blutdruck um einige mm Hg pro Grad ansteigen. Wegen der Vasokonstriktion scheidet der Körper außerdem mehr Flüssigkeit aus, wodurch die Blutviskosität um bis zu 20% zunehmen kann.

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Wenn das Fieber trotz Fiebermedikation nicht sinkt, sollte der Kinderarzt aufgesucht werden. © Shutterstock

Paracetamol wirkt auf rätselhafte Weise

Das Arzneimittel Paracetamol stammt aus den 1950er-Jahren und gibt noch immer Rätsel auf. Denn der genaue Wirkmechanismus ist bis heute ungeklärt. Einer umfangreichen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 zufolge scheint der Paracetamol-Metabolit N-Acylphenolamin die Blut-Hirn-Schranke leichter zu überwinden und im ZNS mit dem TRPV1 (Transient Receptor Potential Vanilloid 1) und dem Cannabinoid-1-Rezeptor zu interagieren.1 Möglicherweise bewirkt der zerebral verfügbare Metabolit des Paracetamols eine stärkere Analgesie und weniger Nebenwirkungen bei einer gleichzeitig reduzierten Dosierung. Die Ergebnisse sind vorläufig und müssen noch studienmäßig untermauert werden. Nach heutiger Ansicht hat Paracetamol eine zentrale und eine periphere Wirkkomponente, die verschieden stark ausgeprägt sind. So hemmt Paracetamol die Prostaglandinsynthese im Gehirn intensiv, aber in der Peripherie nur schwach. Dem Paracetamol fehlen im Vergleich zu den Nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) die antiinflammatorischen Eigenschaften. Die Fiebersenkung dürfte durch eine Hemmung des Effekts endogener Pyrogene auf das Temperaturregulationszentrum im Gehirn zustande kommen.

Paracetamol und Ibuprofen kombinieren?

Wenn sich Beschwerden nicht bessern, wird in der Medizin meist reflexhaft die Dosis erhöht oder mit einem zweiten Arzneimittel kombiniert. So setzen manche Ärzte abwechselnd Ibuprofen und Paracetamol ein oder rezeptieren beide Arzneistoffe als Kombination. Man erhofft sich so eine höhere Wirkung, ohne mehr Nebenwirkungen zu erzielen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass beunruhigte Eltern für Anwendungsfehler anfällig sind, und das Risiko von Neben- und Wechselwirkungen steigt. Außerdem ist die Datenlage für Kombinationen bislang nicht überzeugend, und eine Evidenz für einen Vorteil der alternierenden Therapie bzw. der Kombinationstherapie fehlt.

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Die Datenlage für Wirkstoff-Kombinationen wie Ibuprofen und Paracetmaol ist nicht überzeugend. © Shutterstock

Grenzen der Selbstmedikation

Wer sich drei Tage nach Behandlungsbeginn noch immer krank fühlt, sollte einen Arzt konsultieren – insbesondere dann, wenn das Fieber nicht zurückgeht oder weiter ansteigt. Bei Kindern und v.a. Säuglingen ist die Grenze der Selbstmedikation schon früher erreicht. Eltern sollten mit ihrem Kind unbedingt einen Kinderarzt aufsuchen, wenn das Fieber trotz Fiebermedikation nicht sinkt oder das Kind trotz fiebersenkender Maßnahmen deutlich beeinträchtigt erscheint. Symptome wie Blässe, Trinkschwäche, Hautausschlag, wiederholtes Erbrechen, Durchfall, Nackensteifigkeit, Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit oder Atemnot sind Alarmzeichen und jedenfalls ein Grund, sofort den Arzt zu kontaktieren.

Vorsicht geboten!

Selbstmedikation von Fieber kann nicht nur bei Säuglingen und Senioren, sondern auch in anderen  Fällen riskant sein:

  • Krebspatienten sollten immer an den behandelnden Onkologen verwiesen werden, wenn plötzliches Fieber auftritt. Ihre Immunabwehr ist meist stark eingeschränkt, daher kann auch leichtes Fieber Vorbote einer beginnenden ernsthaften Infektion sein. 
  • Bei geriatrischen Patienten ist weniger das Fieber per se ein Alarmzeichen, sondern vielmehr daraus resultierende Veränderungen des mentalen Status und Einschränkungen in alltäglichen Dingen. Zusammen mit der erhöhten Temperatur kann dies zu erheblichen Komplikationen führen.
  • Reiserückkehrer von (exotischen) Auslandsaufenthalten sind an den Arzt zu verweisen, wenn Fieber innerhalb der ersten 14 Tage nach der Rückkehr auftritt.
  • Schwangeren Frauen ab der 20. Schwangerschaftswoche rät die FDA von der Einnahme von NSAR ab. Denn ab diesem Zeitpunkt beginnen die Nieren des ungeborenen Babys den größten Teil des Fruchtwassers selbst zu produzieren, sodass fetale Nierenprobleme zum Absinken des Fruchtwasserspiegels führen können. In dieser Phase bestehe die Gefahr, dass die NSAR schwerwiegende Nierenprobleme beim ungeborenen Kind verursachen könnten. In seltenen Fällen kann der Vorgang bereits zwei Tage nach Beginn einer NSAR-Einnahme einsetzen. Er klingt normalerweise ab, wenn die Schwangere die Therapie beendet. Offensichtlich ist das Problem so relevant, dass die FDA eine rasche Anpassung der Warnhinweise
    für NSAR fordert.2

Quellen

1   Mechanisms of Action. Frontiers in Pharmacology. 2020;11(1916)

2   FDA recommends avoiding use of NSAIDs in pregnancy at 20 weeks or later because they can result in low amniotic fluid. 2021. 

https://www.fda.gov/media/142967/download

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