Atopische Dermatitis

Wenn der Winter unter die Haut geht

Mag. Pharm

Doris

Auinger

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Winter © Shutterstock
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Weltweit sind etwa jedes fünfte Kind und 1 bis 3 % aller Erwachsenen von atopischer Dermatitis (AD) betroffen, wobei die Erstmanifestation bereits vor dem fünften Lebensjahr stattfindet. Spontanheilungen sind jederzeit möglich, allerdings entwickeln mindestens 30 % aller Kinder, die unter einer AD leiden, zumindest zeitweilig auch im Erwachsenenalter Ekzeme.


Juckend, schuppend, rezidivierend


Die Hauterscheinungen der chronischen Erkrankung variieren je nach Ausprägung und Lebensalter. Wechselhafte Krankheitsschübe unterschiedlicher Dauer und Schwere mit häufigen Rezidiven kennzeichnen den typischen Verlauf. Bemerkenswert ist die altersabhängige Verteilung der Läsionen: Im frühen Kindesalter (0 bis 2 Jahre) können Ekzeme am ganzen Körper (außerhalb des Windelbereichs) auftreten, während bei älteren Kindern vor allem Arme und Beine, bei Erwachsenen Hände, Füße, Ellenbeugen sowie das Gesicht betroffen sind. Minimalversionen manifestieren sich als Cheilitis, Mundwinkelrhagaden (Perlèche), Ohrläppchen-Rhagaden, Mamillenekzem oder Pulpitis sicca an Fingerspitzen und Zehenkuppen.


Komplikation durch Infektion


Eine häufige Komplikation der ohnehin gereizten Neurodermitiker-Haut stellen folgende Infektionen dar: 
• Sekundärinfektionen mit Bakterien, z. B. Staphylokokken, Streptokokken
• Virale Infektionen, z. B. Eczema herpeticatum, Dellwarzen, Eczema coxsackium, ausgeprägte Verrucae vulgares
• Pilzinfektionen, z. B. Tinea pedis 


Pathogenese


Die Pathogenese der atopischen Dermatitis gilt als komplex und umfasst eine genetische Prädisposition, Umweltfaktoren, Störungen der Hautbarriere und des Hautmikrobioms sowie eine Dysregulation des Immunsystems, welche vor allem die Th2-Antwort sowie die Zytokine IL-4 und IL-13 betrifft.


Störung der Hautbarriere  


Eine intakte Hautbarriere spielt eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung des Eindringens von Allergenen und Mikroben in den menschlichen Körper. Die 15 bis 30 nm dicke Epidermis besteht aus Proteinen sowie Lipiden und stellt insbesondere mit der Hornschicht (Stratum corneum) die physikalische Barriere für den Körper dar. Durch terminal differenzierende Keratinozyten erfolgt eine kontinuierliche Regeneration der Epidermis (Verhornung, Keratinisierung). Die nacheinander ablaufenden Prozesse (Zellproliferation, -differenzierung und -tod) sind jeweils durch die Expression spezifischer Proteine charakterisiert, z. B. Occludin, Claudin, Keratine, Transglutaminasen, Loricrin und Filaggrin, welche durch Vernetzung eine undurchlässige Barriere bilden. 

Keratinozyten sind zudem in der Lage, Mikroben abtötende Peptide zu bilden, Entzündungen zu kontrollieren, die Aufrechterhaltung der Hauthomöostase zu bewerkstelligen sowie die Hautbarriere zu regulieren. Die Hornschicht ist von einer durchgehenden Lipidmatrix aus Cholesterin, freien Fettsäuren und Ceramiden umgeben. Diese bildet eine Barriere gegen Wasserverlust und verhindert normalerweise den transepidermalen Wasserverlust. Dieser gilt als wichtiger Indikator für die Hautbarrierefunktion und ist bei AD-Patient:innen erhöht.

Defekte der Hautbarriere erleichtern die Allergensensibilisierung und führen zu systemischen allergischen Reaktionen (erhöhte IgE-Werte, Hyperreaktivität der Atemwege). 

Charakteristisch für die AD-Haut ist die Überexpression der Zytokine Th2 und Th22, die durch Veränderung des Protein- und Lipidgehalts zu einer Funktionsstörung der Hautbarriere beitragen. Die AD-Haut weist einen Filaggrin-Mangel auf, wodurch eine verstärkte Hautentzündung sowie eine Störung der parazellulären Hautbarriere beobachtet werden können. Mutationen dieses Proteins gelten als wichtiger prädisponierender Faktor für eine AD-Entwicklung, reichen jedoch allein für eine Neurodermitis-Entstehung nicht aus. Zusätzliche Faktoren wie z. B. das Th2-Zytokin, gesteuerte Downregulation der Tight Junctions sowie eine defekte Lipidmatrix tragen zu einer abnormalen Hautbarrierefunktion bei. 


Herausforderung Winter


Neben extremer Hitze, viralen Infektionen, Textilien aus Schurwolle, Aeroallergenen, Zigarettenrauch, Lebensmittelallergenen oder Kosmetika stellt insbesondere der Winter mit kühlen Außentemperaturen, trockener Heizungsluft in Innenräumen und wechselnden Witterungsbedingungen  eine große Belastung für AD-Geplagte dar. Die Haut wird bei tiefen Temperaturen schlechter durchblutet, mit weniger Sauerstoff sowie Nährstoffen versorgt, drosselt die körpereigene Talgproduktion und beginnt insbesondere an ungeschützten Arealen wie Gesicht oder Händen an der kalten Luft schneller auszutrocknen. Die Folge sind Spannungen, vermehrter Juckreiz sowie Einrisse, welche durch Kratzen Eintrittspforten für Erreger darstellen und somit Entzündungen provozieren können. Schweiß beim Wechsel von kalter Außenluft in warme, beheizte Räume reizt die ohnehin irritierte Haut und kann einen Neurodermitis-Schub auslösen. 

Tabelle © APOVERLAG
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Hautpflege als A & O


Eine geeignete topische Versorgung der irritierten Hautbarriere gilt als Grundstein der AD-Therapie. Die Betroffenen sollten bei der Reinigung – insbesondere zur Entfernung vorhandener Krusten sowie Vermeidung bakterieller Superinfektionen – schonende, kurz andauernde Reinigungs- und Badeverfahren bei nicht zu hoher Wassertemperatur vornehmen. Syndets oder wässrige Lösungen mit einem pH-Wert zwischen 5 und 6 sind bevorzugt zu verwenden, während alkalifreie Seifen nicht zur Anwendung kommen sollten.  
Die anschließende Pflege mit reizstoff- bzw. kontaktallergenfreien Körperpflegeprodukten ist direkt nach dem Bad/der Dusche aufzutragen, solange die Haut noch leicht feucht ist. Die Auswahl der Topika ist je nach Jahreszeit anzupassen, wobei im Sommer idealerweise hydrophilere, im Winter Externa mit höherem Fettgehalt zum Einsatz kommen. Weiters ist die Lokalisation des erkrankten Körperareals zu berücksichtigen (z. B. Pasten für intertriginöse Bereiche, nicht zu fettende Zubereitungen für das Gesicht). Bei chronischen Läsionen sind lipophile Grundsubstanzen zur Stärkung der Barriere einzusetzen. Die Anwendung von reinen Ölprodukten wie Kokosnuss- oder Olivenöl anstelle von Emulsionen trocknet die Haut aus, zeigt einen erhöhten transepidermalen Wasserverlust und gilt somit als kontraindiziert. 


Emollienzien und Emollienzien plus 


Emollienzien zählen zu geeigneten Pflegeprodukten für die tägliche Anwendung und werden als topische Zubereitungen mit Vehikel-Substanzen ohne Wirkstoffe definiert. Sie beinhalten meist Moisturizer wie z. B. Harnstoff, Glycerin oder Propylenglykol, welche die Hydratation des Stratum corneum fördern. Eine zusätzliche Anreicherung mit Inhaltsstoffen wie Tannin, Ammoniumbituminosulfonat, Flavonoiden oder ungesättigten Fettsäuren ist möglich. Bei „Emollienzien plus“ handelt es sich um topische Zubereitungen mit Vehikel-Substanzen plus Wirkstoffzusätzen, die nicht als Arzneistoffe zu werten sind und Flavonoide wie Licochalcon A, Saponine und Riboflavone aus proteinfreien Junghaferextrakten, bakterielle Lysate aus Aquaphilus dolomiae oder Vitreoscilla filiformis oder ein synthetisches Derivat von Menthol wie Menthoxypropandiol enthalten. 
Bei mildem Schweregrad der Hautentzündung kann die alleinige Anwendung von Emollienzien bzw. Emollienzien plus als Therapie ausreichend sein. 

Die Wahl geeigneter Topika richtet sich nach der Jahreszeit: Im Sommer empfiehlt sich der Einsatz hydrophiler Präparate, während im Winter Externa mit höherem Fettgehalt vorzuziehen sind. © Shutterstock
Die Wahl geeigneter Topika richtet sich nach der Jahreszeit: Im Sommer empfiehlt sich der Einsatz hydrophiler Präparate, während im Winter Externa mit höherem Fettgehalt vorzuziehen sind. © Shutterstock


Systemische Therapie und nicht medikamentöse Maßnahmen


Bei mittelschwerer bis schwerer Atopischer Dermatitis sind zur systemischen Therapie – neben z. B. Glucocorticosteroiden und Ciclosporin – auch Biologika (z. B. Dupilumab, Tralokinumab, Lebrikizumab, Nemolizumab) und orale Januskinase-Inhibitoren (Baricitinib, Upadacitinib, Abrocitinib) unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Zu weiteren nicht medikamen­tösen Therapieverfahren zählen Phototherapie, Photochemotherapie, psychoedukative, psychosoziale und psychotherapeutische Maßnahmen wie Entspannungsverfahren oder Anleitungen zu Selbsthilfe bzw. Alltagsmanagement.


Pflanzliche Hilfe


Jüngeren Erkenntnissen zufolge tragen äußerlich angewendete pflanzliche Bitterstoffe (z. B. aus Enzian oder Weidenrinde), welche an Bitterstoffrezeptoren in der Haut binden und einen Calciumeinstrom in die Keratinozyten bewirken, als unterstützende Maßnahme zur Verbesserung des Hautbildes bei atopischer Dermatitis bei. Die Produktion von am Hautaufbau beteiligten Lipiden und Proteinen wird stimuliert, wodurch der Hautstoffwechsel angeregt und die gestörte Hautbarriere verbessert wird. 

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